Die Pause im Büro lässt uns besser arbeiten

Termine über Termine - und eigentlich schreit unser Inneres nach Ruhe und einer Pause. Doch solche Warnrufe ignorieren wir oft. Das führt auf Dauer zur Erschöpfung.

Jeden Mittag das gleiche Spiel: Der Kollege neben mir am Schreibtisch lässt den Griffel fallen und geht in die Pause. Pause, denke ich, Pause würde ich auch gerne machen. Geht aber nicht. So viel zu tun. Das muss alles noch weg. Diese Woche dann lieber mal Augen zu und durch, dann ist das Projekt abgeschlossen.

Doch eine Woche später ist es schon wieder so. Zwar ist der Auftrag der letzten Woche vom Tisch, aber dann ist eine Kollegin in Urlaub gegangen und eine andere krank geworden. So viel ist klar: Die Mittagspause kann ich vergessen. Das bringt mir eine halbe Stunde mehr. Wenn ich die effektiv durcharbeite, sind zumindest schon mal die "Prio eins"-Geschichten der kranken Kollegin vom Tisch.

Die Abschaffung der Pause - das sind die Folgen

Der Plan denkt sich schlüssig in meinem eigenen Kopf: Mehr arbeiten heißt mehr schaffen. Fast 22 Prozent der Erwerbstätigen sind laut der Maastricht Cohort Study von anhaltender Erschöpfung betroffen. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher nach der Befragung von 12.000 Beschäftigten. Und die Zahl der dauerhaft Ermatteten steigt.

In Anbetracht dessen ist nicht zu verstehen, warum sich so viele gegen das Entspannen wehren. Es kann doch nicht so schwer sein, einfach mal auf die Pausentaste zu drücken.

"Na, schon wieder Pause? Und dann um 16 Uhr nach Hause! Das ist ein Leben", frotzelt ein Kollege im Vorbeigehen. Als ernsthaftes Problem identifizieren Experten dieses Denken und beanstanden, dass die Pausenkultur abnehme. Wer pünktlich geht, hat die Sorge, den Beinamen "Faulpelz" zu bekommen. Als arbeitsscheu zu gelten, könnte manchen die Festeinstellung nach der Probezeit kosten oder die nächste Gehaltserhöhung. Ältere Mitarbeiter bangen darum, im Vergleich zu jungen Kollegen als weniger belastbar zu gelten, wenn sie zu viel pausieren.

Wer mehr arbeitet, schafft nicht mehr

Mein schlechtes Gewissen empfiehlt mir darum zu bleiben. Wieder mache ich die Pause durch und bleibe am Nachmittag noch ein Stündchen länger.

Stopp jetzt! Pausentaste. Irgendwas ist hier verkehrt. Was, das erklärt Diplom-Psychologin Andrea Lohmann-Haislah. Sie hat den Stressreport 2012 verfasst und arbeitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). "Viele meinen, sie würden durch die Pause Zeit verschwenden. Das Gegenteil ist der Fall. Pausen kosten zwar Zeit, aber sie schmälern die Arbeitsleistung nicht, sondern erhöhen sie sogar." Das belegen zahlreiche Studien: Wer zu lange ohne Pause durchschlaucht, wird unkonzentrierter, ungenauer und unkreativer.

Es ist ein Gesetz der Natur, dass Belastung nur mit dem Gegenpol Entspannung funktioniert. Alle Biosysteme funktionieren so - auch das Herz: In einem Moment zieht sich der Herzmuskel zusammen, um den Kreislauf mit frischem Blut zu versorgen. Im nächsten Moment ruht er für einen Moment, bis von der Lunge kommendes sauerstoffreiches Blut in den Vorhof einströmen kann, um dann wieder in die Hauptschlagader gepumpt zu werden. Ein Leben lang kontrahiert und ruht der Herzmuskel so in regelmäßigem Rhythmus. Dabei ist er ein Drittel der Zeit aktiv und ruht zwei Drittel.

Das Ungleichgewicht

der Ressourcen

Das Wechselspiel zwischen Arbeit und Entspannung funktioniert - wenn auch in anderen Intervallen - nach genau diesem Prinzip. Wer seine Pausen wegrationalisiert, der sorgt laut Lohmann-Haislah dafür, dass die Anforderungen überwiegen und die eigenen Ressourcen ins Ungleichgewicht geraten. "Das führt dann zu Stress. Dauern die Stresssituationen zu lange an, kann das krank machen", sagt die Autorin des Stressreports. Keine Pause zu haben, das hat also auch körperliche, psychosomatische oder psychische Folgen: Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Rückenleiden, Herz-Kreislauf-Erkrankugen, Depressionen oder Burnout sind programmiert.

