Analyse Ist mehr Urlaub für Ältere gerecht?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage junger Birkenstock-Mitarbeiter abgewiesen. Diese hielten es für diskriminierend, dass sie zwei Tage weniger Urlaub hatten als ältere Beschäftigte in der Schuhfabrik. Gerecht? Die Meinungen in unserer Redaktion gehen auseinander.

 Das Bundesarbeitsgericht hält mehr Urlaub für Ältere in einem angemessenem Rahmen für rechtens.

Das Bundesarbeitsgericht hält mehr Urlaub für Ältere in einem angemessenem Rahmen für rechtens.

Foto: dpa, krk zeh

Man staunt schon, wie gemütlich es bei Birkenstock zugeht. Die Beschäftigten der Biolatschen-Firma haben 34 Tage Urlaub im Jahr, ab dem 58. Geburtstag kommen zwei weitere Urlaubstage hinzu. Davon können Beschäftigte in anderen Branchen nur träumen. Der gesetzliche Mindestanspruch beträgt gerade mal 20 Urlaubstage. Doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nicht über die Frage zu entscheiden, ob die Firma mit dem Fußbett es mit dem Urlaubs-Komfort übertreibt, sondern ob es zulässig ist, dass sie Alt und Jung unterschiedlich behandelt. Hierzu haben die höchsten Arbeitsrichter gestern ein Urteil gefällt, das folgerichtig und im Sinne der deutschen Wirtschaft ist.

Das Anti-Diskriminierungs-Gesetz, auf das sich die jungen Kläger berufen, verbietet zwar, dass man Gleiches ungleich behandelt. Doch das tun Birkenstock und Unternehmen mit ähnlichen Tarifverträgen gar nicht. Sie behandeln nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches ungleich - und das ist keine Diskriminierung, sondern ausdrücklich erlaubt. Wenn Schichtarbeit Ältere körperlich mehr belastet als Junge, kann der Betrieb ihnen auch mehr Zeit zur Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft einräumen, was der tiefere Sinn von Urlaub ist. Das ist genau der Gestaltungsspielraum, den die Richter den Unternehmen zurecht zugestehen.

Zumal die Richter mit ihrem Grundsatz-Urteil kein Unternehmen zwingen, jedem 58-Jährigen 36 Tage Urlaub zu geben. Sie haben lediglich den Rahmen abgesteckt, in dem sich die Tarifpartner bewegen können - und damit die Tarifautonomie gestärkt. Was in welcher Branche oder (bei Haustarifen) in welchem Unternehmen tatsächlich möglich und sinnvoll ist, bleibt Arbeitgebern und Gewerkschaften überlassen.

Die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit hat das Bundesarbeitsgericht bereits in einem früheren Urteil zur Urlaubsregelung im öffentlichen Dienst deutlich gemacht. Danach ist es sachlich nicht begründet und damit im Sinne des Gesetzes diskriminierend, wenn der Urlaubsanspruch bereits mit dem 30. Geburtstag von 26 auf 29 Tage steigt. Eine solche leistungsfeindliche Regelung, wie sie im öffentlichen Dienst lange galt, setzt auch ökonomisch die falsche Anreize.

Für Vergünstigungen ab 30, wenn die meisten auf den Höhepunkt ihrer leistungsfähigkeit zusteuern, gibt keinen ökonomischen Grund, für Vergünstigungen ab 58 schon. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels müssen Unternehmen alles tun (können), um ältere Beschäftigte so lange wie möglich an Werkbank und Schreibtisch zu halten. Damit die Anhebung der regelaltersgrenze auf 67 Jahren nicht nur der Rentenkasse nützt, sondern den Unternehmer auch im betrieblichen Alltag zugute kommt, muss das faktische Renteneintrittsalter steigen. Derzeit liegt es bei 63. Das lässt sich gewiss auch für den berühmten Dachdecker erhöhen, wenn Betriebe flexible Arbeits- und Urlaubszeiten anbieten dürfen.

(RP)
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