Tempomaten lernen dazu

Moderne Geräte halten nicht nur Geschwindigkeit und Abstand, sie passen sich auch dem Streckenverlauf an. Dadurch soll die Fahrt entspannter werden.

Bastian Zydek ist gelassen. Sein Tempomat steht auf 100 km/h. Der Ingenieur gondelt entspannt über die Landstraße. Die Schilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen würdigt er kaum eines Blickes. Und auch die engste Kurve bringt ihn nicht aus der Ruhe. Zydek sitzt an Bord eines Prototypen mit einem vernetzten Tempomaten, dem Connected Enhanced Cruise Control powered by eHorizon. Zydek muss sich nur noch ums Lenken kümmern.

"Die Längsführung, also das Beschleunigen und Bremsen, übernimmt bei diesem System komplett die Elektronik", sagt der Entwickler des Zulieferers Continental. Dabei nutzt die Elektronik nicht nur die Daten des Navigationssystems und die Bilder einer Kamera. Über eine Online-Verbindung greift sie zurück auf eine elektronische Landkarte in der Cloud, die permanent aktualisiert wird. Schon bevor sich der Wagen einem Tempolimit nähert, bremst er auf die richtige Geschwindigkeit ab.

Selbst wenn Zydek auf einer Strecke zum ersten Mal unterwegs ist, nimmt er jede Kurve wie ein Routinier mit genau der richtigen Geschwindigkeit. "Es fühlt sich an, als wäre man hier schon hundertmal gefahren", sagt er. Mit statischen Kartendaten wie dem Streckenverlauf oder den Geschwindigkeitsregeln ist das bereits umgesetzt, sagt Zydek. Aber der Entwickler bei Continental denkt schon an den nächsten Schritt. Später sollen auch Echtzeitinformationen etwa zur Verkehrsdichte, zu roten Ampeln oder zum Straßenzustand einfließen, so dass Autofahrer zum Beispiel nasse Kurven langsamer durchfahren.

Über 60 Jahre nach der Einführung der ersten "Cruise Control" bei Chrysler in Amerika und kurz darauf bei Mercedes in Europa macht der Tempomat einen weiteren Entwicklungsschritt. Denn nachdem er schon jetzt zumindest ein paar Meter vorausschaut und automatisch Abstand zum Vordermann hält, bekommt er künftig noch mehr Weitblick. Ganz so weit wie in dem Vorserien-Szenario von Continental ist es zwar noch nicht. Doch die ersten Hersteller machen sich die Vision schon zunutze.

Audi hat im Q7 einen vorausschauenden Effizienz-Assistenten eingebaut, kein Tempomat im klassischen Sinn, aber ein System, das den Fahrer im Voraus beeinflusst. Der Assistent fordert den Fahrer auf, frühzeitig den Fuß vom Gas zu nehmen, wenn er das Tempo verlangsamen sollte, etwa, wenn sich das Fahrzeug einem Ortseingangsschild nähert. Statt abrupt zu bremsen, rollt der Wagen vor Kurven, Kreisverkehren, Kreuzungen, Gefälleabschnitten oder Tempolimits locker aus und verbraucht weniger Sprit, teilt der Hersteller mit. Im besten Fall betrage der Verbrauchsvorteil bis zu zehn Prozent.

Ein ganz anderes Einsparpotenzial will Ford heben - und seine Kunden in den Großraumlimousinen-Vans S-Max und Galaxy vor ärgerlichen Bußgeldern bewahren. Der Hersteller beanspruchte zur Einführung für sich den ersten Tempomaten, der vor Radarfallen schützt. Dafür koppeln die Kölner das System nach Angaben von S-Max-Projektleiter Rolf Deges an die Kamera basierte Verkehrszeichenerkennung. "Einmal aktiviert, pegelt sich der Tempomat deshalb immer auf die gültige Geschwindigkeit ein, bremst vor entsprechenden Beschränkungen automatisch herunter und beschleunigt danach wieder auf den voreingestellten Wert", erläutert Deges.

Wie üblich lässt sich der Tempomat von Ford mit einem Tritt auf das Gaspedal jederzeit übersteuern. Außerdem kann der Autofahrer in Fünferschritten einstellen, wie penibel sich die Elektronik an die Verkehrsregeln halten soll. Bis zu zehn Kilometer pro Stunde Unterschreitung sind damit möglich, teilt der Hersteller mit.

Auch bei BMW lernt der Tempomat dazu und bewahrt den Fahrer etwa im 7er vor Knöllchen, erläutert Oliver Poguntke, der beim Autobauer für die Fahrerassistenzsysteme zuständig ist. Allerdings betont der Hersteller die Eigenverantwortung seiner Kunden und koppelt die Geschwindigkeit des intelligenten Tempomaten nicht dauerhaft ans Tempolimit. Jedes Mal, wenn die Elektronik eine bevorstehende Geschwindigkeitsbegrenzung erkennt, muss der Fahrer sie kurz bestätigen, bevor die Luxuslimousine das Tempo konstant hält, erläutert Poguntke. "So bleibt der Fahrer immer der Herr des Geschehens."

Die Eigenverantwortung zu bewahren, ist laut Hans-Georg Marmit von der Prüforganisation KÜS ein vernünftiger Ansatz. Denn so hilfreich die nächste Generation des Tempomaten auch sein mag, entlasse sie den Menschen am Lenkrad nicht aus der Verantwortung, mahnt der Experte. "Falls es doch zu einem Knöllchen kommt, wird das schließlich kein Hersteller der Welt für den Fahrer übernehmen."

(RP)
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