Burn-Out Wie man dem Stress entfliehen kann

Die Leistungsgesellschaft fordert ihren Tribut: Immer mehr Menschen fühlen sich erschöpft und ausgebrannt. Nervosität und Reizbarkeit können Anzeichen des Burn-out-Syndroms sein, im schlimmsten Fall wird der Betroffene depressiv.

Bevor abends das Licht ausgeht, werfen viele Arbeitnehmer noch einen letzten Blick auf das Smartphone. Hat der neue Kunde endlich die Bestellung per E-Mail geschickt? Wurden kurzfristige Termine für den nächsten Tag eingestellt? Auch morgens gilt der erste Griff oftmals dem Mobiltelefon, vor dem Gang ins Badezimmer sind viele Arbeitnehmer schon auf dem aktuellen Stand der Kollegen aus Übersee. Die moderne Kommunikation macht es möglich: Der Mitarbeiter ist nicht nur telefonisch jederzeit erreichbar, sondern kann ständig überall seine Korrespondenz prüfen - und tut das auch. Doch das kann schwerwiegende Folgen haben.

Von Depression spricht man, wenn Krankheitsanzeichen wie tiefsitzende Freudlosigkeit, Schwunglosigkeit, gedrückte Stimmung, Schuldgefühle, Schlafstörungen, Appetitstörungen oder Hoffnungslosigkeit für mindestens zwei Wochen vorliegen. "Allgemein akzeptierte Kriterien für die Diagnose Burn-out gibt es hingegen nicht", erläutert Professor Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. "Oft ist damit ,nur' eine Erschöpfung wegen Überarbeitung gemeint. Dann hilft meist ein Urlaub und kürzer zu treten, ist die allgemeine Ansicht." Doch dabei ist Vorsicht geboten: "Versteckt sich eine nicht erkannte Depression hinter dem klangvollen Namen Burn-out, ist das irreführend und kann sogar gefährlich werden", sagt der Experte. Denn der bei einem Burn-out sinnvolle lange Schlaf wirkt in diesem Fall eher depressionsfördernd, auch wird davon abgeraten, mit einer depressiven Erkrankung in den Urlaub zu fahren.

Professor Johannes Siegrist von der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf beschäftigt sich seit Jahren mit der Arbeitsbelastungs-Forschung und warnt vor den Folgen eines hektischen und stressigen Lebensstils. Wer sich über einen längeren Zeitraum zu stark verausgabt, kann ganz plötzlich vom Burn-out-Syndrom betroffen sein. Dieser Zustand intensiver Erschöpfung kann zur Depression und im schlimmsten Fall sogar zum Suizid führen, wenn der Betroffene nicht eingreift.

Die wichtigste Ursache für Burn-outs liegt nach Angaben von Professor Siegrist in der gegenwärtigen Arbeitswelt: Leistungs- und Wettbewerbsdruck durch die zunehmende Globalisierung führen zu längeren Arbeitszeiten, die gestiegene Arbeitsplatzunsicherheit und Gehaltseinbußen stressen die Angestellten zunehmend, außerdem schwindet durch neue Kommunikations-Technologien die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben - die notwendige Erholung nach Feierabend fehlt.

"Burn-out klingt zwar besser als Depression, doch oft steckt eine dahinter", sagt Professor Ulrich Hegerl. Mit dieser Krankheit geht immer auch ein Erschöpfungs- und Überforderungsgefühl einher. "Arbeitsüberlastung wird jedoch als Auslöser überschätzt", meint der Experte. Oft beginnt eine depressive Episode nach Partnerschaftskonflikten oder einem Verlusterlebnis, nicht selten aber auch nach positiven Veränderungen im Leben wie einem Umzug, einer bestandenen Prüfung oder einer Beförderung. Und in vielen Fällen lässt sich gar kein äußerer Auslöser der Erkrankung identifizieren. "Schleicht sich eine Depression ein, so werden alle Lebensanforderungen, natürlich auch die beruflichen, mehr und mehr als Überforderung erlebt, obwohl nicht diese, sondern die Veranlagung die Hauptursache der Depression sind", warnt Ulrich Hegerl. "Gegen die Bedeutung des beruflichen Leistungsdrucks spricht ja auch, dass wir insgesamt keine Zunahme der Depressionshäufigkeit in der Allgemeinbevölkerung haben. Die Depression wird nur häufiger erkannt und ärztlich behandelt."

Stress und Burn-out sind kein Randthema: 53 Millionen Krankheitstage in 2012 sind auf psychische Störungen zurückzuführen, schreibt Bundesministerin Ursula von der Leyen im Vorwort zum Stressreport 2012. Es sei an der Zeit, dass in den Firmen Konzepte zur Stressprävention erarbeitet und umgesetzt werden. Flexible Arbeitszeitmodelle fördern die Work-Life-Balance der Beschäftigten, anspruchsvolle, aber nicht überfordernde Arbeitsprofile und eine entsprechende Anerkennung der erbrachten Leistungen erhalten die Gesundheit.

Doch auch Beschäftigte können mitwirken: Im prall gefüllten Terminkalender einfach feste Zeiten für sich selbst reservieren und mit einem vollständig freien Tag ohne Verpflichtungen die Akkus wieder aufladen, sind Tipps der Experten. Auch unter der Woche sollte Platz für regelmäßige Bewegung und Entspannung geschaffen werden. Gerade bei sitzenden Tätigkeiten ist eine gesunde Ernährung und viel Bewegung als Ausgleich zum Job wichtig.

(RP)
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