Über Rechte informieren Generation Praktikum

Berlin (rpo). Sie sind jung, motiviert und billig - und in vielen Unternehmen gern gesehen. Denn ohne Praktikanten ginge in vielen Abteilungen mittlerweile gar nichts mehr. Und die Zahl der Praktikanten wächst, in der Hoffnung, irgendwann einen richtigen Job zu ergattern. Dabei nehmen viele Praktikanten hohe finanzielle Einbußen in Kauf, sind teilweise sogar schlechtergestellt als bei Arbeitslosigkeit.

In vielen Branchen würde ohne Praktikanten längst das Licht ausgehen, schätzt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Viele Unternehmen nutzten die Bereitschaft der jungen Leute allerdings längst systematisch aus, um hochqualifiziertes Personal zum Nulltarif oder unterbezahlt beschäftigen zu können, erläutert DGB-Bundesjugendsekretär Christian Kühbauch. Daher sollten junge Leute bei der Suche nach einem Praktikumsplatz vorsichtig sein und ihre Rechte kennen.

Nach Schätzungen des DGB gibt es in Deutschland rund 400.000 Praktikanten - Tendenz steigend. 100.000 von ihnen sind 13 bis 15-jährige Schüler, die ein ein- bis zweiwöchiges Betriebspraktikum absolvieren. Rund 50 000 machen ein so genanntes Einstiegs- und Qualifizierungsjahr (EQJ), weil sie keinen Ausbildungsplatz bekommen haben.

Sorge um Lücken im Lebenslauf

Doch der überwiegende Teil entfällt auf Studenten, die während des Studiums oder nach ihrem Abschluss Erfahrung sammeln wollen oder einen Berufseinstieg suchen. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit nach dem Studium und die Sorge vor Lücken im Lebenslauf treibt viele in die Endlosschleife Praktikum. Dabei nehmen viele auch in Kauf, dass sie finanziell schlechter dastehen als bei einer Arbeitslosigkeit.

Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt dürfte die Bedeutung für die deutsche Wirtschaft mittlerweile enorm sein. "Es gibt ganz typische Branchen, wo Praktikanten elementare Bestandteile der betrieblichen Abläufe verrichten", berichtet Kühbauch. Als Beispiele nennt er das Verlagswesen, die Architektur-, die Werbe- und PR-Branche sowie den Medienbereich. "Ohne Praktikanten würde dort nichts mehr laufen." Viele der jungen Leute ersetzen dort vollwertige Arbeitskräfte.

Für viele Arbeitgeber sind Praktikanten billige und flexible Arbeitskräfte, mit denen zum Teil fest geplant wird. "Dass sie schlecht qualifiziert sind, nehmen sie dabei gern in Kauf", erläutert Kühbauch. Wenn es beispielsweise heißt, "Praktikum als Webdesigner in Agentur gesucht, 6-12 Monate, Vorkenntnisse erwünscht", handelt es sich um eine als Praktikum getarnte Beschäftigung. Um das zu verhindern, rät der DGB von einem Praktikum ab, dass länger als drei Monate dauert.

Keine Regeln für Bezahlung

Für die Bezahlung gibt es keine Regelung. Der DGB empfiehlt 300 Euro im Monat, für Universitätsabsolventen 600 Euro. Die Realität sieht allerdings anders aus. "40 Prozent der Praktikanten bekommen keine Bezahlung", berichtet der Experte. Die verbleibenden 60 Prozent erhielten zwischen 150 und 300 Euro im Monat.

Ein Praktikum muss sich von einem regulären Arbeitsverhältnis dadurch abgrenzen, dass der Praktikant nicht in die tägliche Verrichtung der Arbeit fest eingeplant ist, sondern zusätzlich im Betrieb mitläuft, rät der DGB. So hat es auch das Bundesarbeitsgericht entschieden (AZ: 6 AZR 564/01). Der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen soll im Vordergrund stehen und nicht von der jeweiligen Arbeitsleistung überlagert werden.

Darüber hinaus sollten sich Praktikanten ihrer Rechte bewusst sein. Sie haben Anspruch auf den in der Branche üblichen, mindestens aber den gesetzlich vorgeschriebenen Urlaub. Auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kommt für sie in Frage, wenn es sich denn um ein bezahltes Praktikum handelt. Außerdem haben sie nach Abschluss des Praktikums Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis.

(afp)
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