Als Azubi im Nachbarland lernen Auslandssemester ist fast ein Muss

Berlin · Als Lehrling einen Auslandsaufenthalt zu machen, ist bislang eher ungewöhnlich. Sich ein solches Programm zu organisieren, ist deshalb nicht ganz leicht. Doch es gibt gleich mehrere Förderprogramme.

 Patrick Maaz macht eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei der Deutschen Bahn. In diesem Sommer nahm er an einem betriebseigenen Austauschprogramm teil, das ihn nach Frankreich führte.

Patrick Maaz macht eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei der Deutschen Bahn. In diesem Sommer nahm er an einem betriebseigenen Austauschprogramm teil, das ihn nach Frankreich führte.

Foto: dpa, Franziska Koark

Für Studenten ist ein Auslandssemester inzwischen fast ein Muss. Für viele gehört es zum Studium dazu, eine andere Kultur kennenzulernen und eine fremde Sprache zu lernen. Neuerdings kommen nun auch Lehrlinge auf den Geschmack. Immer häufiger gehen sie während ihrer Ausbildung für eine gewisse Zeit in ein Nachbarland.

Auslandssemester ist ein Muss

2011 sind immerhin drei Prozent der Auszubildenden eines Jahrgangs ins Ausland gegangen, berichtet Anne Wiedemann von der Handwerkskammer Berlin. Im Vergleich zu den Studenten ist das wenig.
Dort sammelt jeder Fünfte Auslandserfahrung während seiner Hochschulzeit. Doch die Nachfrage bei den Lehrlingen steigt. In Zukunft sollen mindestens sechs Prozent der Auszubildenden einen Teil ihrer Lehre im Ausland machen.

Einer, der den Schritt bereits gewagt hat, ist Patrick Maaz. Der 22-Jährige lernt bei der Deutschen Bahn Elektroniker für Betriebstechnik. Während seiner Ausbildung war er in Frankreich. "Die Deutsche Bahn hat seit mehr als 50 Jahren ein Austauschprogramm mit SNCF", erzählt er. SNCF ist die französische Bahngesellschaft.

Als die DB über den Austausch informierte, bewarb sich Maaz - und wurde genommen. Ende Juni war es soweit: 15 deutsche Azubis trafen zunächst in Kassel auf 15 französische Lehrlinge. Eine Woche lang bekamen sie gemeinsam Kurse rund um das Thema Bahn. Dann ging es für die 30 Männer und Frauen für eine Woche nach Le Mans westlich von Paris.

Auch Austausch für zwei Wochen möglich

Dort untersuchten sie etwa die luftgesteuerten Türen und Bremssysteme der französischen Bahn und besuchten in Paris ein TGV-Werk. "Der Austausch hat zwar nur zwei Wochen gedauert, doch dabei habe ich Dinge gesehen und gelernt, die ich aus meiner Ausbildung nicht kannte - in Deutschland und in Frankreich. Das war sehr spannend!"

Ein Auslandsaufenthalt bringt Lehrlinge auf jeden Fall voran, sagt Sabine Bartz von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). "Man verbessert nicht nur seine Sprachkenntnisse, sondern lernt häufig fachliche Dinge, die die deutschen Ausbildungsinhalte ergänzen." Auch im Lebenslauf macht sich der Austausch gut.

Und Bartz gibt noch einen anderen Punkt zu bedenken: "Als Azubi tut es gut zu merken, dass man in einer fremden Umgebung klarkommt." Das mache selbstbewusster und motiviere.

Verschiedene Möglichkeiten

Wer als Azubi ins Ausland gehen möchte, kann das auf mehreren Wegen verwirklichen. Entweder man nutzt wie Maaz das Austauschprogramm seines Betriebs. Allerdings bietet noch nicht jede Firma so etwas an.

Eine andere Möglichkeit kann daher sein, über das Programm Leonardo da Vinci ins Ausland zu gehen. Da Vinci hat die EU in den 90er Jahren ins Leben gerufen. Das Programm unterstützt Praktika im Ausland, sagt Wiedemann von der HWK Berlin. Auszubildende können sich dabei für jedes Land in Europa entscheiden. Möglich sei, sich im Ausland selbst einen Praktikumsbetrieb zu suchen oder sich einem bereits organisierten Gruppenprogramm anzuschließen.

Voraussetzung für einen Austausch über Da Vinci ist, dass der Betrieb und die Berufsschule dem Auslandsaufenthalt zustimmen. Viele Auszubildenden entschieden sich außerdem dafür, während der Ferien ins Ausland zu gehen, so Wiedemann. Denn so verpassen die Lehrlinge nicht zu viel Unterrichtsstoff in der Berufsschule. Als Vorlauf für die Planungen sollten zwei bis vier Monate eingeplant werden.

Bilaterales Programm bei der GIZ

Eine weitere Möglichkeit ist, den Ausbilder darauf anzusprechen, ob ein bilaterales Programm der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) besucht werden könne. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung betreut die Gesellschaft Austausche mit den Niederlanden und Norwegen. "Wir vermitteln allerdings nicht einzelne Auszubildende", erklärt Sabine Bartz vom Team Bilaterale Austauschprogramme. Vielmehr müsse den Antrag auf den Austausch die Firma stellen.

"Der zeitliche Vorlauf beträgt bis zu einem Jahr", sagt Bartz.
Dann könnten mehrere Azubis eines deutschen Betriebs für ein Praktikum von drei bis zwölf Wochen in die Niederlande oder nach Norwegen fahren - und dabei finanzielle Unterstützung bekommen.
Außerdem bekommen Auszubildende ein Zertifikat, dass sie im Ausland waren.

Egal auf welchem Weg Auszubildende ihren Auslandsaufenthalt realisieren - Lehrling Maaz würde ihn auf jeden Fall weiterempfehlen.
Er hat nicht nur fachlich viel gelernt. Ganz nebenbei hat er außerdem sein Französisch aufpoliert und viele nette Leute kennengelernt. Und ob man sich noch einmal wiedersieht? Ein Treffen mit den Ehemaligen ist schon geplant, sagt er.

(dpa)
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