Ansteckungsgefahr im Flugzeug Der Klapptisch an Bord hat es an sich

Influenza, SARS, Vogelgrippe - immer wieder brechen Krankheiten aus. Kurz vor den Weihnachtsferien fragen sich viele: Wie groß ist die Ansteckungsgefahr im Flugzeug?

Ansteckungsgefahr im Flugzeug: Der Klapptisch an Bord hat es an sich
Foto: Ferl

In einem engen geschlossenen Raum einen Hustenanfall zu bekommen, ist einer der besten Wege, um sich mit sofortiger Wirkung unbeliebt zu machen. Zu oft haben die anwesenden Reisenden Videoclips gesehen, in denen sichtbar gemachte Keime vom Mund eines Hustenden ungehindert durch die Luft flogen und sich auf anderen Menschen und Oberflächen niederließen.

Die schlechte Nachricht: Diese Bilder stimmen. Sowohl in der Bahn als auch im Flugzeug ist die Ansteckungsgefahr erhöht. Die gute Nachricht: Vor allem für Flugzeuge gibt es inzwischen viele Studien, die Reisenden zeigen, wovon sie sich im Flieger besser fernhalten sollten und wie sie sich gegen Keime auf Reisen schützen.

So lange überleben Keime

Flugzeuge sind beliebte Transportmittel, das gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für Keime. Sie wandern mit den Passagieren in die Flieger und setzen sich dort fest. Möglich ist das laut einer Studie der Universität Auburn, weil viele Oberflächen in Flugzeugen nur selten gereinigt werden.

Bei Tests fanden die Wissenschaftler zudem heraus, dass das Darmbakterium Escherichia coli bis zu vier Tage lang an einer Armlehne nachzuweisen war. Der als Krankenhauskeim bekannte Keim MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) haftete demnach bei Untersuchungen sogar bis zu einer Woche an der Tasche auf der Rückseite eines Flugzeugsitzes. Er kann schwere bis tödliche Infektionen verursachen und ist gegen die meisten gängigen Antibiotika resistent. "Unsere Forschungen zeigen, dass diese Bakterien mehrere Tage auf bestimmten Oberflächen überleben können, was zu einem Risiko der Übertragung per Hautkontakt führt", schreibt der Hauptautor der Studie, der Biologe Kiril Waglenow von der Universität Auburn im US-Bundesstaat Alabama.

Wo die meisten Keime sitzen

Die höchste Konzentration von Keimen fanden die Autoren verschiedener Studien jedoch an den Klapptischen im Flieger. Sie werden nicht nur häufig angefasst, es kommen auch immer wieder Essensreste und Getränkespritzer darauf. Der darin enthaltene Zucker ist der beste Nährboden für Bakterien wie MRSA oder auch Noroviren, die Durchfallerkrankungen auslösen.

Ebenfalls vorsichtig sollte man mit den Armlehnen im Flugzeug umgehen. An ihnen stützen sich die meisten Passagiere für mehr Balance ab, wenn sie aufs Klo gehen - aber vor allem, wenn sie von dort kommen. Nicht jeder wäscht sich jedoch nach dem Toilettengang die Hände. Ähnliches gilt für den Spülknopf auf dem Klo. Die meisten drücken erst darauf und waschen sich die Hände danach. Die Folge: Hier befinden sich besonders viele Darmbakterien. Die Coli-Keime überleben bis zu 48 Stunden auf dem Knopf, also länger als jeder Langstreckenflug. Angesichts dieser Ergebnisse wundert es nicht, dass laut einer Studie der Universität von Arizona Wasserhahn und -griff auf der Toilette verkeimter sind als die Klobrille. Demnach wurden hier 30 Prozent mehr Keime gefunden als auf der Sitzoberfläche.

Keimschleuder Klimaanlage?

