Sprechstunde: Rafael-Michael Löbbert Wenn die Zunge fast zu brennen scheint

Das Burning-mouth-Syndrom erfordert ein interdisziplinäres Zusammenwirken von Ärzten.

Unser Leser Bernd G. aus Haan fragt: "Meine 72-jährige Frau leidet schon seit Jahren unter einem Brennen im Mund. Sie hat bereits unzählige Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen aufgesucht, aber niemand konnte ihr bisher helfen. Gibt es noch irgendwelche therapeutischen Möglichkeiten?"

Rafael-Michael Löbbert Das Burning-mouth-Syndrom (BMS) ist ein komplexes Beschwerdebild. In Deutschland wird die Erkrankungshäufigkeit (Prävalenz) auf etwa fünf Prozent geschätzt. Sie tritt vorwiegend bei Frauen nach der Menopause, also ungefähr zwischen dem 45. und 70. Lebensjahr, auf.

Die Betroffenen klagen über Missempfindungen im Bereich der vorderen zwei Drittel der Zunge, dem vorderen Teil des harten Gaumens und der Unterlippe. Sie verspüren ein Gefühl des Wundseins, ein Kribbeln, ein Jucken bis hin zu brennenden, stechenden Schmerzen. Damit verbunden sein können Störungen des Geschmacks- und Geruchssinns sowie der Speichelbildung.

Die Symptome beginnen meistens am Morgen und verstärken sich über den Tag zum Abend hin. Es finden sich aber auch Verläufe mit separaten Schmerzattacken oder chronischen Beschwerden. Nachts und während ihrer Mahlzeiten sind die Betroffenen meistens beschwerdefrei.

Die Ursache des BMS ist bis heute nicht ganz geklärt. Häufig tritt es in Zusammenhang mit Stress oder einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression, einer Angststörung oder einer somatoformen Störung, auf. Die International Headache Society ordnet das BMS dem "anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz" zu - idiopathisch ist ein Schmerz, für den sich keine Ursache findet. Aktuell wird auch eine Neuropathie, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, diskutiert.

Ein BMS kann auch Begleitsymptom einer Stoffwechselerkrankung (etwa Diabetes mellitus), einer hormonellen Störung, einer Mangelerscheinung (Eisen, Folsäure oder Vitamin B12), von Medikamenten (Betablocker) oder einer Allergie sein. Weiter ausgeschlossen werden müssen Veränderungen der Mundschleimhaut und der Zunge sowie Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, der Kiefergelenke und aus dem zahnmedizinischen Bereich.

Das BMS bedarf nicht nur einer interdisziplinären Diagnostik, sondern auch eines vielseitigen Therapieansatzes. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Häufig findet sich jedoch keine körperliche Erkrankung, was die Therapie erschwert. Ein einheitliches Behandlungskonzept besteht derzeit nicht. Empfohlen werden äußere Anwendungen mit milden Spülungen mit Kamille, Myrrhe oder Salbei und anästhesierenden Lösungen.

Bei der medikamentösen Behandlung werden Antidepressiva und Antiepileptika eingesetzt. Bei einer neurologischen Komponente kann die vorübergehende Gabe eines Vitamin-B-Präparates erfolgen. Sinnvoll ist das Erlernen einer Entspannungstechnik wie der Progressiven Muskelrelaxation, des Autogenen Trainings oder des Biofeedback. Auch eine Psychotherapie kann indiziert sein. Eine Umstellung der Lebensgewohnheiten mit gesunder Ernährung, das Vermeiden stark gewürzter und säurehaltiger Lebensmittel sowie ein Alkohol- und Nikotinverzicht kann die Missempfindungen lindern.

Bei einem kleinen Teil der Fälle kommt es ohne Behandlung innerhalb von fünf bis sechs Jahren zu einem vollständigen Rückgang der Beschwerden. Bei 50 Prozent bleiben sie trotz verschiedener Therapien unverändert. Erforderlich ist eine frühe Aufklärung der Betroffenen über das Erkrankungsbild und das Erlernen von Strategien im Umgang mit den Beschwerden. Ziel muss sein, den Leidensdruck zu lindern und Lebensqualität wiederherzustellen.

Rafael-Michael Löbbert ist niedergelassener Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Sportmedizin in Düsseldorf.

(RP)
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