Architektur in NRW Spektakuläre Bauten am Rhein

Köln/Düsseldorf/Duisburg · Früher lebten die Menschen mit dem Rücken zum Fluss, jetzt können sie nicht nah genug dort arbeiten und leben. Wir erklären die Wasserrandbebauung in NRW.

 Seit fast drei Jahrzehnten verwandeln Stadtplaner Düsseldorfs alten Zollhafen in ein trendiges Büroquartier.

Seit fast drei Jahrzehnten verwandeln Stadtplaner Düsseldorfs alten Zollhafen in ein trendiges Büroquartier.

Foto: Jana Bauch

Wenn deutsche Architekten ihren ausländischen Kollegen etwas Aufregendes zeigen wollen, führen sie ihre Gäste meist in die neuen Hafen-Citys ihrer Städte. Fast weltweit ist ein Trend zum Bauen am Wasser entstanden. In Nordrhein-Westfalen sind es vor allem die neuen Viertel Rheinauhafen in Köln, Medienhafen in Düsseldorf und der neue Innenhafen in Duisburg, die in der Bauwelt für Furore gesorgt haben.

Der erst kürzlich verstorbene Stadtplaner Albert Speer, der so ganz andersgeartete Sohn des gleichnamigen Rüstungsministers Hitlers, sprach davon, den "Fluss als Stadtraum" zu begreifen. Andere wie der Kölner Bauingenieur Stefan Polónyi schlugen sogar vor, Wohn- und Fußgängerbrücken über den Rhein zu schlagen, um Stadthälften zu verbinden. Wasser regt offenbar die Fantasie der Baumeister an. Und Fantastisches im doppelten Sinn wurde an den Vorzeigeprojekten an Rhein und Ruhr umgesetzt.

Die Kranhäuser im Rheinauhafen sind die wohl spektakulärsten Wohnhäuser in Köln. Sie sind neben dem Dom zu einem der Wahrzeichen der Stadt geworden.

Die Kranhäuser im Rheinauhafen sind die wohl spektakulärsten Wohnhäuser in Köln. Sie sind neben dem Dom zu einem der Wahrzeichen der Stadt geworden.

Foto: dpa

Die Mutter der modernen Wasserrandbebauungen liegt ausgerechnet in der Problemstadt Duisburg. Der alte Innenhafen hatte viele Industriebrachen und ungenutzte Gebäude. Das global tätige Büro Foster & Partners des weltbekannten Londoner Architekten Norman Foster entwickelte schon 1991 ein Konzept zur Umnutzung des großen Areals in City-Nähe. Der Innenhafen sollte für die neuen Ideale des Bauens stehen. Geplant war eine Mischnutzung des Geländes als Büro-, Kultur- und Wohnviertel.

Bis 2006 waren die ersten Teile der ehrgeizigen Pläne umgesetzt. Es entstand mit dem "Five Boats" (fünf Boote) genannten Gebäude ein einzigartiges Bürohaus mit fünf siebengeschossigen Türmen, die wie Schiffbugs aussahen. Ellipsen als Grundrisse ermöglichen von jedem Arbeitsplatz aus die Sicht auf den Hafen. In der Nacht wird das Hochhaus spektakulär mit LED-Leuchten farblich in Szene gesetzt.

Ein früherer Mahlbetrieb, die Küppersmühle, wurde in ein Museum für Gegenwartskunst umgewandelt. Das Schweizer Büro Herzog & de Meuron entwarf die Kunststätte, wobei die unter Denkmalschutz stehende Mühle erhalten blieb. Ausgestellt ist dort deutsche Gegenwartskunst. Das ehrgeizige Museum zeigt zugleich die Chancen und Risiken solcher spektakulären Umbauprojekte. Denn die beiden Schweizer Star-Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron wollten im ersten Anbau 2008 eine Ausstellungshalle errichten, die ein schwebender Glaskubus krönen sollte, der selbst das berühmte Guggenheim-Museum von Bilbao in den Schatten gestellt hätte. Das ging gründlich schief. Schon die Stahlkonstruktion wies schwere Fehler auf, eine Kostenexplosion drohte, und 2014 war Schluss mit dem Experiment.

Jetzt wird wieder gebaut. Doch statt eines Glaskubus entsteht ein bodenständiger Backsteinbau, der wohl besser zu Duisburg passt. "Ein Scheitern ist immer auch eine neue Chance", kommentierte Architekt de Meuron den zweiten Versuch. Immerhin werden im neuen Museum, das 2018 fertig sein soll, Werke der weltweit angesagtesten deutschen Künstler wie Anselm Kiefer, Gerhard Richter und Georg Baselitz zu sehen sein.

Ein bisschen Glanz muss es für die Stahlstadt Duisburg dann doch sein. So wurde erst vor wenigen Tagen der Startschuss für "The Curve" gegeben. Duisburgs "angesagtestes Hafenviertel" werde bald um eine stilvolle Büro-, Hotel- und Wohnadresse reicher sein, frohlockte Oberbürgermeister Sören Link (SPD). In dem 100-Millionen-Euro-Projekt soll eine Bebauung mit rund 16.500 Quadratmetern Büro-, etwa 7500 Quadratmetern Hotelflächen sowie rund 100 Wohnungen entstehen. ",The Curve' wird eines der bemerkenswertesten Bauquartiere der Region", sagte Stefan Mühling, Geschäftsführer der Düsseldorfer Planungsfirma Developer, die das Gebiet entwickeln soll.

