Das Haus mit Gras einpacken Wärmedämmung aus Naturstoffen

Gülzow · Seegras und das Schnittgut vonWiesen, Schafswolle und Schilfrohr können zur Energiewende beitragen. Denn damit lässt sich die Hauswand dämmen. Die Stoffe sind nur nicht überall zu bekommen. Dafür haben sie aber einen Vorteil: Im Sommer halten sie das Haus besonders kühl.

 Häuser können mit verschiedenen Naturstoffen isoliert werden.

Häuser können mit verschiedenen Naturstoffen isoliert werden.

Foto: dpa, Andrea Warnecke

Die Wärmedämmung von Häusern ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Denn Verbraucher sollten künftig nicht nur möglichst viel Energie selbst produzieren - etwa durch Solaranlagen. Sie sollten auch möglichst wenig verschwenden. Und über eine nicht gut eingepackte Wand entweicht nun mal Wärme. Zum Dämmen eignen sich neben klassischen Materialien wie Polystyrol oder Recyclingstoffen wie aus Altpapier gewonnene Zellulose auch zahlreiche Naturstoffe.

Nur wenige greifen bislang auf die tierischen und pflanzlichen Stoffe zurück: "Ihr Marktanteil liegt derzeit um die sechs Prozent", schätzt René Görnhardt von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe in Gülzow bei Rostock. Spitzenreiter darunter sind Holzprodukte, gefolgt von Hanf und mancherorts Schilfrohr. Schafwolle, Wiesen- oder Seegras hingegen sind nach wie vor Nischenprodukte.

Als größter Vorteil der Materialien gilt ihr Schutz vor Sommerhitze: Sie haben eine hohe Dichte und können gut Wärme speichern, weshalb im Sommer warme Luft erst mit Verzögerung in das Innere das Hauses gelangt, erläutert Görnhardt. Zum Vergleich: Ist ein Dach mit einem natürlichen Dämmstoff eingepackt, dauere es bis zu acht Stunden länger als mit einer konventionellen Dämmung, bis die Hitze nach innen vordringe. Das eigentlich schlagende Argument für die meisten Bauherren ist jedoch das ökologisches Bewusstsein: "Sie wollen regionale Produkte einsetzen, haben den Nachhaltigkeitsaspekt im Blick und das gute Gefühl, etwas Gesundes zu verwenden", sagt Görnhardt.

Dafür nehmen die Verbraucher einige Nachteile in Kauf: "Das größte Hindernis sind für viele die höheren Anschaffungskosten", erklärt Dietlinde Quack vom Öko-Institut in Freiburg. Hinzu kommt, dass die Stoffe schlechter Wärme im Haus halten. Gemessen wird das mit dem Wert der Wärmeleitfähigkeit. Er gibt an, welche Wärmemenge pro Stunde bei einem Temperaturunterschied von einem Kelvin durch einen Quadratmeter eines ein Meter dicken Materials übertragen wird. Je niedriger der Wert ist, umso besser ist die Dämmwirkung.

Bei vielen natürlichen Dämmstoffen beträgt die Wärmeleitfähigkeit etwa 0,04 Watt je Kelvin und Meter. Das ist deutlich höher als bei manch einem konventionellen Dämmstoff. "Das heißt, dass man eine etwas dickere Schicht benötigt, um dieselbe Dämmwirkung zu erzielen", erläutert Reimund Stewen, Vizepräsident des Verbandes Privater Bauherren (VPB) in Berlin. Manchmal ist das baulich nicht möglich, manchmal trägt der Dämmstoff auch optisch zu stark auf.

Und nicht verwendet werden dürfen solche Rohstoffe dort, wo sie in Berührung mit Feuchtigkeit kommen. Ein Beispiel ist eine sogenannte Perimeterdämmung, die etwa an der Außenseite einer Kellerwand mit Erde in Berührung kommt. Die natürlichen Dämmstoffe kommen vor allem in zwei Formen auf den Markt: Flocken aus Holzfasern, Seegras sowie lose Holzspäne, die mit Lehm ummantelt sind, können in eine Wandnische geblasen werden, erläutert Görnhardt. "Hauptsächlich werden nachwachsende Rohstoffe jedoch als Matten oder Rollen geliefert und für die Dämmung von Dachflächen, Geschossdecken und Fassaden eingesetzt." Damit sowie mit Platten aus Holzfasern können auch Laien recht gut umgehen - und ihre Fassade selbst dämmen.

Nicht jeder Rohstoff ist überall zu bekommen - mit Ausnahme von Produkten aus Holz und Hanffaser, die mittlerweile überall gut verbreitet sind. Die kleinen Nischenprodukte sind in gängigen Baumärkten kaum vertreten. Eine gute Bezugsquelle sind Naturbaustoffmärkte. Allerdings kann es dort zu längeren Lieferzeiten kommen. Auch mit den Materialien erfahrene Handwerker gibt es nicht überall. "Die Hersteller oder Entwickler seltener Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben nicht die Möglichkeit, großflächig Handwerker in der Anwendung auszubilden", sagt Görnhardt. In der Nähe einer Produktionsstätte sind die Chancen am größten, einen geübten Handwerker zu finden.

Die Herkunft sollte für Verbraucher auch ein entscheidendes Auswahlkriterium sein. Sie spielt letztlich in der Bewertung der Ökobilanz eine nicht unerhebliche Rolle. Und hier kann es Überraschungen geben: "Der einzige Hersteller von Seegrasdämmung hat seinen Sitz nicht - wie man vermuten würde - an der Ostsee, sondern in Bayern. Und das Seegras stammt aus dem Mittelmeerraum", sagt der Rohstoffexperte Görnhardt. Daneben sollten Hausbesitzer auf Zuschlagstoffe achten. "Die Gleichung "Natürliche Dämmstoffe sind gut, die anderen sind schlecht" ist so leider viel zu einfach", sagt Bauherrenberater Stewen. Auch den Naturrohstoffen werden vor allem Flammschutzmittel wie Borsalz, Aluminiumsulfat oder Ammoniumphosphat zugesetzt. Sie werden hier sogar stark verwendet, weil die nachwachsenden Rohstoffe schlechtere Brandschutzeigenschaften haben als ihre Konkurrenten.

"Einige Hersteller arbeiten außerdem mit Soda als Pilzschutz", berichtet Görnhardt. "Und schließlich bestehen die Stützfasern von Mattendämmstoffen häufig aus synthetischen Stoffen." Wer das vermeiden will, sollte auf Stützfasern aus Kartoffel- oder Maisstärke Wert legen. Auch um die Materialien zum Ein- oder Aufbringen der Dämmung müssen umweltbewusste Verbraucher sich kümmern: "Es wird leicht übersehen, dass auch der eine oder andere Unterputz oder Systemkleber toxische Stoffe enthält", betont Ökoexpertin Dietlinde Quack. All diese Details erfährt der Verbraucher kaum einfach so. Eine gute Orientierung ist das Natureplus-Label. Es gibt an, ob das Produkt in der gesamten Produktionskette von Rohstoffanbau bis Verarbeitung umwelt- und gesundheitsbewusst behandelt worden ist. Und viele Informationen lassen sich auf Herstellerseiten im Internet finden - alle übrigen Fragen muss der Händler beantworten können.

(dpa)
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