Zur Person "Die psychische Belastung wird steigen"

Der Düsseldorfer Zukunftspsychologe Thomas Druyen prognostiziert, dass sich der Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren extrem verändern wird. Vorbereitung sei für die nächste Generation wichtig.

Wie hat sich die Arbeitswelt in den zurückliegenden Jahren entwickelt und was steht uns noch bevor?

Druyen Die Menschen müssen in ihrem Arbeitsleben Tonnen von Fakten und Wissen immer schneller verarbeiten. Meistens wird nur noch vom Problem zur Lösung gedacht. Wie im Hamsterrad - in den Unternehmen, aber auch von jedem Einzelnen. Die Menschen sind überfordert, sie reagieren emotional und kurzsichtig. Es fehlt eine nachvollziehbare Perspektive.

Und in Zukunft?

Druyen Einfach nur immer mehr Wissen anzuhäufen, wird künftig nicht helfen. Flexibilität ist wichtig: Früher hat man einen Job sein ganzes Leben lang gemacht. Die Generation der 15- bis 25-Jährigen hat eine so lange Lebensarbeitszeit vor sich, wie keine andere zuvor. Früh in Rente zu gehen, wird sich dann keiner mehr leisten können. Deshalb sind während eines Arbeitslebens mehrere und unterschiedliche Jobs wahrscheinlich. Auch das Thema Homeoffice wird eine wichtige Rolle spielen. Die Herausforderung ist, das private mit dem beruflichen Umfeld zu verbinden.

Welche Kompetenzen braucht der Arbeitnehmer von morgen, um bestehen zu können?

Druyen Vor allem im digitalen Bereich. In und mit diesem Segment werden Jobs entstehen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Aber es wird doch weiterhin handwerkliche Berufe geben.

Druyen Natürlich und sie werden eine große Bedeutung haben. Der Installateur oder der Elektriker sind vorerst unverzichtbar. Aber die psychische Belastung wird bei allen Berufen ansteigen. Der Anspruch an technische Arbeit wird noch anspruchsvoller. Arbeitnehmer, die dagegen weiterhin Tätigkeiten ausüben, die körperlichen Einsatz erfordern, müssen im Alter flexibel sein. Ein Maurer zum Beispiel, der mit 50 Jahren seinem erlernten Beruf aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten nicht mehr nachgehen kann, wird künftig umschulen und eine zweite Laufbahn etwa in der Pflege einschlagen müssen. In dem Alter wird es künftigen Generationen nicht möglich sein, in Rente zu gehen.

Schon jetzt beschäftigt der Fachkräftemangel viele Unternehmen. Wie wird sich dieses Problem weiterentwickeln?

Druyen Aufgrund des demografischen Wandels gibt es bei uns immer weniger junge Leute. Das bedeutet, ihre Wertigkeit für den Arbeitsmarkt steigt. Gut ausgebildete Berufseinsteiger können sich ihren Job quasi aussuchen. Die Internationalisierung nimmt wegen des fehlenden Personals weiter zu. Doch die Unternehmen müssen um potenzielle Mitarbeiter werben. In diesem Zusammenhang ist auch die Reputation des gesamten deutschen Arbeitsmarktes ein entscheidender Faktor.

Welche Rolle können die vielen Flüchtlinge spielen, die derzeit nach Deutschland kommen?

Druyen Diejenigen unter ihnen, die über eine gute Ausbildung und Berufserfahrung verfügen, müssen so schnell wie möglich tätig werden dürfen. Grundsätzlich aber ist das Erlernen unserer Sprache vollkommen unverzichtbar und die Voraussetzung aller guten Überlegungen.

Wie können sich junge Menschen generell auf die künftigen Anforderungen der Arbeitswelt vorbereiten?

Druyen Die Welt um uns herum dreht sich immer schneller. Wir müssen nachlegen, unser Hirn schneller machen. Wir müssen unseren Geist trainieren. Das ist wie im Fitnessstudio - nur für das Gehirn. Die Selbststeuerung ist wichtig. Man muss mit Rückschlägen oder Überraschungen umgehen. Das ist entscheidend.

Und an diesem Punkt setzen Sie auch mit ihrem Institut an?

Druyen Wir erarbeiten Konzepte, um besser mit Zukunftsgestaltung und Prävention umzugehen. Der Mensch handelt meistens erst, wenn es zu spät ist. Das müssen wir ändern und Lösungen anbieten, um das zu trainieren. Wir untersuchen zum Beispiel, warum bestimmte vorhersehbare Entwicklungen wie die enorme Lebensverlängerung über Jahrzehnte ignoriert wurden und vernünftiges Handeln ausblieb. Wir nennen das Zukunftsdummheit. Uns stellt sich die Frage, wie Zukunft im Hirn entsteht und wie man intelligent vorausplanen kann. Wir brauchen unbedingt eine erlernbare Zukunftskompetenz. Wenn bestimmte Situationen im Kopf bereits durchgespielt wurden, reagiert man besser, wenn sie eintreten.

MARKUS WASCH FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort