Altersforscher sind gefragt wie nie Warum es so schwierig ist Gerontologe zu werden

Vechta · Was für Wohnungen brauchen ältere Menschen? Und was für Arbeitsplätze sind ideal? Zu solchen Fragen forschen Gerontologen. Die Experten sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Doch bislang sind Studienplätze rar.

Gerontologen, also Altersforscher, werden immer gefragter.

Gerontologen, also Altersforscher, werden immer gefragter.

Foto: Aletia / shutterstock.com

Wenn sie nach den Einsatzfeldern ihrer Absolventen gefragt wird, muss Gertrud Backes nicht lange überlegen. "Kommunen, Krankenhäuser, Unternehmen, Pflegeeinrichtungen - die Liste ist lang", sagt die Professorin am Lehrstuhl Altern und Gesellschaft an der Universität Vechta. Dort wird das Fach Gerontologie, also die Wissenschaft vom Alter und Altern, sowohl im Bachelor als auch im Master angeboten. Sind Studiengänge, die sich mit der immer älter werdenden Gesellschaft beschäftigen, heute gefragter denn je?

"Wir beobachten steigende Studierendenzahlen", sagt Christin Olschewsky, Fachstudienberaterin für den interdisziplinären Masterstudiengang Alternde Gesellschaften an der Technischen Universität Dortmund. Dort stehen etwa Lehrveranstaltungen wie Altern in der Arbeitswelt, Lernen im Alter, Technik für das Alter oder Unternehmensstrategien in der Seniorenwirtschaft auf dem Stundenplan.

Stark nachgefragt ist auch der Vechtaer Bachelorstudiengang. Zum Wintersemester gebe es regelmäßig mindestens 140 Studienanfänger, sagt Backes. Das liege zum einen daran, dass Vechta der einzige Universitätsstandort ist, der Gerontologie als Bachelor anbietet. Für Abiturienten sei das Fach als interdisziplinäre Wissenschaft außerdem sehr attraktiv. "Es beinhaltet Grundlagen aus Soziologie, Ökonomie, Psychologie, Medizin, Pflegewissenschaften oder auch Betriebswissenschaften", erzählt die Professorin. Diese seien stets mit dem Fokus auf Fragen des Alterns und des Alters verbunden.

Masterstudiengänge sind häufig spezialisierter. An der Hochschule Zittau/Görlitz gibt es den Master Soziale Gerontologie. Darin geht es beispielsweise um die Herausforderungen des demografischen Wandels für die Sozialsysteme. Wer einen Master in Gerontologie machen will, muss in der Regel nachweisen, dass er sich im Bachelor mit dem Thema bereits beschäftigt hat.

Noch ist die Zahl der rein alterswissenschaftlichen Studiengänge allerdings überschaubar. Es gibt derzeit einen Bachelor und sechs Master, die sich Gerontologie nennen. Seit Ende der 80er Jahre wird das Fach an deutschen Hochschulen gelehrt. Wer sich für das Thema Alter und Altern interessiert, kann das aber auch in einer anderen Disziplin zu seinem Schwerpunkt machen. "In den Fächern Soziale Arbeit, Soziologie und Psychologie ist das etwa möglich. Man muss nur darauf achten, dass entsprechende Wahlmodule angeboten werden", erklärt Astrid Hedtke-Becker. Sie ist designierte Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG).

Wer gerontologisches Fachwissen besitzt, hat laut Professorin Backes gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt: "Die Nachfrage nach Gerontologen und Experten auf dem Gebiet Alterswissenschaften steigt." Laut Hedtke-Becker gibt es Dutzende Einsatzfelder für Gerontologen. Das könnten etwa größere Wohlfahrtsverbände, Altenheime oder Pflegeeinrichtungen sein. Auch Banken oder Wohnungsbauunternehmen, die mit dem demografischen Wandel konfrontiert sind, zählten dazu.

Außerdem sind Gerontologen laut Backes in planerischen, beratenden und konzeptionellen Bereichen tätig. So müssen sich Krankenhäuser auf das zunehmende Alter der Patienten einstellen und entsprechende Pflege- und Behandlungskonzepte entwickeln. Interessant sind die Kenntnisse der Fachkräfte auch für Städte, Landkreise und Gemeinden. "Für diese ist es wichtig, wie sich der demografische Wandel etwa auf Energie, Abwasser und Infrastruktur auswirkt", erläutert sie. Alte Menschen sind unter Umständen häufiger zu Hause und haben ein anderes Verbraucherverhalten zum Beispiel von Wasser und Strom.

Firmen werden sich in Zukunft ebenfalls zunehmend fragen, was das steigende Alter der Belegschaft für die internen Strukturen und die Personalpolitik bedeutet. "Betriebliches Age-Management" ist der Fachbegriff. Absolventen der Studiengänge könnten hier als Unternehmensberater tätig werden und ihre Kenntnisse aus dem Studium anwenden, sagt Olschewsky.

Als Konsumenten sind ältere Menschen auch für die Wirtschaft eine wichtige Zielgruppe. "Silver Economy" oder Seniorenwirtschaft ist hier das Stichwort. Dazu zählen laut Olschewsky etwa die Tourismus- und Fitnessbranche, Kosmetikunternehmen oder Wellness-Anbieter sowie die Gesundheits- und Wohnungswirtschaft. Sie brauchen Experten, um sich auf die Bedürfnisse älterer Kunden einzustellen. Selbst in der Werbung ist der Rat der Fachkräfte gefragt. "Die Werbung fokussiert sich schon lange auf alternde Gesellschaften in diversen Facetten, wie alternde Körper und verändertes Konsumverhalten", erklärt Backes. Gerontologen könnten erklären, wie Werbung gestaltet sein muss, damit sie Zielgruppen zwischen 60 und 100 Jahren anspricht.

(dpa)
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