Tipps zu flexiblen Arbeitszeiten

Kein Unternehmen muss flexible Arbeitszeiten anbieten, aber viele tun es dennoch. Der Grund: Von einem starren Korsett profitieren oft weder Firma noch Mitarbeiter. Es kommt jedoch sehr auf die Ausgestaltung der Gleitzeit an.

Selbst entscheiden, wann der Arbeitstag beginnt und wann er endet. Für viele ist das eine große Erleichterung: Die Kinder können bequem zur Kita gebracht und Behördengänge vor der Arbeit erledigt werden - und freitags ist auch mal früher Schluss. "Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet Gleitzeit enorme Vorteile", sagt Martin Eckstein von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Unternehmen könnten dadurch ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern.

"Viele Firmen setzen freiwillig auf flexible Arbeitszeiten, auch um Zeiten mit schwacher Auftragslage abzufedern oder die Produktion kurzfristig hochzufahren", erklärt Eckstein. Doch der Referent für Arbeits- und Tarifrecht sagt auch: "Ein pauschaler Anspruch auf flexible Arbeitszeiten besteht nicht." Entsprechende Vereinbarungen werden immer auf Betriebsebene getroffen und müssen deshalb mit der speziellen beruflichen Tätigkeit vereinbar sein.

"Gerade in der Metall- und Elektroindustrie sind die Schwankungen bei Produktionszyklen und Kundenanforderungen groß", bestätigt Hilde Wagner von der IG Metall in Frankfurt am Main. Deshalb brauche es flexible Arbeitszeiten. Im Wesentlichen gebe es dafür zwei Instrumente, erläutert die Verantwortliche für Arbeitszeitgestaltung im Bereich Tarifpolitik: kollektive Flexikonten und individuelle Arbeitszeitkonten. "Bei kollektiven Flexikonten entscheidet der Betriebsrat mit, wann die Arbeitszeit erhöht oder abgesenkt wird."

Hinter individuellen Arbeitszeitkonten stehen meist klassische Gleitzeitmodelle: Der Einzelne entscheidet in Absprache mit seinen Vorgesetzten, wann er mehr und wann weniger arbeitet. "Dabei werden die jeweiligen Mehrstunden oder die Minusstunden auf einem Zeitkonto gesammelt", erklärt Eckstein. Um das Konto nicht zu überziehen, sollte vereinbart werden, bis wann Mehrstunden abgebaut werden müssen. Zu bestimmten Kernarbeitszeiten müssen die Mitarbeiter im Betrieb anwesend sein, davon abgesehen sind sie jedoch flexibel.

"Flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung sind heute an der Tagesordnung", sagt Helmut Deden vom Arbeitsministerium Nordrhein-Westfalen (NRW). Gleitzeit, Teilzeit und Heimarbeit hätten starre Arbeitszeiten weitgehend verdrängt. Im Arbeitsministerium gebe es Gleitzeit seit den 1980er Jahren. Die Erfahrungen damit seien durchweg positiv: "Die Mitarbeiter schätzen es, dass sie ihre Zeit selbst einteilen können." Im Gegenzug seien viele auch bereit, mal länger zu bleiben, wenn Not am Mann ist.

Mehrarbeit ohne Ausgleich - für Wagner ist das einer der Nachteile der Flexibilisierung: "Bei manchen Gleitzeitkonten gibt es eine Kappungsgrenze, oberhalb der geleistete Arbeitsstunden verfallen." Aus Gewerkschaftssicht ist das nicht in Ordnung. Mitarbeiter sollten darauf achten, dass die Mehrarbeit in jedem Fall erfasst und vergütet wird. Viele Arbeitgeber drücken sich außerdem um Zuschläge für Überstunden.

Mitunter verzichten Unternehmen auch ganz darauf, die Arbeitszeit zu erfassen: "Bei der Vertrauensarbeitszeit zählt nicht die Anwesenheit im Betrieb, stattdessen werden mit dem Mitarbeiter Aufgabenpakete vereinbart", erklärt Deden. Ähnlich wie bei der Heimarbeit brauche es dafür neue Führungsinstrumente wie Zielvereinbarungen. Und auch hier sind der Flexibilität juristische Grenzen gesetzt: "Mehr als zehn Stunden darf in aller Regel nicht an einem Tag gearbeitet werden."

Mit der "Arbeit auf Abruf" nennt Eckstein ein weiteres Flexibilisierungsmodell: "Dabei wird eine Sockelarbeitszeit von beispielsweise 30 Stunden pro Woche vereinbart." Davon kann als Abrufarbeit im Bedarfsfall abgewichen werden. Noch kaum verbreitet sind Lebensarbeitszeitkonten, die es ermöglichen, größere Zeit- oder Geldguthaben anzusparen und beispielsweise für ein Sabbatjahr - eine ein- oder mehrjährige Auszeit - oder Erziehungszeiten zu nutzen. "In der Gesamtwirtschaft gibt es nur in zwei Prozent der Betriebe Langzeitkonten", sagt Wagner. Bei Großkonzernen in Deutschland seien es immerhin 13 Prozent.

Können Mitarbeiter ihren Chef einfach nach Gleitzeit fragen? "Beschäftigte sollten ihren Wunsch nach Gleitzeit oder flexiblen Arbeitszeiten auf jeden Fall äußern", sagt Wagner. Die Gewerkschafterin rät jedoch von Einzelfalllösungen ab: "Wichtig ist, dass der Betriebsrat eine Vereinbarung mit dem Unternehmen schließt." Darin werde dann auch die konkrete Ausgestaltung der Gleitzeit geregelt wie Kernarbeitszeit, Mehrstunden und Ruhezeiten.

Weitere Informationen zu dem Thema gibt es in einer Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua), die heruntergeladen werden kann: www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A49.html

(RP)
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