Extremer Bedarf Die neuen Jobs der Online-Welt

Düsseldorf (RP). Das Web zerstört nicht nur Jobs – es schafft auch viele neue. Hochschulen kommen der gestiegenen Nachfrage nach Internet-Fächern kaum hinterher. Der Bedarf nach qualifizierten Absolventen ist besonders in der Werbung groß. Einen Königsweg in die neuen Berufe gibt es indes nicht.

 Die digitale Welt bringt derzeit völlig neue Jobs hervor, die mit traditionellen Berufsbildern kaum etwas gemein haben.

Die digitale Welt bringt derzeit völlig neue Jobs hervor, die mit traditionellen Berufsbildern kaum etwas gemein haben.

Foto: ddp

Düsseldorf (RP). Das Web zerstört nicht nur Jobs — es schafft auch viele neue. Hochschulen kommen der gestiegenen Nachfrage nach Internet-Fächern kaum hinterher. Der Bedarf nach qualifizierten Absolventen ist besonders in der Werbung groß. Einen Königsweg in die neuen Berufe gibt es indes nicht.

Wenn das nicht nach einem Traumjob klingt: Corinna Nachtigall ist den ganzen Tag online. Stets ist das "Facebook"-Fenster geöffnet; sie kann, wann immer sie will, eintauchen ins World Wide Web und verfolgen, was ihre Freunde so treiben. Kein Chef, der ihr das Surfen verbietet. Schließlich ist es ihr Job zu beobachten, was sich im Internet tut. Corinna Nachtigall aus München ist Seeding-Spezialistin.

Unsere digitale Welt bringt derzeit völlig neue Jobs hervor, die mit traditionellen Berufsbildern kaum etwas gemein haben. Social-Media-Editor, Community-Manager, Seeding-Spezialist — die Liste ist lang, und vor allem in der Werbebranche ist derartiger Nachwuchs gefragt. André Schieck, einer der Chefs der Düsseldorfer Agentur Grey und verantwortlich fürs digitale Geschäft, sucht händeringend nach Flashern und Konzeptionern. "Der Bedarf an Fachkräften ist derzeit extrem hoch", so Schieck. "Und wir merken, dass es noch an Angeboten seitens der Hochschulen fehlt, die jungen Leute in den neuen Feldern entsprechend auszubilden."

Ein paar Nachwuchskräfte konnte Schieck allerdings doch auftun. So ist Matthias Rosenthal gerade zur Agentur gestoßen. Als Flasher. Der 25-Jährige animiert Webseiten. "Wenn etwas auf einer Seite sprichwörtlich singen und tanzen soll, kommt die Software ,Flash' zum Einsatz — und damit ich", so Rosenthal. Der gebürtige Hesse hat an der FH Gießen/Friedberg Medieninformatik studiert und Ende 2009 sein Diplom gemacht. Zwar fühlte er sich durch das Studium "relativ gut" aufs Berufsleben vorbereitet, aber "die Techniken waren doch sehr veraltet". Sein Spezialwissen hat er sich in der Freizeit angeeignet. Nach einem Praktikum ist er dann in seinen Job als Flasher gerutscht.

Altersdurchschnitt unter 30

Der Altersdurchschnitt in der Digital-Abteilung von Grey — die Agentur arbeitet beispielsweise für Deichmann — liegt bei unter 30. Der 24-jährige Jonas Wüllner ist dort als Web-Konzeptioner tätig. "Man sieht eigentlich nicht, was ich tue", gibt er zu. Denn ein Konzeptioner bleibt im Hintergrund. Er strukturiert Webseiten so, dass deren Besucher diese intuitiv bedienen können und auch finden, was sie suchen. "Nehmen wir den Internetauftritt eines Autos", so Wüllner. "Manche besuchen diesen, weil sie sich für technische Details interessieren, andere wollen es kaufen, und der Hersteller möchte natürlich seine Marke gut inszeniert wissen." All diese Bedürfnisse müsse eine Website erfüllen. Daher die Notwendigkeit von Konzeptionern.

Jonas Wüllner hat gleich zwei Mediendesign-Studiengänge mit unterschiedlichen Fachrichtungen absolviert: einmal an der Kölner Macromedia, einmal an der dortigen Rheinischen FH. Häufig kommen Konzeptioner aus der Architektur. Überhaupt gibt es noch keinen Königsweg in diese neuen Berufe. Die Unis und Fachhochschulen versuchen zwar, Internet-Themen verstärkt aufzugreifen. Doch so schnell wie sich das Web verändert, kommen die Bildungsstätten gar nicht hinterher. Zudem ist die Nachfrage höher als das Angebot.

Mehr Plätze als Bewerber

Elke Theobald leitet an der Hochschule Pforzheim den Studiengang Werbung. "Auf einen unserer 35 Plätze kommen 13 Bewerber", erklärt sie. Auch andere Hochschulen bieten zunehmend Fächer an, die den Einstieg in einen dieser neuen Berufe ermöglichen. Die TU Ilmenau etwa oder die TU Braunschweig. In Bielefeld gibt es den Studiengang "New Media Management" an der Fachhochschule des Mittelstands. "Aber wenn man ehrlich ist", so Elke Theobald, "dieses Online-Wissen hat eine extrem geringe Halbwertszeit."

Die Studenten und Absolventen müssten deshalb selbst versuchen, auf dem Laufenden zu bleiben. Seeding-Spezialistin Corinna Nachtigall hat das getan. Sie hat BWL in Mainz studiert und wusste schon immer, dass sie in Richtung "Online-Werbung" gehen will. "Im Studium habe ich das Grundlagenwissen erworben. Und um die Spezialisierung habe ich mich selbst gekümmert."

Die Eigeninitiative hat sich gelohnt. Direkt nach der Uni bekam sie einen Job bei der Münchner Agentur Webguerillas. Und was tut sie nun da, als Seeding-Spezialistin? "Ich schaue, über welche Kanäle im Internet man eine bestimmte Zielgruppe erreichen kann. Virale Werbespots etwa kann man so ganz gezielt streuen." Deshalb also muss Corinna Nachtigall das Netz so gut kennen — und darf den ganzen Tag surfen.

(RP)
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