Hohe Einstiegsgehälter Ingenieur-Exoten haben gute Chancen

Düsseldorf · Deutschland gilt als Land der Ingenieure – und ist es mit 1,6 Millionen Berufsvertretern auch. Die Mehrheit von ihnen verrichtet ganz klassische Tätigkeiten. Doch es gibt auch immer wieder Ausnahmeerscheinungen.

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Foto: AFP

Deutschland gilt als Land der Ingenieure — und ist es mit 1,6 Millionen Berufsvertretern auch. Die Mehrheit von ihnen verrichtet ganz klassische Tätigkeiten. Doch es gibt auch immer wieder Ausnahmeerscheinungen.

Mit der liebevoll verballhornenden Redensart "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör" — geht vor allem das Bild von besonders mutigen, fleißigen und intelligenten Männern einher, die technische Höchstleistungen abliefern oder begleiten.

Doch Ingenieure müssen nicht Riesenprojekte auf dem Reißbrett planen, hoch spezialisierte Maschinen erfinden, sensationelle Entdeckungen machen oder Naturgesetze außer Kraft setzen. Viele Tätigkeiten von Ingenieuren sind zwar anspruchsvoll, aber relativ unspektakulär. Zudem arbeiten zahlreiche Ingenieure längst in Unternehmensbereichen, die nicht direkt mit technischen Entwicklungen tun haben, in denen ihrer Berufsgruppe aber das technische Verständnis und Vorwissen zugute kommt. Das können Bereiche wie Einkauf, Vertrieb, Marketing, Controlling, Dienstleistungen oder der technische Betrieb sein, in denen es um produktbezogene Order, Verkäufe, Vermarktungen oder Kontrollen geht.

"Beste Karten auf dem Arbeitsmarkt"

Letztendlich können diese Tätigkeiten ohne große direkte Konkurrenz die Karriere fördern und in eine Führungsposition münden. "Junge Menschen, die ein ingenieurwissenschaftliches Studium abgeschlossen haben, haben beste Karten am Arbeitsmarkt", erklärt Dr. Willi Fuchs, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), der seinen Sitz in Düsseldorf hat. "In den meisten Fällen starten sie heute bereits mit einer unbefristeten Stelle und einem hohen Einstiegsgehalt ins Berufsleben. Bei der Jobsuche können sie es sich leisten, wählerisch zu sein", betont der Verbandsvertreter.

Dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt. Im vergangenen Dezember ist die Zahl offener Stellen in den Ingenieurberufen weiter gesunken — um rund sechs Prozent auf knapp 72.000 Arbeitsplätze. Sie ist zwar noch deutlich höher als die Zahl der 24.115 Arbeitslosen, verwundert aber angesichts des immer wieder beklagten Mangels an Nachwuchskräften. In dieser Situation bleibt die Frage nicht aus, welche Alternativen es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen gibt.

Und: Wie steht es um das zitierte Wählerisch-Sein und die Chancen in selteneren Ingenieurberufen? Rund 830.000 Personen arbeiten in klassischen Ingenieurberufen, die sich vorwiegend dem Forschen, Entwickeln, Konstruieren und Produzieren widmen und in der offiziellen Berufsklassifikation der Berufsgruppe 60 zugeordnet sind. Die übrigen 773.000 Ingenieure betätigen sich zumeist in Berufen, die mit dem Beraten, Lehren, Prüfen und Managen zu tun haben.

Die unterschiedlichen Anforderungsprofile geben die grundsätzlich guten Arbeitsmarktchancen von Ingenieuren wieder. "Sie erwerben im Rahmen ihres Studiums die Fähigkeit, abstrakte mathematisch-analytische Denkmuster auf hohem Niveau anzuwenden und auch in der Praxis komplexe technische Probleme zu lösen. Zudem verfügen sie in der Regel über profunde EDV-Kenntnisse", heißt es beim VDI. "Diese Kompetenzen haben Querschnittscharakter und sind nicht an einzelne Branchen oder Berufsfelder gebunden, sondern können in zahlreichen Berufsprofilen eingesetzt werden."

Exotische Berufe

Mit der hohen Ausbildungsqualität und Flexibilität steigen auch die Berufsmöglichkeiten in selteneren oder exotisch anmutenden Professionen — zumindest in der Theorie. Denn dazu gehören auch Stellen, die nur einer äußerst kleinen und qualifizierten Auswahl an Bewerbern offen steht. So bewarb sich der deutsche Luft- und Raumfahrttechnik-Ingenieur Thomas Reiter als einer von wenigen zehntausend Europäern für das Astronautenkorps der Raumfahrtagentur ESA, wurde hierfür ausgebildet und später für die Missionen zu den Raumstationen MIR und ISS berufen, bei denen er dann tatsächlich als Bordingenieur zum Zuge kam.

Seit fast zwei Jahren leitet Reiter nun als Direktor den ESA-Bereich für bemannte Raumfahrt und den operativen Betrieb. Neben solchen Ausnahmeerscheinungen gibt es die so genannten Orchideenfächer, das sind exotisch anmutende Studiengänge mit nur wenigen Professuren und Studenten. Diese werden auch "kleine Fächer" genannt und sogar von einer staatlichen Arbeitsstelle in Potsdam kartiert (www.kleinefaecher.de). Dazu zählt die Hochschulausbildung zu Materialexperten für Glas, Keramik, Bindemittel und Verbundwerkstoffe an einer Handvoll deutscher Hochschulen.

Im Rheinland hat die RWTH Aachen als nächstgelegene Institution zwei Lehrstühle eingerichtet. Während die Bundesagentur für Arbeit in ihren Berufsinformationen zu dieser Ausbildung weitere Schlüssel- und Zusatzqualifikationen empfiehlt und ansonsten "das breite Spektrum an Einsatzmöglichkeiten" hervorhebt, formuliert es das Tätigkeitsprofil einer ehemaligen Studentin klarer: "Die Absolventen haben in der Wirtschaft erstklassige Chancen und können sich ihren Arbeitsplatz oft aussuchen."

Letzteres gilt auch für bekanntere Studiengängen wie etwa die zu Toningenieuren. Hier sind die Aufnahmebedingungen streng und Studienplätze rar. Dafür liegt das Bruttojahresgehalt eines erfahrenen Toningenieurs und anderer seltener Gattungen bei 50.000 Euro. Bei noch spezielleren Tätigkeiten etwa in der Luft- und Raumfahrttechnik oder in der Nanotechnologie können es leicht ein paar zehntausend Euro mehr sein. Dem Ingeniör ist eben auch der Geldbeutel nicht zu schwör.

(anch)
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