Österreich und Schweiz Ungewohnt: Deutsche als Gastarbeiter im Ausland

Wien/Bern (rpo). Stellen Sie sich vor, in Ihrer Ferienunterkunft in Österreich oder der Schweiz werden Sie vom Personal auf berlinerisch oder sächsisch angesprochen. Ungewohnt? Könnte sich bald ändern. Denn immer mehr Deutsche zieht es angesichts schlechter Perspektiven in der Heimat als Gastarbeiter nach Österreich oder in die Schweiz.

"Die Zahl der deutschen Arbeitskräfte in Österreich ist in den vergangenen Jahren rapide gestiegen", bestätigt Thomas Reisenzahn, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) in Wien. Nach Angaben der Österreichischen Sozialversicherungsträger standen im März 45 605 deutsche Gastarbeiter in dem Nachbarland in Lohn und Brot, fast dreimal so viele wie vor fünf Jahren. Wichtigstes Einsatzgebiet ist der Tourismus, je nach Saison mit einem Anteil von bis zu einem Viertel der Beschäftigten.

Zwar gibt es im österreichischen Tourismus rund 30 000 einheimische Arbeitslose. Von denen sei aber nur ein geringer Teil überhaupt vermittelbar, sagt Reisenzahn. Die Deutschen dagegen gelten als mobil und einsatzfreudig und punkten auch mit einer Eigenschaft, für die sie im Ausland bislang eher weniger bekannt waren: "Sie gehen sehr offen auf die Gäste zu", lobt Reisenzahn. Was die Grenzgänger attraktiv mache, sei aber vor allem das hohe Ausbildungsniveau. Reisenzahn nennt es "sensationell".

Köche in der Schweiz mit Problemen

Das gleiche Bild in der Schweiz: Dort hatte man eigentlich erwartet, dass nach der Öffnung Osteuropas vor allem Ungarn und Tschechen als Gastarbeiter in die Hotels und Gaststätten des Landes strömen. "Aber das hat sich so nicht bestätigt", sagt Christian Rey, Präsident des Schweizerischen Hoteliervereins mit Sitz in Bern. "Das Gros sind Deutsche."

Manchmal kommen sie busseweise. Mit entsprechenden Informationstouren versuchen deutsche Arbeitsagenturen seit einiger Zeit gezielt, Arbeitssuchende ins Ausland zu vermitteln. So landete kürzlich eine Gruppe Interessenten aus Berlin und Brandenburg in Südtirol. "Knapp 80 Prozent konnten vermittelt werden", sagt Helmuth Sinn von der Landesverwaltung in Bozen. Gut waren die Erfahrungen mit Servicekräften und Zimmermädchen. Weniger gut kamen die deutschen Köche an. "In kleinen Betrieben muss man die gesamte Palette des Kochens beherrschen", sagt Sinn. "Die Deutschen stammen aber häufig aus Großküchen und können entweder nur Salat oder nur Kartoffeln."

Für die Gastarbeiter hat der Auslandseinsatz über den Broterwerb hinaus einen doppelten Charme: In der Schweiz, Österreich oder Italien tätig gewesen zu sein, liest sich später auch im Lebenslauf gut. Zudem arbeitet man - häufig gegen freie Kost und Logis - in einer Gegend, in der andere Urlaub machen. Doch dieser Aspekt hat auch eine Kehrseite, wie Helmuth Sinn zu bedenken gibt: "Manche verschlägt es aus der Großstadt zum Hüttenwirt in 2500 Metern Höhe, wo es nach 17.00 Uhr einsam wird. Das ist ein echter Kulturschock."

Feste Adressen

Viele deutsche Arbeitnehmer haben längst ihre feste Adresse, die sie alljährlich zur Hauptsaison ansteuern. Wer noch nach einem Kontakt sucht, kann sich selbst in Internet-Jobbörsen umtun: etwa bei der österreichischen Arbeitsverwaltung unter www.ams.at oder in der Schweiz unter www.gastro-express.ch.

Hilfe bietet aber auch die deutsche Bundesagentur für Arbeit, die bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn unter dem Kürzel ZIHOGA eine spezielle Abteilung für Hotel- und Gaststättenpersonal unterhält. Anhand der eingesandten Unterlagen und eines ergänzenden Gesprächs am Telefon versucht sie, passgenaue Einsatzmöglichkeiten für die Bewerber im Ausland zu finden.

Die ZAV beurteilt die Vermittlungschancen in die Schweiz wie nach Österreich als gut bis sehr gut. Allerdings sind die Verträge meist auf die jeweilige Hauptsaison beschränkt, die in Österreich etwa von Mai bis September läuft. "Man sollte sich zwei bis drei Monate vorher melden", rät ZAV-Mitarbeiterin Michaela Wiatrz. "Aber auch kurzfristig geht immer etwas." Gesucht würden vor allem qualifizierte Fachkräfte mit Erfahrung in Küche und Service.

Für Schweiz Erlaubnis notwendig

In den EU-Mitgliedsländern Österreich und Italien benötigen Deutsche keine Arbeitserlaubnis. In der Schweiz muss vor der Arbeitsaufnahme eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung eingeholt werden, was aber fast immer der Arbeitgeber übernimmt.

Auf Saisonkräfte kommt in Österreich eine Sechs-Tage-Woche mit durchschnittlich 54 Arbeitsstunden zu. Den monatlichen Verdienst beziffert die ZAV im Service auf 1200 bis 1400 Euro netto, in der Küche auf 1100 bis 1500 Euro. Allerdings ergeben sich dabei ähnlich wie in Deutschland regionale Unterschiede: In der Regel bekommt man in den westlichen Bundesländern etwas mehr.

Die Löhne in der Schweiz liegen sogar rund zehn Prozent über dem deutschen Niveau - bei deutlich höheren Lebenshaltungskosten. "Deutsche verdienen bei uns das gleiche wie Schweizer", verspricht Christian Rey vom Hotelierverein. "Um Lohndumping geht es uns nicht."

(gms)
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