Neues bahnt sich auch in Düsseldorf an: Im Medienhafen sollen Gebäude auf Pfählen im Wasser entstehen. Und für ein geplantes Wohnquartier am Albertussee in Heerdt ist gerade ein Architektenwettbewerb zu Ende gegangen.

Apropos Medienhafen: Seit fast drei Jahrzehnten verwandeln die Stadtplaner den alten Zollhafen in ein trendiges Büroquartier, in dem auch Menschen wohnen sollen. Ein Prestigeprojekt. 212 Hektar Land beherbergen schon jetzt den spektakulärsten Teil der Stadt. Die Architekturmeile mit den dekonstruktivistischen Bürogebäuden des US-Architekten Frank Gehry, dem makellosen Quader des britischen Baumeisters David Chipperfield oder dem Lagerumbau des heimischen Großmeisters Christoph Ingenhoven ist eine Besichtigungstour wert. Der Medienhafen könnte dereinst als NRW-Architekturmuseum dienen. Denn auch international renommierte Architekten wie William Alsop, Jo Coenen, Steven Holl oder das Architekturbüro Murphy/Jahn aus Chicago und Berlin haben sich vor Ort engagiert. Der Italiener Renzo Piano baut die neue Zentrale des Energiekonzerns Uniper, das Architektenbüro Slapa Oberholz Pszczulny/sop das Verwaltungsgebäude des Hotelvergleichsportals Trivago, Düsseldorfs erfolgreichstem Start-up-Unternehmen.

Überhaupt ist das digitale Düsseldorf im Medienhafen zu Hause. Die Start-up-Szene hat sich im Flossi-Haus niedergelassen, andere nutzen die vielen Büros in den umliegenden Gebäuden. Die bunten Bauten rings um die Hafenbecken bieten 9000 Menschen Arbeit - in Anwaltskanzleien, Werbeagenturen, Modelabels, aber auch beim Einkaufssender QVC und anderen Medieneinrichtungen und nicht zuletzt in den zahlreichen Restaurants und Hotels. Nur mit dem Wohnen sieht es eher trist aus. Mit 83 Bewohnern ist der Medienhafen der am dünnsten besiedelte Stadtteil Düsseldorfs.

Düsseldorf aus der Luft
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Foto: Stadt Düsseldorf/ Kurt Nellessen

Die neue Bau- und Planungsdezernentin der Stadt, Cornelia Zuschke, will das ändern: "Weil viele Betriebe im Zuge der Digitalisierung weniger Platz brauchen, werden wir wieder zu alten Urbanitätsmustern zurückkehren und Wohngebiete mit Handel und Gewerbe kombinieren können." Auf der Westseite der Speditionsstraße sollen deshalb 200 bis 250 Wohnungen entstehen, in der Kesselstraße sollen neben Gewerbe auch Einrichtungen der Kultur, Wissenschaft und des Sports gebaut werden. Ob sie den Bewohnermangel ausgleichen können, ist unsicher. Denn alle neuen Stadtquartiere sind für Mieter und Eigentümer ein äußerst teures Pflaster.

Das gilt auch für den Kölner Rheinauhafen, dem Vorzeigeprojekt der Domstadt. Mit dem Umbau des Hafens wollten die Planer die einst vom Soziologen Alexander Mitscherlich beklagte "Unwirtlichkeit unserer Städte" überwinden. Hier ging man 1992 zu Werke, nur kurz nach dem Duisburger Auftakt. Das neue Viertel am Rhein sollte nach dem Willen der Planer ausdrücklich Wohnen und Arbeiten verbinden. So entstanden die spektakulären Kranhäuser der aus dem Iran stammenden Hamburger Architektin Hadi Teherani, die zusammen mit ihrem Trierer Kollegen Alfons Linster auch den Masterplan für den Rheinauhafen erstellte. Die teuren Stadtwohnungen (Quadratmeterpreise bis 11.500 Euro) waren aber nur für Superreiche erschwinglich.

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Foto: Hans-Juergen Bauer

Immerhin ist das 87. Stadtviertel Kölns mit seiner einzigartigen Lage schon jetzt ein Besuchermagnet ersten Ranges. 200.000 Gäste kamen zur Eröffnung am 16. August 2008. Und die Kranhäuser haben es geschafft, neben dem Dom zu einem der Wahrzeichen der Stadt zu werden. "Signifikante Architektur" nannte es der frühere Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters. Die führende US-Zeitung "New York Times" listete das neue Viertel als einen der 30 Plätze weltweit, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt. Mag es auch lebendiger sein als sein Düsseldorfer Counterpart, so ist die ökonomische Bedeutung kleiner. In den Gesundheitszentren, Anwaltskanzleien, Hotels, Restaurants, aber auch den digitalen Zentralen von Electronic Arts (Spiele) und Microsoft (Software) entstanden 2000 bis 2500 neue Jobs. In den 700 Wohnungen leben 1500 Menschen.

Wie in Duisburg oder Düsseldorf ist es abends auch hier eher ruhig, sieht man von den langen Sommernächten einmal ab. Denn es fehlt wie in den anderen rheinischen Metropolen ein Zugang zu den belebteren Innenstädten. Dafür können Besucher spektakuläre Architektur vom Kap Forum und dem neuen Siebengebirge bis zum Schokoladenmuseum am Malakoff-Turm erleben. Und auch Parkplätze sind kein Problem. Unter dem Rheinauhafen ruht mit 1,5 Kilometer Fahrstrecke die längste Tiefgarage Europas.

(kes)
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