Bereitschaftsdienst statt Krankenhaus Praxisärzte wollen neues Notfallsystem

Berlin · Niedergelassene Mediziner werben offensiv darum, dass sich Patienten am Wochenende und nachts an ihren Arztruf wenden und nicht ins Krankenhaus fahren. Doch es gibt Streit um die Versorgung.

 Wenig bekannt: Bereitschaftsdienstnummer 116117.

Wenig bekannt: Bereitschaftsdienstnummer 116117.

Foto: dpa, Tim Brakemeier

Die Praxisärzte in Deutschland wollen das System der Notfall-Versorgung an den Wochenenden und in den Nachtstunden grundlegend umstellen. Patienten sollen nicht mehr spontan ins Krankenhaus fahren, wenn sie ärztliche Hilfe benötigen, sondern zunächst die Bereitschaftsdienstnummer 116117 wählen und sich nach Möglichkeit von einem niedergelassenen Arzt versorgen lassen. "Heute gehen viele Menschen aus Komfortgründen oder aus Unkenntnis nachts oder am Wochenende in die Klinik, um eine Bagatellerkrankung behandeln zu lassen", erklärte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen.

Die Notfallversorgung ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen Praxis-Ärzten und Kliniken. Nach eigenen Angaben versorgen beide Seiten zehn Millionen Notfälle pro Jahr ambulant. Zuständig sind grundsätzlich die Praxisärzte. Die Patienten stimmen aber mit den Füßen ab und steuern oft eine Klinik an.

350 Millionen Euro im Jahr

Einigkeit besteht zwischen Praxisärzten und Kliniken, dass die Patienten besser zugeordnet werden müssen: Die ambulant zu behandelnden Fälle sollen auch von Praxis-Medizinern übernommen werden, während Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall in eine Klinik gehören. Wie dies zu organisieren ist, wer die Patientenströme lenkt und wer die Bezahlung erhält, darüber gibt es Streit. Aktuell erhalten die Kliniken pro Jahr rund 350 Millionen Euro aus den Töpfen der Praxis-Mediziner, weil sie so viele ambulante Fälle behandeln.

Von den 2000 Krankenhäusern in Deutschland betreiben rund 1600 Kliniken eine Notfall-Ambulanz. Den Praxisärzten schwebt vor, dass die meisten Kliniken ihre Notfall-Ambulanzen schließen und nur einige Hundert Häuser eine von den Praxisärzten organisierte Ambulanz behalten. Die meisten Patienten, die bislang an Wochenenden und nachts ein Krankenhaus aufgesucht haben, müssten sich über den Arztruf an die Notdienste der Praxen wenden. Perspektivisch wollen die Ärzte die Notrufnummer 112 mit ihrer Hotline zusammenschalten lassen. Geschultes Personal soll herausfinden, ob ein Patient in eine Klinik gebracht werden muss oder an die ambulante Versorgung verwiesen werden kann.

Teure Doppelstrukturen

Der Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, hält das Konzept für unrealistisch. "Die Patienten werden auch in Zukunft in die Krankenhäuser gehen, weil sie wissen, dass ihnen dort umfassend geholfen werden kann und die Krankenhäuser notleidende Patienten nicht abweisen dürfen." Die Pläne der Ärzte erzeugen aus seiner Sicht teure Doppelstrukturen.

Der Krankenkassen-Spitzenverband und die Politik fordern von Ärzten und Klinikbetreibern, sich zum Wohl der Patienten zusammenzuraufen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte die Offensive der Praxis-Ärzte, sagte aber: "Die Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen hier gemeinsam an einem konsequenten Konzept arbeiten." Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kassen, betonte: "Für die Behandlung von Notfällen brauchen wir Kliniken und Arztpraxen unter einem Dach, damit Patienten eine feste Anlaufstelle haben."

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) verwies darauf, dass Ärzte und Kliniken durch das Krankenhausgesetz bereits verpflichtet worden seien, in Portalpraxen oder Notfallambulanzen enger zusammenzuarbeiten.

(qua)
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