Gesundheit So vermeiden Pflegekräfte den Burn-out

Düsseldorf · Zeitdruck, körperliche und emotionale Belastung: Pflegekräfte erkranken oft an Burn-out. Sie sollten daher frühzeitig "nein" sagen – privat und im Beruf. Eine Kündigung haben sie deswegen kaum zu fürchten. Es herrscht Personalmangel.

Zeitdruck, körperliche und emotionale Belastung: Pflegekräfte erkranken oft an Burn-out. Sie sollten daher frühzeitig "nein" sagen — privat und im Beruf. Eine Kündigung haben sie deswegen kaum zu fürchten. Es herrscht Personalmangel.

Waschen, anziehen, Essen reichen — und das alles im Minutentakt. Pflegekräfte stehen täglich unter hohem Druck. Die Folge: Nach einigen Berufsjahren leiden nicht wenige unter einem Burn-out. Sie fühlen sich kraftlos und ausgebrannt oder haben sogar Angstzustände. Laut einer Umfrage der Technischen Universität Berlin unter 600 examinierten Pflegekräften bezeichnete die Hälfte ihre Arbeitsumgebung als schlecht oder mäßig — mehr als jeder Dritte (37 Prozent) ist mit der Arbeit unzufrieden. Fast jeder Dritte (30 Prozent) leidet an emotionaler Erschöpfung.

Um auch nach einigen Jahren den Beruf noch gerne auszuüben, müssen Pflegekräfte deshalb besonders achtsam mit sich umgehen. Menschen, die einen Pflegeberuf ergreifen, starten meist mit viel Enthusiasmus in den Job. Sie wollen sich um andere kümmern und ihnen etwas Gutes tun.

Doch die Realität verpasse vielen schnell einen Dämpfer, sagt Rolf Höfert vom Deutschen Pflegeverband (DPV). Vor allem die strengen zeitlichen Vorgaben machten vielen zu schaffen. Gerade für Altenpfleger sei diese Situation frustrierend. "Eine Minute für das An- und Ausziehen der Strümpfe, fünf Minuten, um einen pflegebedürftigen Menschen zu füttern — das bedeutet Stress pur." Für Zuwendungen oder ein kurzes Gespräch bleibe da häufig kaum Zeit. Auch die zunehmende Pflegebedürftigkeit der Altenheim-Bewohner wird zum Problem. "Vor 20 Jahren wurden in den Einrichtungen nur 20 Prozent schwerst Pflegebedürftige betreut", sagt Höfert. Inzwischen seien es 80 Prozent.

Die Situation in Krankenhäusern sei ebenfalls alarmierend. In den vergangenen zehn Jahren sei aus Kostengründen die Zahl der Pfleger immer weiter reduziert worden. Nach Schätzungen des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) fehlen bundesweit schon heute insgesamt rund 30 000 Pflegekräfte. Weil sich die Schattenseiten der Pflegeberufe herumgesprochen haben, leidet die Branche zusätzlich unter einem Imageproblem. Bei Jugendlichen stehe eine Ausbildung in diesem Bereich nicht mehr hoch im Kurs, so Höfert.

"Wer dem Stress täglich ausgesetzt ist, läuft Gefahr, an einem Burn-out zu erkranken", erklärt Markus Classen, der als Coach für Pflegekräfte arbeitet. Sein Rat: Auf Erholungsphasen achten. Wer sich im Job hohen Belastungen aussetzt, neige oft dazu, auch im Privatleben stark engagiert zu sein. "Da wird am Abend das Enkelkind betreut und der Haushalt geschmissen." Zeit zum Krafttanken bleibe so kaum. Gerade Menschen in Pflegeberufen müssten lernen, auch "nein" zu sagen. "Tun Sie sich stattdessen selbst was Gutes. Gehen Sie zur Massage, machen Sie Spaziergänge", so Classen.

Das berufliche Umfeld lasse sich ebenfalls verändern, sagt Jens Geißler, Leiter einer Burn-out-Selbsthilfegruppe. "Wenn eine Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche vertraglich festgeschrieben ist, kann einen keiner zu Überstunden zwingen." Diese Einstellung könnten Pflegekräfte auch selbstbewusst vertreten: Inzwischen suchten viele Pflegeeinrichtungen händeringend nach Personal. Deshalb können qualifizierte Mitarbeiter auf Einhaltung ihres Arbeitsvertrages pochen, ohne Angst vor einer Kündigung zu haben.

Während der Arbeitszeit rät Geißler zum "Mono-Tasking". Das heißt: Eins nach dem anderen. "Wenn ich mich um den Menschen kümmere, dann kümmere ich mich um den Menschen und protokolliere nicht noch nebenbei." Geißler ist sich sicher: Wer sich daran hält, kann sich besser auf die Arbeit konzentrieren. "Zum Wohl des Pflegebedürftigen und im eigenen Interesse".

(RP)
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