Berlin Algen-Virus kann unsere Denkfähigkeit einschränken

Berlin · Der menschliche Körper wird von unzähligen Keimen befallen, die man auch bei anderen Spezies findet. Normalerweise jedoch sind die Wirte verwandt. So infiziert Ebola neben dem Menschen auch Affen und Fledermäuse, und Grippeviren werden auch bei Schweinen und Geflügel gefunden. Doch am John-Hopkins-Kinderkrankenhaus in Baltimore fand man nun heraus, dass in unserem Rachen oft ein Virus aktiv ist, das man sonst in Algen findet. Und zu allem Überfluss schlägt es auch noch auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns.

Der Virologe Robert Yolken fand im Rachen von 40 seiner 92 Studienteilnehmer das Virus ATCV-1; das entspricht einer Infektionsquote von 40 Prozent. Das Besondere an dem Keim: Er infiziert normalerweise die Süßwasseralge Chlorella, die nur wenig mit dem Menschen gemeinsam hat. Zwar wäre der Nachweis von ATCV-1 auf der Rachenschleimhaut, das mit der Nahrung dorthin gelangte, im Prinzip bedeutungslos, wenn Yolken nicht noch kognitive Testaufgaben mit den Probanden durchgeführt hätte.

In diesen Tests schnitten nämlich die Virusträger schlechter ab als die nicht-infizierten Personen. Wenn sie etwa eine Reihe nummerierter Kreise mit einer Linie verbinden mussten, hatten sie neun Punkte weniger, und in Aufmerksamkeitstests waren es sieben Punkte weniger. "Das ist zwar deutlich unter der Demenzschwelle, aber schon signifikant", erklärt Yolken.

Nichtsdestoweniger blieb nach diesem Fund offen, ob der Erreger tatsächlich die Ursache oder aber Folge der kognitiven Schwächen ist, die sich ja auch durch ein mangelndes Hygienebewusstsein auszeichnen können. Also infizierte der Virologe Labormäuse mit ATCV-1, und daraufhin ging es tatsächlich bei den Nagern kognitiv bergab. Ihre Neugierde erlahmte, sie ließen sich leichter ablenken, und auch im Labyrinth fanden sie sich schlechter zurecht als vorher. Das Virus besitzt also das Potenzial, kognitive Leistungen einzuschränken.

Yolken hat zwar den Erreger nirgendwo in den Mäusehirnen finden können, aber dafür entdeckt, dass im Hippocampus der Tiere andere Gene ein- oder ausgeschaltet waren als sonst. Dies spreche, wie der Virologe ausführt, für einen indirekten Einfluss des Erregers auf das Gehirn: "Vermutlich veranlasst er das Immunsystem zu Reaktionen, die dann im Gehirn für Veränderungen der Gen-Expression sorgen."

(RP)
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