Wie die Übergabe des Betriebes klappt

Übernimmt der Nachwuchs den elterlichen Betrieb, bleiben Konflikte oft nicht aus. Damit Jung und Alt den Übergang meistern, braucht es klare Absprachen.

Acht gängige Rechtsirrtümer im Job
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Foto: gms

Bei der Familie Bornholdt wurde 2002 der Anfang gemacht. Damals begann Dirk Bornholdt als Assistent der Geschäftsleitung beim Klarsichthüllen-Hersteller Adalbert Reif. Die Geschäftsführer waren seine Eltern. Sechs Jahre später übernahm er das Unternehmen, zusammen mit seiner Frau Susi. "Wir führen die Firma inzwischen in vierter Generation", sagt der 39-Jährige. Immer waren es Ehepaare, die die Geschicke des Unternehmens leiteten. Die Firma hat 90 verschiedene Varianten von Klarsichthüllen im Programm.

Bornholdt nennt die Übergabe von den Eltern auf ihn und seine Frau "einen schleichenden Prozess", denn er arbeitete über Jahre hinweg mit seinen Eltern zusammen. Beide wollten das so. "Ich habe schon oft in der Firma ausgeholfen, daher war ich vertraut mit der Produktion, den Mitarbeitern und den Geschäftspartnern." Dennoch ließ er sich Zeit, die endgültige Entscheidung zu treffen, ob er den Familienbetrieb übernehmen will. "Ich hatte immer eine Rückzugsmöglichkeit, niemand hat Druck auf mich ausgeübt." 2006 übernahmen Dirk Bornholdt und seine Frau die Firma als Geschäftsführer, seit 2008 ist er der Inhaber.

Das ist ein feiner Unterschied, der in manchem Unternehmen zu großen Streitigkeiten führen kann, wie Prof. Simon Hahnzog sagt. Er ist Psychologe und berät Unternehmensinhaber, die an die nächste Generation übergeben. "Familienunternehmen bewegen sich zwangsläufig in einem stetigen Konfliktfeld zwischen Firma, Familie und Eigentum." Viele empfinden es als schön, wenn ein Unternehmen in der Familie bleibt. Doch für das Geschäft muss das nicht das Beste sein. Darum sei es wichtig, eine Übergabe langfristig zu planen, transparent vorzugehen und immer im Gespräch zu bleiben, erläutert Psychologe Hahnzog.

Ein solcher Schritt ist für keinen der Beteiligten einfach, das sagt auch Familie Bornholdt. "Beide Seiten brauchen ein dickes Fell." Natürlich gehe nicht alles glatt, wenn ein 30-Jähriger von einem 60-Jährigen die Firma übernimmt. "Der, der übernimmt, muss sich ein bisschen zurücknehmen und Rat annehmen, sonst kann das im Totalverlust enden", erklärt Bornholdt. Das sieht auch Hahnzog so: "Der Senior kann Veränderungen schnell als Affront auffassen." Bekommt der Junior ungefragt einen Ratschlag, kann er das als Angriff auf seine Kompetenz sehen. "Häuft sich das, kann es schnell zu verhärteten Fronten zwischen den Generationen kommen."

Reden hat in der Familie des Folienherstellers immer geholfen. Dazu wurden Rahmenbedingungen vertraglich festgelegt. So gab es zum Beispiel eine vertraglich geregelte neue Arbeitszeitregelung für die älteren Bornholdts. "Meine Eltern kamen am Anfang nur noch montags, mittwochs und freitags in die Firma." Inzwischen sind beide oft auf Reisen, stehen aber immer zur Verfügung, wenn der Sohn nach einem Rat fragt.

Zur klaren Trennung rät auch Hahnzog: "Wenn der Junior die Geschäfte übernommen hat, sollte der Senior raus", sagt er. Sonst ist die Situation schwierig. Die Mitarbeiter seien dann zum Beispiel häufig verunsichert und wissen nicht, wem gegenüber sie loyal sein sollen. Wichtig sei deshalb, dass der Senior für sich eine Perspektive entwickelt, was er nach seinem Ausstieg macht, ergänzt Tim Gemkow, Nachfolgeexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

Außerdem gibt es am besten einen möglichst klaren Fahrplan, wie die Übergabe ablaufen soll und wann zum Beispiel welche Verantwortung und Entscheidungsgewalt an den oder die Nachfolger übertragen wird. "Das ist eine klare Ansage, für die Mitarbeiter, für die Partner und die Kunden", sagt Gemkow.

Prof. Brun-Hagen Hennerkes, der Vorsitzende des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen, geht sogar noch einen Schritt weiter: "Die Nachfolge regeln heißt richtig verstanden: Das gesamte Unternehmen muss auf den Prüfstand gestellt werden." Der Nachfolger müsse mit einem auf ihn persönlich zugeschnittenen Konzept an den Start gehen. "Der bloße Wechsel des Direktorensessels vom Junior auf den Senior genügt nicht."

Eine schriftlich fixierte Checkliste hilft den Unternehmern, Struktur in die Übergabe zu bekommen. Außerdem könne es sinnvoll sein, sich bei einzelnen Fragestellungen Hilfe von außen zu holen, rät Gemkow. "Es kann enorm hilfreich sein, jemanden dabeizuhaben, der die Perspektive von außen mitbringt und neutral sein kann", sagt Hahnzog. Die beiden Ehepaare Bornholdt haben bei der Übergabe auf einen Berater verzichtet, doch auf eines haben die Eltern schon früh Wert gelegt: "Keiner ihrer drei Söhne hat eine Ausbildung im elterlichen Betrieb gemacht", erzählt Dirk Bornholdt. Er selbst hat Industriekaufmann bei einer Firma in Reinbek gelernt. Dann hat er einige Jahre in verschiedenen Betrieben gearbeitet, bis er sich für das Familienunternehmen entschieden hat.

Berater Hahnzog empfiehlt ebenfalls, ein paar Jahre bewusst die elterliche Firma zu meiden. "Am besten ist, man geht in eine ganz andere Branche oder in einen anderen Bereich." Das gilt nicht nur für Ausbildung und Studium, sondern auch für den eigenen Einstieg ins Berufsleben. "Denn diese Erfahrung ist es, die der Junior mitbringt und zugunsten der elterlichen Firma nutzen kann."

(RP)
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