Zwar lässt sich eine Weile die einbrechende Leitungsfähigkeit durch mehr Anstrengung kompensieren. Doch irgendwann läuft das Fass über. "Wenn die Ruhepausen fehlen, nimmt zum Beispiel das Verletzungsrisiko ab der zehnten Stunde deutlich zu", sagt Gerhard Blasche, Psychologe und Erholungsforscher an der Universität Passau, und zeigt damit eine weitere Dimension mangelnder Ruhezeit.

Produktiv kann nur der sein, der regelmäßig müßig geht, sind sich Psychologen und Hirnforscher einig. In einer experimentellen Studie konnten sie sogar sichtbar machen, wie die Durchblutung des zentralen Nervensystems im Gehirn abnimmt, wenn auch die Leistung abnimmt. Alles schreit also nach Pause. Einhalt. Ruhe.

Entspannung ist wichtig,

bevor sich Fehler einschleichen

Nicht von ungefähr kommt darum der Rat der Experten zu entspannen, bevor die Konzentration nachlässt und sich Fehler einschleichen. Das aber ist nicht nur eine Frage des Wollens, sagt Erholungsforscher Blasche, sondern vor allem eine des Bemerkens. Jeder kennt Situationen, in denen er hochmotiviert bei der Sache ist, einen aktiven Part bei einer Präsentation hat oder intensiv in etwas vertieft ist und nicht spürt, wie die Power schwindet. Anzeichen dafür sind ein flacher werdender Atem, ein schnellerer Puls und sich verflüchtigende Konzentration. Laut Gerhard Blasche registrieren viele die Müdigkeit allerdings erst, wenn sie unerträglich geworden ist. Daraus resultiert: Man macht die Pause zu spät.

So auch ich. Nach ein paar Wochen hat sich der Ausfall der Erholungszeit heimlich etabliert und ist zur Normalität geworden. Hin und wieder stoppt mal jemand an meinem Schreibtisch und fragt: "Und Stress heute, oder kommst du mit in die Kantine?" Die Fragenden alleine weiterzuschicken bestärkt mich in meinem inneren Gefühl, eine arme Wurst zu sein, dafür aber in der Zwischenzeit mehr zu schaffen.

Wer zu spät pausiert, schmälert die Wirkung der Auszeit

In Wahrheit jedoch addieren sich die fehlenden Pausen auf zu einer üblen Gesamtrechnung: Wer arbeitet, bis er nicht mehr kann, steht am Ende vollkommen unter Strom. Darunter leidet auch die Wirkung der Pause. Denn, so weiß die Forschung: Je später die Unterbrechung, desto geringer ist der Erholungseffekt. Trotz Auszeit leeren sich die Akkus zusehends. Dadurch nehmen laut BAuA-Expertin die Arbeitszufriedenheit und die Fähigkeit ab, die Arbeitslast zu bewältigen. Zudem geraten unausgeruhte Menschen schneller in Stress.

Maximal produktiv bleibe man laut den Forschungsergebnissen des Psychologen und Gedächtnisforschers Anders Ericsson von der Florida State University, wenn man in 90-Minuten-Intervallen arbeitet und sich dann mit einem kurzen Nickerchen für kurze Zeit im Power Napping üben würde. Dieses Zeitintervall kristallisierte sich bei Tests von Musikern, Athleten, Schau- und Schachspielern als das produktivste Intervall heraus. Wer in diesem 90-minütigen Leistungsintervall bleibt, beugt der Erschöpfung vor und schafft es, abends und an den Wochenenden zu regenerieren.

Es versteht sich von selbst, dass man danach nicht die Uhr stellt. Aber manchmal stellt sie unser Innerstes selbst. Das sind diese Situationen, in denen wir den Platz verlassen, etwas in der Teeküche holen, einen Plausch mit Kollegen beginnen oder eine Toilettenpause einlegen. Solche Minipausen sind effektiv, denn der Erholungseffekt in den ersten fünf Minuten ist am größten.

Also: Weg mit Tastatur, Akten und Co., einen dampfenden Tee oder Kaffee holen, den aufsteigenden Duft wahrnehmen und an den letzten Kaffeeklatsch in diesem schönen Café mit der Freundin denken. Das entschärft jeden Arbeitstag.

(wat)
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