Coworking mit Kind Als Freiberufler Nachwuchs und Job vereinbaren

Dresden · Fällt Freiberuflern mit Nachwuchs zu Hause die Decke auf den Kopf, kann das Modell Coworking mit Kind Abhilfe schaffen. Mehrere teilen sich ein Büro - und bringen den Nachwuchs mit. So können sie in Ruhe arbeiten und sich im besten Fall nebenbei vernetzen.

Coworking mit Kind: Als Freiberufler Nachwuchs und Job vereinbaren
Foto: NotarYES/ Shutterstock.com

Bauklötze, Laptop, Windeln und Internet: Das ist die Grundausstattung im Rockzipfel. Bobbycars und Spielzeuge sind in dem rund 80 Quadratmeter großen Eltern-Kind-Büro zu finden. "Im Rockzipfel unterstützen sich die Eltern gegenseitig bei der Kinderbetreuung", sagt Juliane Drommer von dem Coworking-Projekt für Eltern mit Kind. Die zweifache Mutter und Ernährungswissenschaftlerin hat das Projekt in Dresden gegründet.

Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit, Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten sind bekannte Konzepte, um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Coworking mit Kind ist eine relativ neue Idee. Selbstständige, Freiberufler und Angestellte mit flexiblen Arbeitszeiten teilen sich ein gemeinsames Büro und bringen ihren Nachwuchs mit. In einigen Städten gibt es bereits Initiativen - wie zum Beispiel in Dresden. Sechs Mütter und ein Vater gehen im Rockzipfel derzeit drei Tage in der Woche von 9.00 bis 15.00 Uhr ihrer Arbeit nach. Gemeinsam mit einer ehrenamtlichen Kinderfrau kümmert sich immer ein Elternteil um alle Kinder. Nach einer gewissen Zeit wird getauscht - so das Konzept.

Die Coworking-Eltern nutzen dabei nicht nur die Vorteile eines in der Regel mit Internetzugang, Drucker und Scanner ausgestatteten Büros. Sie profitieren auch von der Gemeinschaft, sagt Klaus-Peter Stiefel vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Sie können neue Menschen kennenlernen, Kontakte knüpfen und sich mit Gleichgesinnten austauschen. Das ermögliche wiederum Feedback und Unterstützung, ergänzt Thomas Rigotti. Er ist Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Mainz. "Das sind Ressourcen, die motivieren."

Auf die Idee eines Eltern-Kind-Büros ist Drommer gekommen, als sie zu Hause in Ruhe ihre E-Mails lesen wollte. "Das ging aber nicht, weil der Kleine immer dabei war", erzählt sie. Ihr Sohn habe regelrecht mittippen wollen. Als Drommer von dem Rockzipfel-Büro in Leipzig erfahren hat, ist sie zu den dortigen Initiatoren gefahren. Rockzipfel ist kein geschützter Name. Die Umsetzung sei in jeder Stadt individuell, erläutert Drommer. In Dresden kostet der Monatsbeitrag 75 Euro. Wer sich nicht sicher ist, ob das Modell für ihn und sein Kind funktioniert, kann für fünf Euro am Tag erst einmal testweise kommen. Das geht insgesamt für zwei Wochen. Tagestickets gibt es nicht. Das passe nicht ins Konzept.

Der Geräuschpegel ist im Eltern-Kind-Büro deutlich lauter als in anderen Gemeinschaftsbüros. "Die Erwartungen sollten nicht zu hoch sein", warnt Drommer. Störungen sind jederzeit möglich. Sind die Kinder aufgeregt, versucht zunächst die Betreuerin, sie zu beruhigen. Klappt das nicht, sind jedoch die Eltern gefragt. Deutschlandweit gibt es zwar mehr als 250 Coworking-Projekte. Das Rockzipfel-Projekt läuft aber bislang nur in Leipzig, Dresden, München und Hamburg. Forschung zu dem neuen Modell gibt es bislang nicht. "Coworking mit Kind muss sich als neues Modell erst bewähren", sagt Stiefel vom IAO. Es sei aber eine spannende Initiative. "Selbst wenn es in der Form nicht funktionieren sollte, kann es sich ja noch weiterentwickeln."

Klar ist: Auch im Eltern-Kind-Büro muss es Ruhezonen geben. Das kann etwa ein Raum sein, in dem Kinder keinen Zugang haben. Dort können Berufstätige auch einmal eine Zeit lang ungestört arbeiten. Außerdem rät Stiefel Betreibern von Coworking-Büros mit gemeinsamen Aktivitäten das Netzwerk zu fördern. Das kann etwa ein Stammtisch sein. Nur wenn die Zusammenarbeit zwischen den Eltern funktioniert, kann das Coworking-Projekt gelingen. Um konstruktiv arbeiten zu können, empfiehlt Rigotti außerdem einen festen Tagesablauf.

Im Dresdner Rockzipfel halten sie sich daran: Jeder Tag beginnt mit einem Begrüßungslied. Anschließend werde besprochen, wer arbeitet, wer die Kinder betreut und wer das Essen zubereitet, erklärt Drommer. Zum Mittagessen sitzen alle gemeinsam an einem Tisch. Wer ungestört sein möchte, kann sich in einen kleinen Raum mit Schlafoption zurückziehen. Es werde aber schon nach größeren Räumlichkeiten gesucht, erklärt Drommer. Bedarf scheint es also zu geben.

(dpa)
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