Gebrauchtwagen Massenhafter Betrug mit Tachoständen

Düsseldorf · Die mangelhafte Bekämpfung der kriminellen Tacho-Manipulation verunsichert die Verbraucher massiv. Das zeigt eine neue TÜV-Studie. Experten bestätigen: Die Skepsis ist nur allzu berechtigt.

Private Käufer und Verkäufer halten fast jeden dritten Auto-Kilometerstand für manipuliert. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Online-Befragung, die der TÜV Rheinland am Donnerstag vorstellte. Demnach halten 44 Prozent der Befragten illegale Tachomanipulation für ein gängiges Problem auf dem Gebrauchtwagenmarkt.

Ist das erschütterte Vertrauen ins Cockpit berechtigt? Der ADAC meint: Ja. "Jeder dritte Gebrauchtwagen hat mehr Kilometer auf dem Buckel, als der Tachometer anzeigt", sagte am Donnerstag eine Sprecherin auf Nachfrage. Schaden laut ADAC: "Sechs Milliarden Euro pro Jahr." Auch der ADAC-Wettbewerber AvD (Automobilclub von Deutschland) operiert mit diesen Zahlen.

Die Käufer derart manipulierter Autos bezahlen nicht nur zuviel. Das vielleicht noch größere Problem ist, dass sie ihr Auto wegen des gefälschten Tacho-Standes auch zu spät zur Inspektion bringen. Ein Zahnriemen etwa, der zu spät gewechselt wird und deshalb reißt, kann den ganzen Motor ruinieren.

Auf die Frage nach der Datenbasis räumen ADAC und AvD allerdings ein: Das sind nur Schätzungen. "Der Nachweis der Manipulation ist so aufwändig, dass man das in der Fläche in statistisch belastbarem Umfang nicht machen kann", sagt auch der TÜV. Verkehrsexperte Martin Lotz von der Kölner Polizei vermeidet harte Zahlen. Er weiß nur: "Es gibt ein riesiges Dunkelfeld."

Und das kommt nicht von Ungefähr. Für etwa 150 Euro kann man im Internet zu Hauf Geräte kaufen, mit denen fast jeder Auto-Tacho auf jede beliebige Laufleistung zurückgedreht werden kann. Der Vorgang dauert nur ein paar Sekunden. Man muss auch nicht lange suchen, um "Dienstleister" zu finden, die den Job für etwa 50 Euro erledigen. Der Betrug ist strafbar und kann sogar mit einem Jahr Haftstrafe geahndet werden. Aber für Betrüger ist er lukrativ: "Künstlich verjüngte Autos lassen sich im Schnitt 3400 Euro teurer verkaufen", sagt Björn Hinrichs von der Arvato Financial Solutions. Das Unternehmen betreibt eine der größten deutschen Betrugs-Datenbanken, die fast alle KfZ-Versicherer nutzen.

Der ADAC fordert die Autohersteller zu einer technischen Lösung auf: Ein zusätzlicher Chip könne die Tacho-Manipulation zumindest erheblich erschweren. "Die Hersteller könnten das schon seit Jahren tun, es wäre für sie ein Klacks", sagt auch die Verbraucherschutzbeauftrage der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) lehnt das ab. "Sowas würde die Manipulation nur solange verhindern, bis die Betrüger auch diesen Chip überwinden", sagte ein Sprecher. Zudem seien die Hersteller auch mit der aktuellen Technik schon sehr erfolgreich im Kampf gegen die Tachomanipulation.

Das sieht Betrugs-Experte Hinrichs anders. "Wir haben in einem Test mit einem Gerät, das wir für 140 Euro bei Ebay gekauft haben, in je drei Sekunden in einer großen Garage alle Tachos unterschiedlicher Hersteller manipulieren können", berichtet er, "dabei waren auch Fahrzeuge aus dem Baujahr 2014."

Belgien hat das Problem so gelöst: Seit 2010 tragen Werkstätten, Händler und andere KfZ-Profis dort fortlaufend die Kilometerstände aller ihnen anvertrauten Autos in eine zentrale Datenbank ein. So fallen Tacho-Manipulationen früher oder später automatisch auf. Laut Hinrichs gibt es in Belgien so gut wie keine Tachomanipulationen mehr.

Auch in Deutschland wird der Ruf nach einer solchen Lösung immer lauter. Der ADAC hat allerdings datenschutzrechtliche Bedenken gegen das Verfahren.

(RP)
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