"In sehr seltenen Fällen" potenziell tödlich Cannabis: Medizin und gefährliche Droge zugleich

Düsseldorf · Wie Partydrogen auch kann Cannabis in seltenen Fällen Herzrhythmusstörungen auslösen. Zugleich ist es – bei richtiger Dosierung – ein wirksames Medikament, das bei vielen Erkrankungen helfen oder Schmerzen deutlich lindern kann.

Das sollten Sie über Cannabis wissen
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Foto: dpa, obe fpt hjb lre

Wie Partydrogen auch kann Cannabis in seltenen Fällen Herzrhythmusstörungen auslösen. Zugleich ist es — bei richtiger Dosierung — ein wirksames Medikament, das bei vielen Erkrankungen helfen oder Schmerzen deutlich lindern kann.

Nach der Aufsehen erregenden Entdeckung Düsseldorfer Rechtsmediziner, die den Genuss von Cannabis-Produkten "in sehr seltenen Fällen" als potenziell tödlich einschätzen, herrscht Besorgnis. Die Ärzte des Universitätsklinikums hatten bei zwei toten Männern (28 und 23 Jahre alt) nach vielfältigen Untersuchungen massiven Grund zu der Annahme, dass nur der Cannabis-Konsum ursächlich für ihren Tod gewesen sein könne. Seitdem zirkulieren in der Öffentlichkeit viele Fragen. Wir beantworten die wichtigsten.

Ist die Kausalkette der Rechtsmediziner reißfest?

Ja, sie haben offenbar sämtliche denkbaren forensischen Testverfahren angewendet, mit denen sich eine Todesursache ermitteln lässt. Sie haben durch eine auswärtige Spezialuntersuchung sogar einen genetisch verursachten Ionenkanaldefekt ausgeschlossen, der zu gravierenden Veränderungen im EKG führen kann.

Bekannt sind etwa das sogenannte Long-QT-Syndrom oder das Brugada-Syndrom; beide Erkrankungen können zum Herzstillstand führen. Es ist im Fahndungsraster keine plausible Todesursache bis auf die durch Cannabis ausgelösten Herzrhythmusstörungen mehr übriggeblieben.

Können Drogen aufs Herz schlagen?

Man kann das vermuten, es hängt natürlich von der Höhe des Konsums ab. Auch Partydrogen können massive Herzschäden verursachen, etwa eine toxische dilatative Kardiomyopathie — dabei ist der Herzmuskel durch Gifte massiv erweitert, und auch hierbei können Herzrhythmusstörungen auftreten.

Sind die Düsseldorfer Fälle die ersten Todesfälle, die mit Cannabis in Verbindung gebracht werden?

Nein, schon früher kamen Rechtsmediziner auf die Idee, einen unklaren Tod einem nachgewiesenen Marihuana-Konsum anzulasten. Es fehlte allerdings eine derart stringente Beweisführung, wie sie jetzt in Düsseldorf gelungen ist.

Ist Cannabis heute gefährlicher als früher?

Ja, denn durch die Züchterkompetenz und den Selektionsdruck sind die Hanfpflanzen reichhaltiger und wirkungsvoller.

Welche Gefahren drohen?

Da Cannabis meist geraucht wird, bestehen die gleichen Gesundheitsrisiken wie beim Tabakrauchen. Erkrankungen der Atemwege und Lungenkrebs können die Folge sein. Zudem enthält der Rauch eines Joints zahlreiche Schadstoffe, deren Wirkung auf den menschlichen Körper noch ungeklärt ist. Bei seltenem Cannabiskonsum konnten keine Gesundheitsschäden festgestellt werden. Die Höhe und Häufigkeit des Konsums sind offenbar entscheidend.

Verursacht Cannabis Abhängigkeit?

Es verursacht keine körperliche Abhängigkeit, denn beim Absetzen der Droge treten keine körperlichen Entzugserscheinungen auf, wie man sie von Alkohol kennt. Bei häufigem Cannabiskonsum entwickelt sich allerdings eine seelische Abhängigkeit mit dem chronischen Bedürfnis, durch die Droge ein bestimmtes Wohlbefinden herzustellen. Der Abhängige fällt langfristig in Lustlosigkeit und Verwirrtheit. Diese Persönlichkeitsveränderungen führen oft zu Problemen in Beruf und Familie. Wegen der Folgen eines Cannabiskonsums kommen im Schnitt 28 Menschen pro Tag ins Krankenhaus. Darauf weist die Techniker Krankenkasse hin.

Aber zugleich ist Cannabis ein sehr wirksames Medikament — wie kann das sein?

Der Cannabis-Hauptwirkstoff wirkt beispielsweise bei Multipler Sklerose krampflösend. Er kann neuropathische Schmerzen (schmerzhafte Nervenschädigungen) deutlich lindern. Bei HIV- und Krebspatienten wirkt THC sowohl appetitanregend als auch entzündungshemmend. Cannabis wirkt aber auch bei Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, schreibt Cannabis-Medikamenten kein erhöhtes Suchtpotenzial zu: "Das Abhängigkeitsrisiko von Cannabis unter medizinischer Kontrolle ist deutlich geringer im Vergleich zum Suchtpotenzial von Morphium und Valium, die zwar erlaubt sind, aber sofort abhängig machen." Bei chronisch Kranken hält Gaßmann Cannabis für erwägenswert, da der gesundheitliche Nutzen überwiege.

(RP)
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