Debatte um Massentierhaltung Der Preis von gutem Fleisch

Berlin · Auf der Grünen Woche in Berlin ist das Thema Massentierhaltung wieder aufgeflammt. Zwar steigt der Fleischkonsum in Deutschland noch stetig, aber immer mehr Menschen sagen, sie wollen weniger Fleisch essen.

Artgerecht? Sieben Antworten zum Fleischkauf
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Foto: dpa, Carsten Rehder

Nicht nur die Fans reagierten mit Skepsis, als Wiesenhof zur Saison 2012/13 neuer Trikotsponsor von Werder Bremen wurde. Besonders die Vegetarier-Lobby war empört. "Lieber eine blanke Brust als eine Hühnerbrust" stand damals auf vielen Plakaten. Durch die Sponsorenrolle des norddeutschen Geflügelfabrikanten rückte das Thema Massentierhaltung einmal mehr in den Fokus der Verbraucher.

Auf der Grünen Woche, die gerade in Berlin läuft, mahnte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter: "Wir müssen weg von nicht artgerechter Massentierhaltung." Und auch bei der Union gibt es immer mehr Stimmen, die sagen, man müsse den Bau neuer Riesenställe einschränken. Wirklich verblüfft waren die Grünen, als die Vertreter der Union bei den Sondierungsgesprächen nach der Bundestagswahl den Ausstieg aus der Massentierhaltung als einen möglichen Kompromiss für eine schwarz-grüne Regierung vorschlugen.

In der Bevölkerung hat ein solches Umdenken schon vor einigen Jahren eingesetzt. Seit 2006 hat sich die Zahl der Vegetarier verdoppelt. Vor allem die Zahl der sogenannten Flexitarier — also der Menschen, die bewusst wenig oder nur bestimmtes Fleisch essen — ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

Wichtige Bio-Siegel und ihre Anforderungen
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Foto: EU

Fleisch aus deutscher Produktion ein Exportschlager

Obwohl es immer mehr Fleischverzichter gibt, wächst der Konsum in Deutschland seit den 1960er Jahren. Pro Kopf verzehrt jeder Deutsche im Jahr durchschnittlich 60 Kilogramm Fleisch. In seinem Leben isst jeder von uns damit durchschnittlich 1094 Tiere, davon 945 Hühner, 46 Puten, 46 Schweine, 37 Enten, zwölf Gänse, vier Schafe und vier Rinder. Der Konsum von Schweine- und Hühnerfleisch wird nach Schätzungen der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung weiter steigen.

Fleisch aus deutscher Produktion entwickelt sich seit einigen Jahren zu einem Exportschlager. Allein in Nordrhein-Westfalen produzieren die Fleischereibetriebe 120 bis 130 Prozent der Menge, die ausreichen würde, um den Bedarf hierzulande an Fleisch zu decken. In einem EU-Report heißt es gar, es gebe eine "exzessive Versorgung und Verfügbarkeit von Fleisch". Weil die Nachfrage derzeit auf sehr hohem Niveau liegt, versuchen Fleischereien kostengünstiger zu produzieren, um noch mehr zu verkaufen. Für die Tiere wirkt sich dies zum Nachteil aus. Sie werden deshalb häufig in Massen gehalten.

Wie sein Parteifreund Anton Hofreiter plädiert auch NRW-Umweltminister Johannes Remmel für ein Umdenken in der Politik: "Nicht die Tiere müssen sich dem System anpassen, sondern das System den Tieren."

Die Verbraucher haben das bereits erkannt. Sie essen heute bewusster als noch vor Jahrzehnten. Der Boom bei Bio-Produkten zeigt, dass eine wachsende Zahl von Bürgern auf bewusste Ernährung achtet. Ende des Jahres 2012 kauften die deutschen Haushalte im Vergleich zum Vorjahr zwölf Prozent mehr Bio-Rotfleisch, also Rind, Schwein, Schaf und Ziege; zudem elf Prozent mehr Bio-Geflügel und acht Prozent mehr Bio-Fleisch- und Wurstwaren.

Bio nicht automatisch "glückliche Tierhaltung"

Skandale wie Pferdefleisch in Lasagne, Dioxin in Eiern oder der Verkauf von Gammelfleisch in Supermärkten befeuerten nur noch den Gedanken: Bio ist gut. Zwar ist die Tendenz widersprüchlich in Bezug auf den steigenden Fleischkonsum, doch in Zukunft könnte sich das erhöhte Bewusstsein der Verbraucher auch stärker auf den Konsum auswirken. Diese Ware ist allerdings nicht für jedes Portemonnaie geeignet.

Für das Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung sind viele Deutsche bereits willens, mehr Geld auszugeben als für das Fleisch von Tieren aus Massentierhaltung. Das Bio-Siegel ist zu einem Kennzeichen für ein gesundes Leben geworden — für Mensch und Tier. Doch darf die Bio-Etikettierung nicht missverstanden werden. Denn die Aufschrift Bio klassifiziert ein Stück Fleisch nicht als eines aus artgerechter Haltung. Bio ist also nicht automatisch gleich "glückliche Tierhaltung".

Deshalb fordern die Grünen eine Kennzeichnung auf Fleischpackungen. Sollte diese Forderung eines Tages umgesetzt werden, könnte sich das auch deutlich auf den Fleischkonsum auswirken. Bei Eiern gibt es eine solche Klassifizierung in Bio-Eier (0), Freilandhaltung (1), Bodenhaltung (2) und Käfighaltung (3) bereits. "So muss es auch beim Fleisch sein", sagt Remmel.

Artgerechte Tierhaltung als Kaufgrund

Eine solche Einstufung dürfte dann besonders die Bio-Bauern freuen, wenn sich mehr Menschen für ihre Waren interessieren. Denn der Hauptgrund für den Kauf von Bioprodukten ist mit 94 Prozent die artgerechte Tierhaltung. Damit ist den Verbrauchern die Haltung des Tieres sogar wichtiger als der Geschmack (64 Prozent). Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamts hervor. Die Biobranche stünde damit vor wirtschaftlich glücklicheren Zeiten. Doch für den Verbraucher wird es teurer, denn in der Herstellung ist Biofleisch teurer als das konventionelle Fleisch — eben weil größere Grünflächen für die Tiere benötigt werden und die Futterpreise höher sind.

Was viele Bürger jedoch gar nicht mögen, ist, wenn ihnen die Konsumentscheidung vorgeschrieben wird. Der erhobene Zeigefinger hilft nicht, wenn es um Ernährung geht. Dies erklärt, warum die Grünen mit der Propagierung eines Veggie-Days im Bundestagswahlkampf auf die Nase fielen. Diesen Vorstoß konnten die politischen Gegner nutzen, um den Ruf der Grünen als Verbotspartei zu erhärten. Die Bürger mögen sich nicht vorschreiben lassen, ausgerechnet donnerstagmittags in der Kantine auf Fleisch zu verzichten.

Das räumt auch Johannes Remmel ein: "Jeder muss für sich selbst entscheiden, welches und wie viel Fleisch er isst. Darauf sollte die Politik keinen Einfluss nehmen." Es sei dennoch wichtig, durch eine klare Kennzeichnung die Verbraucher zu informieren, wie Tiere gehalten werden.

(jaco)
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