Sprechstunde: Winfried Randerath Bei Lungenkrebs gibt es neue Therapien

Spezielle Medikamente können von Ärzten gezielt bei genetischen Mutationen eingesetzt werden.

Unser Leser Andreas S. aus Köln fragt: "Bei meinem 72-jährigen Vater ist in der rechten Lunge ein Tumor festgestellt worden. Er hat schon Herde in Leber und Knochen gesetzt. Die Ärzte sagen, er braucht eine Chemotherapie. Es werden noch Spezialuntersuchungen gemacht, um gezielter behandeln zu können. Was heißt das?"

Winfried Randerath Lange hat sich die Behandlung der Lungenkarzinome nicht geändert. Es gilt: Wenn der Tumor begrenzt ist und die Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge es erlauben, kann eine Operation alles bösartige Gewebe entfernen. Statt einer OP kann bestrahlt werden, wenn das Lungengewebe schon stärker geschädigt ist oder wenn der Tumor Probleme in den Atemwegen, etwa eine Lungenentzündung oder eine Belüftungsstörung in der Lunge, hervorruft oder er anderswo im Körper zum Beispiel Schmerzen auslöst.

Bei einem Teil der Patienten ist der Tumor ausgedehnter. Dann kann eine Operation oder Bestrahlung durch eine Behandlung mit Medikamenten ergänzt werden, die Chemotherapie. Diese wird meist alleine eingesetzt, wenn die bösartige Erkrankung in andere Organe gestreut hat. Dann können Operation und Bestrahlung nicht ausreichen und würden den Patienten vielleicht nur belasten. Die Medikamente verteilen sich auf dem Blutweg im ganzen Körper, können also bösartige Zellen erreichen, wo immer sie sich befinden - selbst dann, wenn sie für unsere Untersuchungsverfahren noch gar nicht zu erkennen sind.

Bei der Chemotherapie sind lange keine großen Fortschritte gemacht worden: Wir haben zwar viele Medikamente zur Verfügung, trotzdem bleiben die Ergebnisse für den Patienten noch hinter unseren Wünschen zurück. Wenn die Medikamente ansprechen, und das ist leider nicht bei allen Patienten der Fall, töten sie einen großen Teil der Tumorzellen ab, ein anderer Teil überlebt indes. Regelmäßige Untersuchungen und ergänzende Behandlungen sind nötig, um zu sehen, wie die Krankheit sich entwickelt und wie sie bekämpft werden kann.

Nun scheinen sich neue Behandlungswege aufzutun. Schon lange unterscheiden wir zwei große Gruppen, die kleinzelligen und die nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome. Auch wenn weitere Untergruppen des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms bekannt waren, blieb die Einteilung dennoch grob, und gezielte Behandlungsansätze für die einzelnen Untergruppen fehlten. Nun haben Forschergruppen weltweit Veränderungen (Mutationen) in der Erbsubstanz der Zellen (dem Genom) erkannt. Diese Unterschiede sind von hoher Bedeutung, da sie für zentrale Schaltstellen in den Zellen verantwortlich sind. Sie bestimmen, wie eine Zelle arbeitet.

Veränderungen am Genom öffnen die Tür für neue Behandlungsverfahren. Wie vom Reißbrett des Architekten oder Ingenieurs werden Medikamente entwickelt, die ganz gezielt gegen diese speziellen Veränderungen ausgerichtet sind. Inzwischen können die Forscher bei etwa 15 Prozent der Patienten die Tumorzellen auf diese Weise sehr genau bestimmen und einordnen. Tatsächlich gibt es bereits hochwirksame Behandlungen für einen Teil der Tumoren. Also: Wir dürfen vorsichtig formulieren, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt. Diese Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen, fast monatlich werden neue spezielle Mutationen erkannt und neue Therapieansätze gesucht.

Für diese Behandlungen muss keiner ins Ausland fahren. Gerade in unserer Region gibt es im Netzwerk Genomische Medizin eine Zusammenarbeit von Lungenkliniken und Grundlagenforschern der Universität Köln, unterstützt durch das Land und einzelne Krankenkassen. Damit tun sich neue Möglichkeiten auf, die jedoch durch zwei wichtige Aspekte flankiert werden müssen: durch die optimale Behandlung des Patienten durch die Palliativmedizin; zum anderen durch den Verzicht auf das Rauchen.

Winfried Randerath, Professor für Pneumologie, ist Chefarzt am Krankenhaus Bethanien in Solingen.

(RP)
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