Gesundheit "Diäten sind Quatsch"

Düsseldorf · Sie gehört zum Team der Ernährungs-Docs im Fernsehen und schreibt selber ernährungsmedizinische Bücher: Die Ärztin Anne Fleck ist ein Fan von gesundem Essen. Ihr Tipp: mehr Gemüse essen.

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Foto: Shutterstock.com/ Lucky Business

Ganz plötzlich redet alle Welt über den Darm, die eigene Darmflora, Darmreinigung, man entgiftet, schickt Stuhlproben ein, verzichtet auf dieses, auf jenes Lebensmittel - plötzlich ist es hip, sich mit dem eigenen Verdauungsorgan zu beschäftigen. Wir befragten eine Expertin zum Thema: Anne Fleck, eine auch durchs Fernsehen bekannte Ärztin, die sich mit Ernährung beschäftigt.

Warum reden alle derzeit vom Darm, von Ernährung und Verdauung?

Anne Fleck Das ist doch gut so: Die Frage "Wie geht es Ihrem Darm?" sollte zum Frage-Repertoire eines Arztes gehören. Und es sollte selbstverständlich sein, sich um sein Verdauungsorgan zu kümmern. Aber es stimmt: Der Darm ist erst zuletzt ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Mit Recht?

Fleck Natürlich, schließlich ist der Darm eines der wichtigsten Organe. Ist er nicht gesund, wirkt das auf die gesamte Gesundheit. Das Gute: Wir können ihn und seine Wirkung durch bewusstes Essen steuern.

Was ist denn "bewusstes Essen"?

Fleck Generell habe ich eine Maxime: Demnach sollten Gemüse und hochwertiges Fett die Hauptdarsteller beim Essen sein.

Gemüse? Wie sieht denn dann der richtige Teller für eine optimal-gesunde Mahlzeit aus?

Fleck Gemüse ist das "bessere Obst, das bessere Brot". Also 50 Prozent Gemüse auf den Teller, ein "daumengroßer" Fettanteil, eine Handteller große Portion Eiweiß wie Pilze, Eier, Nüsse, Hülsenfrüchte oder Fisch, selten Fleisch.

Reden wir mal übers Abnehmen, über Diäten.

Fleck Ach, Diäten sind Quatsch und sogar problematisch. Ich sage immer: Des Glückes Tod ist der Vergleich. Warum muss man sich und sein Gewicht mit anderen Menschen vergleichen? Man sollte aber einige Dinge berücksichtigen.

Zum Beispiel?

Fleck Alkohol vielleicht nur an zwei Abenden trinken. Ab dem zweiten Glas hat man Heißhunger und fängt an zu essen. Das würde schon mal Kalorien sparen.

Oder sich ganz profan bewegen?

Fleck Natürlich. Ich empfehle 30 Minuten täglich spazierengehen.

Oder Fett einsparen?

Fleck Nein! Gesunde Fette sind lebenswichtig. Das Dogma "Kein Fett" gehört der ernährungsmedizinischen Vergangenheit an. Der Körper braucht gesundes Fett.

Die Menge ist egal?

Fleck Nein, wie bei allem ist auch hier das Maß entscheidend.

Also halten Sie nichts vom Fasten?

Fleck Fasten zum schnellen Abnehmen wird nicht von jedem vertragen. Ab dem dritten Tag wird Muskeleiweiß abgebaut. Es hängt vom Individuum ab.

Intervallfasten klingt doch gut - zwei Tage in der Woche wird nur getrunken, nichts gegessen?

Fleck Wenn Sie fasten wollen, tun sie es zwischen Abendessen und Frühstück - mindestens zwölf bis 16 Stunden nichts essen.

Zurzeit ist es ja hip, vor allem abends auf Kohlehydrate wie Brot, Kartoffeln oder Nudeln zu verzichten, um abzunehmen - ist das sinnvoll?

Fleck Bereits zum Frühstück sollten Kohlenhydrate gespart werden. Regel: Wer sich viel bewegt, darf auch mehr Kohlehydrate zu sich nehmen.

Außerdem geht der Trend zur fleischfreien, wenn nicht sogar veganen Ernährung - was halten Sie davon?

Fleck Auch hier gilt das Maß. Ab und zu Fleisch zu essen, schadet nicht. Beim Kauf sollte man auf nachhaltige Quellen achten und nicht auf "orange-farbene Preisetiketten" billiger Massenware. Vegetarier leben gesünder, allein wegen ihres bewussteren Lebensstils.

Wie kann nun der Weg zu einer gesunden Ernährung aussehen?

Fleck Natürlich braucht man eine Motivation, aber man kann sich auch mit kleinen Ritualen helfen. Weniger ist mehr. Zum Beispiel: das Frühstück eher als "Spätstück" einnehmen, um die Fastenphase über Nacht zu verlängern und Kohlenhydrate einzusparen (optimal anti-entzündliches Frühstück aus Quark mit Omega-3-reichem Leinöl, wenig Obst). In der Kantine, im Restaurant an den "gesunden Teller" denken, mehr Gemüse, weniger Nudeln, Kartoffeln, Reis und Brot und großzügiger Olivenöl einsetzen.

