So bedienen wir bald unsere Autos

Tasten und Knöpfe könnten bald aus dem Auto verschwinden. Mit Gesten und Sprachsteuerung wollen Hersteller die Bedienung vereinfachen.

Aus der Ferne sieht es so aus, als spiele der Autofahrer gerade in der Luft Klavier. Mit nur einem Finger. Immer wieder tippt er auf ein grünes Hologramm in der Mitte des Innenraumes, navigiert so durchs Automenü. Was nach Science-Fiction klingt, wird bei BMW derzeit in Versuchsautos ausgiebig geprüft. Die Münchner nennen die neue Menüführung Holo Active Touch. In ein paar Jahren soll sie das Autofahren erleichtern. Es ist ein Trend, dem derzeit einige Hersteller nachgehen.

BMW setzt schon lange auf Multimodalität. Bisher lassen sich per Gestensteuerung bereits Lautstärke regulieren, Telefonanrufe entgegennehmen, Meldungen bestätigen und Navigationsziele anzeigen. "Außerdem besteht die Möglichkeit, eine definierte Geste mit einer individuell auswählbaren Funktion zu verknüpfen", sagt Marcus Behrendt, Leiter Baukastencluster Informations- und Kommunikationselektronik bei BMW.

Anfang des Jahres zeigte der Hersteller das Holo Active Touch genannte Hologramm. Wird es berührt, kribbelt es dank Ultraschallwellen an der Fingerkuppe, wie bei einem neuen Smartphone - mitten im Fahrzeugraum. Der Touchscreen wird projiziert, die Finger berühren keinen physischen Bildschirm. Eine empfindliche Kamera registriert Handbewegungen. Das Display kombiniert die Touch-Bedienung mit Gestensteuerung. Dabei erzeugt ein Head-up-Display durch Spiegel die Anzeige. Nachteil: Die Augen müssen es suchen und die Finger es treffen. Noch ist das Konzept im Erprobungsstadium, wann es auf den Markt kommt, ist unbekannt.

"Fahrzeuge werden intelligenter, so dass sie nicht mehr über klassische Bedienelemente eingestellt werden müssen", sagt Behrendt. "Wir setzen bei der Bedienung künftig auf eine natürlich-intuitive Interaktion und gehen weg von einer technisch getriebenen Bedienung." Wichtig sei aber auch in Zukunft, dass die Bedienung ablenkungsarm bleibt. Die Idee mit dem Hologramm dürfte deshalb erst bei autonom fahrenden Autos interessant werden.

Bei einigen neuen VW-Modellen wie dem Golf VII Facelift lassen sich heute schon Musiktitel und Radiosender per Geste steuern. Auch das Öffnen und Schließen des Schiebedachs verlangt keinen Tastendruck mehr. "Für die Zukunft arbeiten wir daran, dass die Gestensteuerung sich besser in den Bewegungsablauf eingliedert", sagt Moritz Neugebauer, Experte für Anzeigen und Bedienkonzepte bei VW. "Beispielsweise dadurch, dass die Hand nicht mehr direkt vor das Infotainment-Display geführt werden muss." Dann müsse der Fahrer nicht mit den Augen seine Hände koordinieren. Doch die Gestensteuerung bleibe eine Zusatzfunktion, die deaktiviert werden kann. "Es gibt Kulturkreise, in denen während der Fahrt mehr gestikuliert wird als in Deutschland." Dann könne es zur unerwünschten Bedienung kommen.

Nicht alle Hersteller setzen auf die Steuerung per Geste. Opel fokussiert sich bisher auf die Sprachsteuerung, die unter anderem Navigation, Infotainmentsystem und auch Freisprecheinrichtung mit der Stimme bedienbar macht. "Die Ablenkung ist bei diesen Systemen äußerst gering, denn die Hände bleiben am Lenkrad und der Blick auf den Straßenverkehr fokussiert", sagt Oliver Rullkötter, Manager für Infotainment & Connectivity bei Opel. Ergänzend kommen Sprachbedienmöglichkeiten von den ans Infotainmentsystem koppelbaren Smartphones hinzu, die zusätzliche Funktionen bieten.

Mercedes setzt nach wie vor auf den zentral angeordneten Dreh-Drück-Steller, Touchpads am Lenkrad und Sprachbedienung. Derzeit entwickelt das Unternehmen aber auch Gestensteuerungs-Bediensysteme für Fond-Passagiere, um Licht oder Rollos zu bedienen. Gestensteuerung will Mercedes künftig nur dort einsetzen, wo es den Passagier entlastet. "Die heute bekannte Gestensteuerung erfüllt noch nicht unsere Ansprüche an intuitive Bedienung und Kundennutzen - daher setzen wir ein solches System in unseren aktuellen Serienfahrzeugen nicht ein", sagt Sajjad Khan, Leiter Digital Fahrzeuge und Mobilität bei Daimler.

Mercedes testet zwar die Handhabung bei Prototypen, glaubt aber, dass die Fingerbedienung über Lenkrad oder Controller in der Mittelkonsole praktischer ist als das Hantieren mit den Händen in der Luft. "Bei der Gestensteuerung handelt es sich um eine neue Bedientechnologie, die die Kunden noch nicht aus ihrem Alltag kennen. Sie intuitiv für sie nutzbar zu machen, ist eine große Herausforderung", sagt Khan. Das größte Potenzial habe die Sprachsteuerung, die einfach zu bedienen sei. Außerdem sei sie freier in der Änderung und beide Hände bleiben am Lenkrad. "Die heutigen auf Haptik, Touch und Sprache basierenden Bediensysteme werden aber in Zukunft um weitere berührungslose Interaktionsformen ergänzt werden, die sich mit klassischen Bedienelementen oder Sprachbedienung nicht darstellen lassen", sagt Khan. Welche das sind, verrät er nicht.

Toyota verzichtet bei einer kürzlich vorgestellten Studie ganz auf Gesten- und Sprachsteuerung und setzt auf Eyetracking. Dabei verfolgt eine Kamera die Blicke des Fahrers und erkennt, wohin er schaut. Gleiten sie nach links zum Lichtschalter, aktiviert das System die Scheinwerfer. Damit werden Tasten und Schalter überflüssig. Auch VW experimentiert an dieser Menüführung. Gut möglich, dass wir uns in ein paar Jahren dann nicht mehr über Autofahrer wundern, die permanent mit den Augen rollen oder den Kopf schütteln.

(RP)
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