Wie werde ich..? Metzger suchen Nachwuchs

Schweina · Morgens Brot mit Salami, mittags Schnitzel und abends Kartoffelsalat mit Würstchen: Dreimal am Tag Fleisch zu essen, ist für viele normal. Fleischer will trotzdem kaum jemand werden. Der Job ist vielen zu eklig. Dabei ist Schlachten nur selten Teil des Berufs.

Wie werde ich..?: Metzger suchen Nachwuchs
Foto: dpa, krk

Philipp Tischers Arbeitstag beginnt morgens um 5.00 Uhr im Zerlegeraum. Dort löst er die vom Schlachthof angelieferten Schweinehälften aus. Dann sortiert er das herausgeschnittene Fleisch vor. Anschließend entscheidet er, welche Fleischstücke er etwa für Gehacktes, Brat-, Bock- oder Leberwurst verwendet. Anschließend beginnt er mit der Herstellung. Bei seinem Arbeitgeber, der Fleischerei Pfannstiel in Schweina, verkaufen sie rund 120 Produkte - 20 davon werden täglich frisch hergestellt.

Tischer, 25, kam durch ein Praktikum während der Schulzeit auf die Idee, den Beruf zu ergreifen. Er hat sich mit seinem Chef gut verstanden und mochte die Aufgabe, ein Lebensmittel herzustellen.
"Wie das halbe Schwein zur Wurst wird, das ist einfach interessant", erklärt er.

Doch wie Tischer denken nicht viele. Laut der Statistik wollen immer weniger Jugendliche Fleischer werden. Starteten 2011 noch 1950 Schulabgänger in die Lehre, waren es 2012 nur 1713, wie aus Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung hervorgeht. 1995 gab es 3324 Anfänger. "Wir haben große Schwierigkeiten, Jugendliche zu finden", sagt Klaus Gerlach, Vizepräsident des Deutschen Fleischerverbands. Rund jede vierte Lehrstelle bleibe derzeit unbesetzt.

Es ist paradox: Obwohl die Deutschen viel Fleisch konsumieren, will kaum jemand mit der Herstellung von Schinken, Leberwurst und Co. etwas zu tun haben. Das liegt nicht nur daran, dass Fleischer in der Öffentlichkeit kein gutes Image haben. Grundsätzlich wollten immer weniger Jugendliche ein Handwerk lernen, erzählt Gerlach vom Fleischerverband. Jene, die sich dafür entscheiden, suchten sich häufig lieber eine Ausbildung etwa am Bau, bei der die Ausbildungsvergütung sehr hoch ist. Je nach Region können Fleischerlehrlinge mit circa 500 Euro im ersten, 600 im zweiten und 700 im dritten Lehrjahr rechnen. Zum Teil ist es auch deutlich weniger. Am Bau verdienen Auszubildende dagegen auch mal rund 1000 Euro.

Praktikanten müssen sich daran gewöhnen, dass ganze Tierkörper verarbeitet werden, erzählt Tischer. Sie sehen dann meistens noch das lebende Tier. Für solche Menschen sei die Ausbildung nichts. "Mich aber hat die Arbeit interessiert. Ich sehe in Fleisch nicht in erster Linie das tote Tier, sondern ein Material", erzählt Tischer.

Tischer hat - wie die Mehrheit der Auszubildenden - bei einem Handwerksbetrieb die Fleischereiausbildung gemacht. Er kann verschiedene Wurstsorten herstellen, Tierkörper zu Bratenstücken machen und Fleisch pökeln oder räuchern. Selbst geschlachtet hat er noch nie. Nur noch in rund einem Drittel der Handwerksbetriebe werde selbst geschlachtet, sagt Gerlach vom Verband. Die Mehrheit lässt das auf dem Schlachthof erledigen.

Neben Handwerksbetrieben gibt es die Möglichkeit, in der Industrie zum Beispiel bei Schlachthöfen die Ausbildung zu absolvieren. Dort gehört das Töten der Tiere zur Ausbildung. Dort machen aber statistisch gesehen weniger Jugendliche ihre Ausbildung. Dann bieten Supermarktketten wie Rewe oder Edeka die Möglichkeit, Fleischer zu lernen. In der Berufsschule hören alle denselben Unterrichtsstoff:
"Dort steht zum Beispiel Rindfleischzerlegung, Pökelei und Salzen, Herstellen von Brühwurst oder Hygiene und Arbeitsschutz auf dem Stundenplan", zählt Tischer auf.

Formal ist für die dreijährige Ausbildung kein bestimmter Schulabschluss vorgeschrieben. Von den Ausbildungsanfängern im Handwerk hatten 2012 drei von vier (72 Prozent) einen Hauptschulabschluss. Von jenen, die in der Industrie lernten, war es jeder Zweite (50 Prozent). Mehr als ein Drittel (36 Prozent) hatte einen Realschulabschluss, wie aus Zahlen der Bundesarbeitsagentur hervorgeht. Wer sich für den Beruf entscheidet, sollte gut in Mathe, Chemie und Naturwissenschaften sein, erklärt Gerlach vom Fleischerverband. Außerdem sei technisches Know-how nötig, da immer mehr Prozesse computergesteuert sind - etwa die Rauchanlagen.

Bevor Jugendliche sich für die Lehre entscheiden, machen sie am besten ein Praktikum. Mancher möge zum Beispiel den speziellen Geruch nicht, wenn Blutwurst gemacht wird, erzählt Gerlach vom Fleischerverband. Arbeiten Schüler ein paar Tage oder Wochen im Betrieb mit, wüssten sie hinterher genau, ob das etwas für sie ist. In den letzten Jahren hat sich der Beruf des Fleischers stark verändert. "Der Trend geht in Richtung Frischefachmann", erklärt Gerlach. Immer häufiger gingen Fleischereien dazu über, auch Käse und Fisch zu verkaufen. Viele bieten außerdem einen Partyservice an.

Die Gammelfleischskandale hätten zumindest den Handwerksbetrieben nicht geschadet. Im Gegenteil: Seitdem gingen Kunden wieder häufiger zum Metzger um die Ecke, bei dem sie leicht nachfragen können, woher das Fleisch stammt. Den gestiegenen Fleischkonsum sieht Gerlach kritisch. Früher hätten Verbraucher vielleicht zwei bis dreimal die Woche Fleisch gegessen. Heute sei es bei vielen deutlich mehr. Niemand müsse gleich vegan oder vegetarisch leben, sagt er. Doch es sollte auch niemand vergessen, wie aufwendig es ist, Fleisch zu produzieren. Fleischermeister Tischer kann sich nicht vorstellen, vegetarisch zu leben. Er isst auch nach den vielen Berufsjahren gerne Fleisch. Halb im Scherz und halb im Ernst ergänzt er: "Wenn es am Sonntag nicht Rouladen mit Klößchen gibt, bin ich schlecht drauf."

(dpa)
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