Pro und Contra Urlaub für Ältere ist ungerecht

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage junger Birkenstock-Mitarbeiter abgewiesen. Diese hielten es für diskriminierend, dass sie zwei Tage weniger Urlaub hatten als ältere Beschäftigte in der Schuhfabrik. Gerecht? Die Meinungen in unserer Redaktion gehen auseinander.

Pro und Contra: Urlaub für Ältere ist ungerecht
Foto: dpa, krk zeh

Jasmin Buck (28), Politik-Redakteurin, hält das Urteil für ungerecht. Hier ihre Begründung.

Ältere werden in der Arbeitswelt diskriminiert? Von wegen! Vor allem Jüngere sind benachteiligt: Sie müssen häufig mit befristeten Arbeitsverträgen vorliebnehmen. Sie gehören zu den ersten, die bei Kündigungswellen gehen müssen. Und sie bekommen weniger Geld und weniger Urlaub.

Das liegt vor allem an tariflichen und gesetzlichen Regeln, die besagen: Wer mehr graue Haare hat, bekommt mehr Urlaub (und mehr Geld) — für gleiche Arbeit. Im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, in dem Deutschland die Vorgaben der Europäischen Union verwirklicht, heißt es: Niemand soll wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft oder seines Glaubens benachteiligt werden. Und auch nicht wegen seines Alters. Das Urteil des Erfurter Bundesarbeitsgerichts widerspricht diesem Anliegen.

Im öffentlichen Dienst etwa haben alle Mitarbeiter Anspruch auf die gleiche Zahl von Urlaubstagen. Trotzdem wimmelt es in vielen Branchen nur so vor Altersstaffeln in Mantel- und Gehaltstarifverträgen. Die Folge: Fast jeder dritte Erwachsene unter 30 Jahren hat sich schon einmal wegen seines Alters benachteiligt gefühlt. Von den 45- bis 59-Jährigen klagt darüber nur jeder Fünfte, von den Deutschen ab 60 Jahren etwa jeder Sechste. Das hatte 2012 eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter rund 1500 Erwachsenen ergeben.

Warum also sollten Mitarbeiter mehr Urlaub bekommen, nur weil sie älter sind? Schließlich erleben wir laut einer Untersuchung des dänischen Arbeitsökonomen Niels Westergård-Nielsen den Höhepunkt unserer Schaffenskraft im Schnitt mit 37 Jahren. Danach nimmt unsere Leistungsfähigkeit ab — Bezahlung und Zahl der Urlaubstage steigen trotzdem. Auch deshalb wird die Diskrepanz zwischen Urlaub, Lohn und Leistung zunehmend hinterfragt: Gehaltsstufen nach Alter oder Sozialpläne, die Älteren bei drohenden Entlassungen einen höheren Schutz aufgrund ihres Geburtsjahres bieten, stehen auf dem Prüfstand — vor Gericht, aber auch in Unternehmen.

Die demografische Entwicklung belastet viele Firmen: Sie müssen den immer rarer werdenden jungen Talenten mehr bieten als die Perspektive, auf Jahre hinaus mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die allein aufgrund ihres Alters mehr Urlaub haben und am Monatsende stets den dickeren Scheck bekommen. Es geht auch anders. Die Chemie-Industrie hat es mit ihrem Demografie-Tarifvertrag vorgemacht: Der ermöglicht Unternehmen wie BASF, Teile der Vergütung und des Urlaubs leistungs- und erfolgsabhängig zu gestalten.

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Jüngere Beschäftigte erwarten von der Arbeitswelt jedenfalls keinen Dienstwagen — sondern Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und einen sicheren Job, der ihren Ehrgeiz weckt. Die Arbeitsbelastung ist für junge wie alte Arbeitnehmer in vielen Branchen schon heute immens. Auch Jüngere werden die Mehrtage Urlaub deshalb künftig brauchen.

(buc)
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