Gesunde Ernährung als Fundament im Alltag ist das eine. Nun sagen Sie aber auch, dass Ernährung heilen kann, als Medizin eingesetzt wird? In welchen Fällen?

Fleck Eigentlich in allen. Natürlich nicht beim Blinddarm, entzündeter Herzklappe oder Hundebiss, aber man kann viele Symptome lindern.

Zum Beispiel?

Fleck Gicht ist ein gutes Beispiel. Hier gilt Ernährung als wichtigste Therapie. Gicht ist im Normalfall allein durch Änderung des Lebensstils heilbar: kein oder wesentlich weniger Alkohol, abnehmen, körperliche Belastung, purin- und fructosearmes Essen.

Das heißt konkret?

Fleck Vollkornbrot ohne Hefe statt Weißbrot, Salate mit Bitterstoffen wie Löwenzahn, Walnüsse statt gesalzener Nusskerne, Leinöl statt Gänseschmalz, Putenfleisch statt Innereien sowie Milchprodukte - und weniger Hülsenfrüchte.

Milchprodukte? Die werden doch auch gerade verteufelt, nicht nur von Laktose-intoleranten Menschen.

Fleck Hier müssen wir differenzieren. Gicht oder Diabetes-Patienten dürfen vollfette Milch, Joghurt und Quark zu sich nehmen, Menschen mit Rheuma zum Beispiel müssen anti-entzündlich essen.

Was sollten die wiederum beachten?

Fleck Nicht mehr als 200 Gramm Fleisch, kein Schweinefleisch, wenig Wurst und wenig Eier. Bei Rheuma handelt es sich um eine entzündliche Krankheit. Die kann gelindert werden durch Omega-3-reiche Fette aus omega-geschützt gepressten Ölen (Leinöl, Hanföl, Walnussöl), Nüssen, Samen und fettem Fisch. Smoothies mit bitterreichen Salaten, Brennesseln oder Möhrenkraut wirken auch Wunder.

Puh, das klingt ungewöhnlich. Also gesund durch anderes Essen? Ohne Medikamente?

Fleck Fast, bei Rheumatikern vielleicht irgendwann mit weniger Medikation. Nicht alles ist mit Ernährung heilbar, aber vieles.

Wir hatten gerade schon das Wort "Intoleranzen" - Laktose, Fruktose, Gluten - es scheint im Moment so, als hätte jeder irgendeine Unverträglichkeit. Kann das sein?

Fleck Wer eine erblich bedingte Zöliakie hat, darf nie Gluten zu sich nehmen. Bei Laktose verhält es sich etwas anders. Viele Menschen haben eine Laktose-Unverträglichkeit, hier hilft es, laktosearme oder -freie Produkte nach Verträglichkeit zu verzehren. Ein Wort zum Süßstoff, den ja viele nehmen: Der macht die Darmbakterien schlapp.

Zucker generell ist doch bei Ernährungs-Experten verpönt.

Fleck Zucker steigert den Insulinspiegel, Insulin macht dick, weil der Fettabbau gebremst wird. Zuckerhaltige Lebensmittel - Weißmehlprodukte wie Backwaren oder Süßigkeiten - treiben den Blutzucker nach oben. Viele Menschen bekommen so Diabetes. Und mittlerweile wissen wir, dass Diabetes die Vorstufe von Demenz ist. Es steht auch fest, dass Krebs-Zellen Zucker lieben. Also lieber zuckerreduziert essen.

Ein Praxis-Tipp von der Fachfrau: Was tun, wenn man nachmittags Hunger hat? Dann greift man ja meistens zu was Süßem.

Fleck Genau das sollte man nicht tun. Ein Rührei zum Beispiel ist besser als jedes Teilchen.

Ein Rührei? Wer macht mir das nachmittags am Schreibtisch?

Fleck Klar, niemand. Ein oder zwei hart gekochte Eier im Büro sind einfache Helfer. Die habe ich auch oft in der Handtasche. Sie haben Eiweiß, machen satt und sind sehr hygienisch verpackt, genauso wie Bananen.

Und jetzt noch ein paar Tipps für den Ernährungs-Alltag, bitte.

Fleck Dunkle Beeren, viel Ballaststoffe (Flohsamenschalen, Haferkleie, frisches Sauerkraut) essen, gerne auch mal die Superfoods Papaya oder Avocado zubereiten, grünes Blattgemüse kaufen, Knoblauch (ohne grünen Kern) und Zwiebeln verwenden, nicht dauernd Brot mit Käse oder Brot mit Wurst essen, keine Diät machen, sondern sich einfach bewusster ernähren. Ohne Chips und süße Teilchen. Und ab und zu auf den Darm hören und auf den Zeitpunkt des Essens achten.

Wie geht das? Woran erkenne ich, dass der Darm nicht gesund ist?

Fleck Wenn man viel Toilettenpapier braucht, sind zu viel Fette im Stuhl. Oder wenn der Stuhl sehr riecht, hat man Fäulnisbakterien in sich.

Jetzt reden wir schon wieder über den Darm.

Fleck Gut so.

(RP)
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