Karlsruhe Zweite Ehe - Kirche durfte Chefarzt kündigen

Karlsruhe · Weil ein geschiedener Düsseldorfer Mediziner erneut heiratete, entließ ihn die katholische Klinik. Das ist rechtens, urteilte das Bundesverfassungsgericht.

Karlsruhe: Zweite Ehe - Kirche durfte Chefarzt kündigen
Foto: dpa, Britta Pedersen

Das Bundesverfassungsgericht hat das kirchliche Arbeitsrecht in seinen Besonderheiten gestärkt. Katholische Einrichtungen haben ein Kündigungsrecht gegenüber Arbeitnehmern, die gegen kirchliche Glaubensgrundsätze wie die Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen. Nach einem Beschluss des höchsten deutschen Gerichts (Az.: 2 BvR 661/12) gilt damit die Kündigung eines Chefarztes an einer katholischen Klinik in Düsseldorf als verfassungsgemäß.

Der Mann hatte nach der Scheidung seiner ersten Ehe ein zweites Mal geheiratet. Scheidungen erkennt die katholische Kirche aber nicht an. Bei den Arbeitsgerichten bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte der Arzt recht bekommen; das BAG hatte 2011 seine Kündigung für unwirksam erklärt. Dagegen hatte die Klinik Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Sie gewährleiste kirchlichen Einrichtungen Rechtssicherheit und bestätige das katholische Selbstbestimmungsrecht bei der Auswahl der Mitarbeiter und den Anforderungen an sie.

Scharfe Kritik übte dagegen der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Grünen, Sven Lehmann. Er sagte unserer Zeitung: "Es ist bedauerlich, dass das Verfassungsgericht die Sonderrechte der Kirchen im Arbeitsrecht bestätigt hat. Das kirchliche Arbeitsrecht atmet den Geist des letzten Jahrtausends." Scheidung oder Homosexualität seien kein Kündigungsgrund. Es sei auch nicht akzeptabel, dass viele kirchlich Beschäftigte schlechteren Kündigungsschutz hätten oder keine Betriebsräte gründen dürften. Dies gelte umso mehr, da die meisten Einrichtungen mehrheitlich öffentlich finanziert würden. Immer mehr Gläubige lehnten die rigorose Haltung der Kirchenführungen in dieser Frage ab. Lehmann fuhr fort: "Wir Grüne fordern, dass kirchliche Beschäftigte außerhalb des Verkündigungsbereichs die gleichen Rechte bekommen wie andere Arbeitnehmer auch. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss so geändert werden, dass seine Bestimmungen auch für Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen gelten."

Das Bundesverfassungsgericht übte deutliche Kritik an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 2011. Sie missachtet nach Auffassung der Karlsruher Richter das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften. Das ist in Artikel 140 des Grundgesetzes niedergelegt, der eine entsprechende Bestimmung der Weimarer Reichsverfassung übernommen hat. Das Bundesarbeitsgericht habe verkannt, dass sich der Staat nicht über das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, im konkreten Fall das katholische Selbstverständnis von der Unauflöslichkeit der Ehe, hinwegsetzen dürfe. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften dürfe seinerseits nicht in gravierendem Widerspruch zu anderen Verfassungsrechten wie etwa der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 4 Grundgesetz) stehen.

Die Formulierung der kirchlichen Grundüberzeugung obliege allein den Kirchen und sei als elementarer Bestandteil der Religionsfreiheit im kirchlichen Sinne verfassungsrechtlich geschützt. Staatlichen Stellen sei es nicht gestattet, eigene Bewertungen und Gewichtungen von Glaubensinhalten vorzunehmen. Karlsruhe betonte, dass in Streitfällen stets das spezielle kirchliche Recht auf Selbstbestimmung gegen das allgemeine Grundrecht auf Religions- und Gewissensfreiheit abzuwägen sei. So komme es bei einer Gesamtabwägung auch auf das Gewicht der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers und eines Verstoßes gegen diese Pflicht an.

Derzeit sieht die Grundordnung der Bistümer im "kirchenrechtlich unzulässigen Abschluss einer Zivilehe" einen "schwerwiegenden Loyalitätsverstoß". Den Bischöfen liegt jedoch ein Änderungsvorschlag vor, nach dem eine Kündigung nicht mehr grundsätzlich vorgesehen sein soll. Eine Wiederverheiratung soll demnach nur zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen, wenn sie "objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und dadurch die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes zu beeinträchtigen".

Die Formulierung war Resultat von Beratungen einer Arbeitsgruppe unter Vorsitz des früheren Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch und des Verbands der Diözesen. Gegen die Änderung gibt es nach Informationen unserer Zeitung aus Kirchenkreisen allerdings Widerstand aus Bayern. Demnach haben vier Bistümer Bedenken gegen eine solche Einzelfalllösung: Regensburg, Passau, Augsburg und Eichstätt.

(RP)
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