Spätestens seit dem Ausbruch des schweren Atemwegs-Syndroms SARS im Winter 2002 verdächtigen viele Reisende unnötig die Klimaanlage als Keimschleuder. Von China breitete sich die Krankheit damals in über 30 Länder aus. Als eine der wichtigsten Verbreitungsursachen wurde der Flugreiseverkehr erkannt. Die gleiche Sorge trat deshalb 2013 wieder auf, als sich die Atemwegserkrankung MERS von Saudi-Arabien aus verbreitete, und 2015, als das Ebola-Virus in Afrika eine Epidemie auslöste. Nicht konkret kommuniziert wird dabei oft die wahre Ursache für die Ansteckungsgefahr. Zwar ist es berechtigt, den Flugreiseverkehr im Auge zu behalten, wenn sich Krankheiten ausbreiten, die durch Tröpfcheninfektion übertragen werden. Die meisten Bakterien verbreitet allerdings der Mensch selbst.

Keine seriöse Studie deute darauf hin, dass funktionierende Klimaanlagen Epidemien verbreiten, schreibt die Bostoner Medizinprofessorin Alexandra Mangili in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Lancet.

In einem einzigen Nieser verstecken sich allerdings tausende Bakterien und eventuell auch Viren, die im Flugzeug nicht entweichen können. Vor allem Passagiere, die nahe am Erkrankten sitzen, sind deshalb ansteckungsgefährdet. Aufgrund der relativ langen Haltbarkeit von Keimen steigt das Ansteckungsrisiko dabei um so mehr, je länger die Flugzeit beträgt. Das ergab eine groß angelegte amerikanische Studie aus dem Jahr 2009, die die Verbreitung von Influenza-Viren (Grippeviren) im Flugzeug untersuchte.

Die Klimaanlage hingegen verbreitet so gut wie gar keine Keime. Das liegt zum einen daran, dass die von der Anlage ausgegebene Luft zur Hälfte aus angesaugter Außenluft besteht, die über den Wolken so kalt ist, dass kaum ein Keim überlebt. Zum anderen wird das Innen-Außenluft-Gemisch nicht nur umgewälzt, sondern durch ein aufwendiges System richtig gefiltert. Die Filter wiederum werden je nach Maschine nach sechs Monaten, maximal zwei Jahren gewechselt.

Problematisch ist vielmehr der Zeitraum, in dem die Klimaanlage ausgeschaltet ist. Das ist der Fall, solange der Flieger auf das Abflugsignal wartet. In dieser Phase können sich Viren und Bakterien von kranken Passagieren leicht im Flugzeug ausbreiten.

Wie man den Keimen entkommt

Zugegeben, gegen den Atem des Sitznachbarn schützt im Zweifelsfall nur das eigene Immunsystem. Aber zumindest gegen die Keime auf den verschiedenen Oberflächen lässt sich einiges tun. Der Klapptisch sollte vom Reinigungspersonal mit Flächendesinfektionsmitteln gereinigt werden. Das tötet die Keime und entfernt zugleich mögliche Essensreste des Vorgängers. Beim Gang durch den Flur sollte man sich zudem lieber mit dem Unterarm an der Armlehne abstützen, um Halt zu finden. Wer mit den Händen die Armlehnen greift, sollte das besser nur auf dem Weg zur Toilette tun und die Hände dort vor dem Verrichten des Geschäfts waschen.

Dass man sich auf öffentliche Toiletten lieber nicht mit dem blanken Hintern setzt, lernen die meisten wohl schon im Kindesalter. Distanz zu den Keimen auf der Brille schafft Toilettenpapier, mitgebrachtes Desinfektionsspray tötet alle Übeltäter direkt ab. Was allerdings nur wenige bedenken ist, wie man sich am besten der Klospülung nähert. Zumindest im Flugzeug lohnt es sich, den Knopf mit einem Papierhandtuch zu betätigen und nicht mit der bloßen Hand. Anschließend sollten die Handflächen unbedingt gründlich gewaschen - und der Wasserhahn mit einem Papiertaschentuch abgeschaltet werden. Nur so ist es möglich, die Keime auf dem Hahn nicht mit in die Kabine zu nehmen.

Zuletzt bleibt nur noch, dass die Finger während eines Fluges nicht an die Lippen oder in den Mund wandern, und die Hände vor allem nach einem Langstreckenflug bald erneut gewaschen werden sollten.

(ham)
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