Suche nach dem Ursprung der Ebola-Seuche Ein zweijähriger Junge starb als Erster

Forscher haben den Verlauf der Ebola-Epidemie bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgt. "Patient Zero" war ein Kleinkind. Es starb bereits am 6. Dezember. Was dann geschah, erinnert an Horrorszenarien aus Hollywood.

 Nahe Freetown in Sierra Leone haben die Gesundheitsbehörden ein Zelt errichtet, in dem Ebola-Patienten behandelt werden sollen.

Nahe Freetown in Sierra Leone haben die Gesundheitsbehörden ein Zelt errichtet, in dem Ebola-Patienten behandelt werden sollen.

Foto: ap

Im Artikel des "New England Journal of Medicine" zeigt eine Grafik, wie sich das tödliche Ebola-Virus verbreitete. Aus seiner ökologischen Nische irgendwo im tropischen Regenwald über den ersten menschlichen Wirt, dessen Verwandte, die Pfleger in der Klinik, deren Verwandte bis zum Stand von heute: 961 Menschen sind an Ebola gestorben, afrikanische Länder haben den Ausnahmezustand ausgerufen, die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt, die Situation sei außer Kontrolle.

Die Gruppe aus Medizinern hat für ihre Studie den Weg der Erkrankung zurückverfolgt. Wer steckte sich wo und wann an, wer kam als Überträger infrage, mit welchen Menschen hatten die Erkrankten Kontakt? Krankenhausakten wurden analysiert, Dorfbewohner in der betroffenen Region befragt. Die Spurensuche endet in einem kleinen Dorf in der Region Guéckédou, südöstlich gelegen in Guinea nahe der Grenze zu Sierra Leone und Liberia. Dort lebte "Patient Zero".

Der Wirt des Virus lebt im Dschungel

Ein zweijähriger Junge, dessen Name geheim bleibt, ist aus Sicht der Forscher der Ausgangspunkt der Seuche. Er starb bereits am 6. Dezember. Zuvor war er am Fieber erkrankt, hatte über Krämpfe geklagt, sich erbrochen, schwarzen Durchfall und innere Blutungen gehabt.

Wo sich der Junge ansteckte, ist kaum noch zu ermitteln. Experten vermuten, dass er sich an einem verendeten oder erlegten Tier infizierte. Seinen Ursprung hat das Ebola-Virus im Tierreich. Menschen können sich über den Kontakt zu erkrankten Tieren infizieren, unter anderem zu Flughunden und Affen. Von Mensch zu Mensch überträgt sich die Krankheit durch Blut und andere Körperflüssigkeiten.

Niemand hatte eine Ahnung

Wie bei einem Todesstammbaum lässt sich von diesem Punkt an die Kette der Erkrankungen weiterverfolgen. Eine Woche nach dem kleinen Jungen starb die Mutter. Sie hatte ihn gepflegt und sich aller Wahrscheinlichkeit nach durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten infiziert. 14 Tage später starben die dreijährige Schwester des Jungen und die Großmutter.

Alle hatten vergleichbare Symptome, das hohe Fieber, die Krämpfe, die Blutungen. Doch niemand wusste, mit was er es zu tun hatte. Auch nicht das Personal im Krankenhaus von Guéckédou, das zunehmend unruhig wurde. Am 2. Februar starb das erste Nicht-Familienmitglied, eine Krankenschwester, die sich mit den Patienten befasst hatte.

Die nackte Angst

In Guéckédou, wo alles begann, herrschte die nackte Angst, sagt Dr. Kalissa N'fansoumane der New York Times im Rückblick. Er leitet das Krankenhaus, das die ersten Ebola-Patienten behandelte. Das verängstigte Personal musste er auf Knien bitten, auch weiterhin zur Arbeit zu erscheinen.

Die Krankheit verbreitete sich zügig. Bei der Beerdigung der Großmutter infizierten sich im Februar Trauergäste und trugen das Virus mit sich in ihre Heimatdörfer, wo sie weitere Menschen ansteckten. Zeitgleich trug ein Mitarbeiter der Klinik das Virus mit sich und steckte weitere Menschen an, darunter den ihn behandelnden Arzt. Der Schneeballeffekt, den Hollywood in Katastrophenfilmen wie "Outbreak" oder "Contagion" beschrieben hat, hatte eingesetzt.

Drei Monate kann das Virus ungehindert wandern

Zwölf Wochen dauert es, bis die Mediziner registrieren, womit sie es zu tun haben. Ebola, das wohl gefürchtetste Tropenvirus der Welt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich in Guinea und den umliegenden Staaten bereits mehrere Infektionsherde gebildet, dutzende Menschen sind der Erkrankung zum Opfer gefallen.

Schon jetzt ist der Ausbruch kaum noch zu kontrollieren. In den knapp drei Monaten hat sich die Seuche von ihrem Ursprungsort mehrere zehntausend Quadratkilometer weit ausgebreitet, über die Ländergrenzen hinweg.

Düstere Szenarien

Mehrere Faktoren erleichterten dem Virus, sich auzubreiten: So hatten weder Kliniken noch Behörden in den armen und unterentwickelten Ländern Westafrikas eine Ahnung von der tödlichen Gefahr, Grenzkontrollen oder hygienische Vorsichtsmaßnahmen blieben aus.

Zudem ließ die Inkubationszeit den infizierten Trägern des Virus' genügend Spielraum, um die Krankheit von einem Ort zum nächsten zu tragen. Die Inkubationszeit beträgt nach WHO-Angaben bis zu drei Wochen. Dann erst setzen Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Schwächegefühl und Halsschmerzen ein. Erst wenn Symptome auftreten, sind Infizierte ansteckend.

Ein Ende ist nicht absehbar und schon jetzt ist die Ebola-Epidemie in Westafrika die bei weitem schwerste bislang bekannte. Nach Ansicht von Experten könnte es Monate dauern, bis die Epidemie wieder unter Kontrolle ist.

(pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort