Job am Mikrofon Radiomoderator — ohne Talent geht's nicht

Berlin · Die Sprecherzieherin sagt, Joachim Scholl habe nicht die klarste Artikulation. Er selbst findet, er bringt den Buchstaben "S" nicht richtig heraus. Trotzdem sitzt Scholl seit inzwischen 20 Jahren als Moderator vor dem Mikrofon. Denn er kann etwas, was für einen Radiomoderator viel wichtiger ist, als fehlerfrei einen Text vorzulesen: "Er hat die Begabung, mit Menschen ein gutes Gespräch zu führen", sagt Heike Martin, Sprecherzieherin beim Deutschlandradio. Und deshalb hört man ihm gerne zu.

 Radiomoderatoren brauchen das nötige Talent.

Radiomoderatoren brauchen das nötige Talent.

Foto: cityvis

Drei Sendungen moderiert Scholl, 51, derzeit im Deutschlandradio: Er macht mit anderen Moderatoren im Wechsel das Magazin Radiofeuilleton, das unter der Woche von 9 bis 12 Uhr läuft. Er macht eine Talksendung in der Nacht, in der Gäste zu einem aktuellen Thema anrufen können. Und er hat eine Interviewsendung, in der er einen Gast 90 Minuten lang befragt. Scholl hat viel Routine als Moderator. Trotzdem, sagt er, hat er immer noch ein Kribbeln im Bauch, wenn im Studio das rote Licht angeht und er wieder auf Sendung ist.

Interessante Menschen

Auf Sendung sein: Davon träumen viele junge Menschen. Denn der Beruf des Radiomoderators hat etwas Glamouröses. "Am Mikrofon sitzen ist, wie auf der Bühne zu stehen. Man hat ein Publikum und wird gehört", sagt Sprecherzieherin Martin. Und spannend ist es in jedem Fall: Radiomoderatoren treffen im Laufe ihrer Zeit durch ihre Sendung viele interessante Menschen. Sie haben mit immer neuen Themen zu tun.
Und irgendwie scheint es auch leicht verdientes Geld zu sein: So drauflos zu quatschen im Radio, kann schließlich nicht besonders schwer sein, mag mancher denken.

Es ist Freitag, 11.52 Uhr. Acht Minuten dauert Scholls Sendung noch. Dann ist die dreistündige Sendung für heute geschafft. Scholl sitzt in einem kleinen, vielleicht zehn Quadratmeter großen Raum an einer Art Konferenztisch. Vom Technikerraum aus kann man ins Studio durch eine Glasscheibe in der Wand hineinsehen. Das Gesicht des Moderators erkennt man kaum. Denn es wird von einem Mikrofon verdeckt, das an der Decke hängt. Auf den Ohren klemmen Kopfhörer.

"Joachim, 20 Sekunden noch", sagt der Techniker, der hinter einem verwirrend großen Mischpult sitzt, in ein Mikrofon. Der Kopf mit den Kopfhörern hinter der Glasscheibe bewegt sich, es soll wohl ein Nicken sein. Dann geht im Technikerraum das rote Licht an, und man hört Scholls Stimme mit einer Anmoderation von den Golden Globes. Er ist auf Sendung.

Den ganzen Tag hat Scholl gestern die Sendung vorbereitet. Auf eine Stunde Sendezeit kommen rund vier Stunden Vorbereitung. Das Themenspektrum in Scholls Sendung reicht vom neuen Buch eines Schriftstellers bis hin zu politischen Themen wie Stuttgart 21. "Man braucht für diesen Beruf eine sehr gute Allgemeinbildung", sagt er.

"Falsche Vorstellung von dem Beruf"

"Viele junge Menschen haben eine falsche Vorstellung von dem Beruf", sagt Martin. "Viele glauben, es reiche aus, gerne und viel zu reden." Der Job ist jedoch mehr als das. Moderatoren müssen durch eine Sendung führen. Sind sie gut, bauen sie eine Verbindung zum Hörer auf. Sie brauchen Ausstrahlung und sollten witzig und schlagfertig sein. "Entscheidend ist, was für ein Typ ich bin", sagt Martin.

Wer als Moderator zum Radio möchte, sollte frühzeitig anfangen, in diesem Metier zu arbeiten. "Junge Menschen sollten sich nach einem Bürger- oder Studentenfunk umsehen, bei dem sie mitmachen können", rät Martin. Ohne Erfahrung könne man im Rundfunkbereich nichts erreichen.

Da es laut Bundesagentur für Arbeit keine Ausbildung zum Moderator gibt, führt der Weg zum Moderator am ehesten über ein Journalistik-Studium. Danach sollten sich Absolventen für ein Volontariat bei einem Rundfunksender oder für einen Platz an einer Journalistenschule bewerben. "Die meisten bekommen im Volontariat eine Möglichkeit, zu moderieren", sagt Martin. "Wenn es der Zufall will, gibt es ein neues Sendeformat im Haus, für das Moderatoren gesucht werden. Und schon ist man dabei."

"Man macht sich fast in die Hose"

Dann wäre man am Ziel - und gleichzeitig ganz am Anfang. Joachim Scholl erinnert sich noch gut an seine ersten Moderationen. "Am Anfang ist es furchtbar, wenn das rote Licht angeht. Man macht sich fast in die Hose. Spaß hat das Moderieren eigentlich erst nach zwei Jahren gemacht", so der Moderator. Die Angst vor einem Blackout sei riesig. Zwar verliere sich diese Angst mit der Zeit. Der Respekt vor dem Mikro aber bleibe. Am Abend vor einer Sendung unternimmt er auch nach zwanzig Jahren Erfahrung nichts.

Eine Hoffnung sollten Menschen mit dem Berufswunsch Radiomoderator übrigens gleich an den Nagel hängen. "Berühmt wird man damit nicht", so Scholl. "Wem es darum geht, der muss zum Fernsehen." Privilegien hätten Radiomoderatoren in der Regel auch nicht. "Mehr als eine Tasse zu Weihnachten von einem Fan ist nicht drin", sagt er. Und Scholl ist damit sehr zufrieden. Denn wenn er nach der Arbeit in die U-Bahn steigt, erkennt ihn kein Mensch und blitzt ihm mit einem Foto-Handy ins Gesicht.

(tmn)
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