Kolumne Spielräume nutzen

Laut Gesetz bleibt eine Schenkung im Erbfall unberücksichtigt, wenn zwischen Tod und Schenkung mehr als zehn Jahre liegen. Andernfalls können die Erben die quotale Ergänzung ihres Pflichtteils um den Wert der verschenkten Immobilie verlangen.

Die Rechtsprechung ging bisher immer davon aus, dass die Zehnjahresfrist nicht zu laufen beginnt, wenn der Schenker zwar seine Stellung als Eigentümer aufgibt, sich aber den Nießbrauch an der Immobilie vorbehält - er etwa die Mieten einzieht. Unklar war hingegen, ob und wie die Frist läuft, wenn sich der Schenker keinen Nießbrauch, sondern nur ein Wohnungsrecht vorbehält, er die verschenkte Wohnung also weiterhin selbst nutzt.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden (AZ.: IV ZR 474/15), dass durch den Vorbehalt eines Wohnungsrechts der Beginn der Zehnjahresfrist durchaus gehindert sein kann. Im konkreten Fall übertrugen die Eltern ihr Wohnhaus auf einen der beiden Söhne, behielten sich aber am Erdgeschoss ein Nutzungsrecht zu eigenen Wohnzwecken vor. Hier nimmt der Bundesgerichtshof an, dass der Schenker nicht mehr "Herr im eigenen Haus" ist, wenn sein Wohnungsrecht nur an Teilen der Immobilie (zum Beispiel einer Etage) vorbehalten ist. Die Zehnjahresfrist beginnt in einem solchen Fall also sofort zu laufen. Diese Grundsätze gelten indes nicht, hätte der Schenker ein Wohnungsrecht über die gesamte Immobilie behalten. Eben weil es hier besonders auf den jeweiligen Einzelfall ankommt, bietet diese Rechtsprechung für Immobilienschenkungen nützliche Gestaltungsspielräume.

Gerhard Fries

Der Autor ist Partner der Sozietät Krömer, Steger, Westhoff.

(RP)
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