Wolfsburg 2,1 Millionen Audi und 1,2 Millionen Skoda betroffen

Wolfsburg · Immer neue Details zum VW-Skandal werden bekannt - der Konzern bereitet eine gigantische Rückholaktion vor. Wir erklären, welche Nachrüstung wahrscheinlich notwendig wird - und warum Ex-Vorstandschef Winterkorn noch teure Klagen befürchten muss.

VW Chef: Das ist Martin Winterkorn
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Das ist Martin Winterkorn

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VW ist ein seltsamer Konzern: Jahrelang wusste angeblich kein führender Manager, dass Diesel-Motoren bei Tests manipuliert werden. Aber nachdem das Unternehmen Sonntags vor neun Tagen zugab, in den USA getrickst zu haben, wurde schon zwei Tage danach eingeräumt, dass weltweit elf Millionen Autos betroffen sind. Bei allen diesen Wagen würden bei der realen Fahrt viel höhere Abgase emittiert als bei Tests.

Ist mein Wagen betroffen? Der einfachste Weg, sich zu informieren, ist ein Blick auf den Motorblock: Wenn da EA 189 eingefräst, ist, handelt es sich um den umstrittenen Turbodieselmotor (TDI). Ansonsten hat VW erklärt, dass rund fünf Millionen Wagen der Marke VW beispielsweise des Golf VI, des Passats VII oder auch so mancher Kleintransporter betroffen sind. Hinzu kommen 2,1 Millionen Wagen von Audi und 1,2 Millionen Skoda.

Gibt es eine Rückholaktion? Ja. VW hat 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt und will die Kunden schnell über die Aktion informieren.

Wer wird zahlen? Alleine VW. "Es sind gewaltige Kosten, sagt Sprecher Peter Thul, "aber es ist selbstverständlich, dass wir die Kunden nicht auf den Kosten sitzen lassen." Verbraucherschützer gehen davon aus, dass VW auch Mietwagenkosten übernehmen wird. "Wenn die Reparatur länger dauert, wird VW keine Alternative haben als dem Kunden die Mietwagen zu bezahlen", meint Marion Jungbluth, Teamleiterin Mobilität beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, "die Kunden können ja nicht erst getäuscht werden und dann auch noch den wirtschaftlichen Schaden haben."

Was für Umrüstungen wird Volkswagen vornehmen? Sicher ist, dass neue Software eingespielt wird. Ansonsten ist unsicher, ob nur veränderte Katalysatoren eingebaut werden oder ob eine neue oder erweiterte Abgasreinigung mit eingespritztem, künstlichen Harnstoff notwendig wird. VW nennt dieses Verfahren Adblue.

Müssen die Autos neue Tanks für Harnstoff erhalten? Das kann bei Wagen mit größeren Motoren sein. Denn der Ausstoß von Stickoxiden kann durch ausreichendes Einspritzen von Harnsäure effektiv gesenkt werden. Wenn diese Filterfunktion künftig nicht mehr künstlich heruntergedrosselt wird, verbrauchen die Wagen deutlich mehr Harnstoff als bisher. Also müssen größere Harnstofftanks eingebaut werden oder die Kunden müssen die Flüssigkeit immer wieder auffüllen lassen. "Der Passat in den USA könnte einen größeren Tank für Harnstoff brauchen", sagt Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft in Bergisch Gladbach, "bei den größeren Wagen in Europa ist das noch offen."

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Was bedeutet es, wenn die Wagen nach der Umrüstung weniger schnell sind oder wenn die Kunden laufend Harnstoff in einer Vertragswerkstatt tanken müssen? "Wenn die Autos nach dem Rückruf nicht mehr so gut sind, wie beim Verkauf angegeben, muss VW dies ausgleichen", sagt Verbraucherschützerin Jungbluth Anwälte haben bereits in Deutschland und den USA Klagen auf Schadenersatz angekündigt. Auch die Bundesregierung hält es für denkbar, dass Kunden Geld bekommen müssen.

Was passiert, wenn VW keine sinnvolle Nachrüstung gelingt? Bisher hält kein Experte ein solches Horrorszenario für wahrscheinlich. Aber es fällt auf, dass der Konzern seinen Dieselwagen viele Jahre lang nicht zutraute, die Abgastests ohne Tricks zu bestehen. Im Extremfall könnte VW die elf Millionen Wagen austauschen müssen.

Was hat Konzernchef Martin Winterkorn neben den Ermittlungen wegen Betruges zu befürchten? Erstens drohen Winterkorn und dem Unternehmen Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Wertpapierhandelsgesetz: VW hat den Aktionären lange verheimlicht, dass die US-Behörden den Grund zu hoher Schadstoffwerte bei VW-Dieselwagen untersuchten - seit VW die Manipulationen zugab, sank der Konzernwert um mehr als 20 Milliarden Euro. Zweitens ist der Aufsichtsrat verpflichtet, mögliche Schadenersatzklagen gegen Winterkorn oder andere Vorstände zu prüfen: "Selbst wenn der Chef persönlich nichts von Betrug gewusst hat, stellt sich die Frage nach der zivilrechtlichen Verantwortung", sagt Frank Hülsberg, Senior Partner bei der Düsseldorfer Kanzlei Warth & Klein Grant Thornton "ein Vorstand kann dann so wie bei Siemens zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von Millionen Euro gezwungen werden, wenn er das Unternehmen nicht richtig kontrolliert oder organisiert hat."

(RP)
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