Der "innere Schweinehund" Canis porci interior, unser größter Feind

Düsseldorf · Ein Keim im menschlichen Gehirn sorgt jährlich für viele Tote. Er lähmt die Fähigkeit des Menschen zur Selbstmotivation und lässt ihn träge werden. Wir kennen ihn unter anderem Namen: "innerer Schweinehund".

Der "innere Schweinehund": Canis porci interior, unser größter Feind
Foto: Radowski

Zu den gefürchteten Keimen unserer Zivilisation gehört Canis porci interior. Zu seinen raffinierten Eigenheiten zählt, dass er weitgehend in Tarnung lebt. Blutbild und Entzündungsmarker reagieren erst sehr spät auf ihn, ebenso bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall, Computertomographie und Magnetresonanztomographie. Der Keim lässt sich weder in Pilzkulturen züchten, noch vermehrt er sich beim Ausstrich in Petrischalen. Er ist so ungreifbar, dass ihn sogar das Robert-Koch-Institut und das auf abgelegene Tropenkrankheiten spezialisierte Bernhard-Nocht-Institut nicht in ihre Fahndungslisten aufgenommen haben: Er hat keine erkennbare Molekülstruktur. Er sitzt an verborgener Stelle im Gehirn, in einer Struktur zwischen Vorder- und Mittelhirn.

Das mit der Unbekanntheit ist umso bedauerlicher, als dieser Keim jährlich viele Millionen Menschen dahinrafft. Dieser Keim Canis porci interior, was im Deutschen etwa mit dem "inneren Schweinehund" zu übersetzen wäre, macht sich überall breit, er kennt keine sozialen Grenzen und kein Nord-Süd-Gefälle. Er ist vergesellschaftet mit Übergewicht, Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Darmproblemen, sogar Krebskrankheiten. Über pädagogische Maßnahmen lacht er nur, denn er verhindert sie regelmäßig. Wir sollen uns mit Mittelmeerkost ernähren? Der Keim hat darauf keinen Appetit. Wir sollen uns mehr bewegen? Der Keim bremst uns aus. Wir sollen mehr schlafen? Der Keim hält uns wach. Wir sollen Obst zu uns nehmen? Der Keim macht uns faul. Wir sollen von den Fluppen lassen? Der Keim mag den blauen Dunst. Gemüse sollen wir essen? Der Keim liebt es frittiert, fettig und salzig.

Die perfekte Grundlage, auf der sich dieser Keim breitmacht, ist die Trägheit. Diese Kombination ist geradezu tödlich. Denn auf dem Humus der Trägheit gelingt es dem Keim, sämtliche Rezeptoren der Immunaktivität zu blockieren. Der Mensch unternimmt zahllose Versuche, besser gesagt: Er nimmt zahllose Anläufe, um den Keim, dessen Gegenwart er ja selbst spürt, abzuschütteln. Aber es bleibt jedes Mal beim Anlauf. Schlimmer noch, der Keim unterbindet sogar die Anläufe. Der Mensch denkt, dass er es nicht schafft. Dass ihm die Ausdauer fehlt. Dass es ihm an Energie gebricht. Dass schon der erste Anlauf zum Scheitern verurteilt sein wird.

Dabei wäre gerade der gelungene erste Anlauf die ideale Waffe gegen den Keim, denn in diesem Fall erwacht das Immunsystem, und es kann sich mit dem Fremdling produktiv beschäftigen. Der positive Aha-Effekt kann so grandios ausfallen, dass der Keim sich wie von selbst verflüchtigt. Dann müsste, nach dem gelungenen ersten Anlauf, ein zweiter folgen, der dem Menschen schon wesentlich leichter fällt. Trotzdem ist der Keim ja nicht verschwunden, er winkt mit seinem imaginären Zeigefinger und scheint zu rufen: Du schaffst es nicht! Du wirst versagen! Deine Ausdauer und Kondition werden nicht lange genug anhalten!

Gegen den Keim hilft also nur eines: ein Programm. Ein Vorsatz der kleinen Schritte, je eiserner, desto besser. Es ist die Eigenschaft des Keims, dass er am liebsten den menschlichen Willen bekämpft, denn der ist sein Zielobjekt. Wenn der Wille aber durch ein Programm gefestigt ist, wird der Keim keine Chance haben. Es braucht vielleicht nur vier, fünf gelungene Anläufe, und es ist um den Keim geschehen. Aber in der Zwischenzeit bleibt der Keim eine Geißel.

Canis porci interior ist eine Plage der Menschheit. Aber er ist auch derjenige Keim, der sich im Sinne eines besseren und gesünderen Überlebens am besten vernichten lässt. Jeder von uns ist in der Lage, sein eigener Schädlingsbekämpfer zu sein. Er muss es nur wissen, dass er den Keim in sich hat, und bestmöglich handeln. In der Medizin heißt das Eradikation: den Keim bei der Wurzel packen und ausreißen. Wenn uns das gelingt, können wir über den Keim nur lachen und uns tatsächlich fassungslos, amüsiert und erleichtert fragen, wie er uns so lange beherrschen konnte.

(RP)
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