Nicht nur Koffein... Diese neuen Risiken haben Forscher in Energy-Drinks entdeckt

Düsseldorf · Energy-Drinks gelten aufgrund ihres hohen Koffeingehalts als problematisch. Vor allem von Teenagern werden sie im Übermaß getrunken. Sorge bereitet Experten eine neue Studie, die neben dem Koffein bislang unbeachtete Substanzen als Gesundheitsgefahr in den Fokus nimmt.

 Das Mischen von Energy-Drinks mit Alkohol halten Experten für besonders gefährlich (Symbolbild).

Das Mischen von Energy-Drinks mit Alkohol halten Experten für besonders gefährlich (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/Ash Pollard

Klebrig, süß und koffeinhaltig — für viele Jugendlichen sind Energy-Drinks eine legale Wachmacher-Droge. Rund 70 Prozent der deutschen Teenager greifen zu den stark koffeinhaltigen Getränken. Jeder Vierte trinkt laut einer Studie der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) nachweislich mehr davon, als gesund ist. 18 Prozent davon sind Kinder unter zehn Jahren. Ihnen eine Tasse Kaffee zu geben, wäre abwegig. Energy-Drinks mit einem mehrfach höheren Koffeinanteil trinken sie hingegen wie andere Leute Wasser.

In Prüfungsphasen oder bei Partys setzen Teenager auf den wachhaltenden Effekt des Koffeins, um die Nacht durchzumachen. Die Mengen, die sie dann achtlos trinken, sind bedrohlich: Ein Liter pro Person in einer Nacht, ermittelte das Bundesamt für Risikobewertung bei einer Umfrage unter 600 Jugendlichen. Ein Liter Energy-Drink enthält 320 Milligramm Koffein.

Diese Inhaltsstoffe beunruhigen die Experten

Beunruhigt blicken Experten wie Verbraucherschützer und der Berufsverband der Kinder- und Jugendmediziner (BVKJ) nun auf eine neue Studie, die den Blick auf andere Inhaltsstoffe lenkt: L-Carnitin, Panax Ginseng und Taurin. Diesen schreiben die Forscher des Medical Centers in Travis eine deutlich nachhaltigere Wirkung zu als bislang angenommen.

In einer Doppelblind-Studie verabreichten die amerikanischen Wissenschaftler ihren 18- bis 40-jährigen Versuchsteilnehmern entweder Energy-Drinks oder ein anderes koffeinhaltiges Getränk. Immer nahmen die Probanden die gleiche Menge Koffein (320 Milligramm) zu sich.

Mehr als 80 Prozent aller Versuchsteilnehmer berichteten danach über unerwünschte Nebeneffekte wie Benommenheit, Angst, Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit oder Schlaflosigkeit. Solche Symptome werden häufig in Zusammenhang mit hohem Koffeinkonsum beschrieben.

Noch sechs Stunden nach dem Drink Blutdruck erhöht

Was aber überraschte: Die Teilnehmer der Energy-Drink-Gruppe wiesen selbst sechs Stunden nach dem Konsum noch einen erhöhten systolischen Blutdruck auf. Während bei der die Kontrollgruppe ein Wert von 0,83 mmHg messbar war, lag der Wert der Energy-Drink-Gruppe noch immer um 4,72 mmHg über dem Ausgangswert.

Zweite Auffälligkeit: Das sogenannte QTc-Intervall, das als Quotient für die Herztätigkeit gilt, war ebenfalls erhöht und das noch zwei Stunden nach Aufnahme des Energy-Drinks. "Eine Verlängerung dieses Intervalls kann zu schweren Herzrhythmusstörungen führen", sagt Kardiologe Kahl.

Da sich die Effekte nur in der Energy-Drink-Gruppe zeigten, vermuten die Forscher, dass möglicherweise nicht das Koffein, sondern die andere Inhaltsstoffe in den Drinks dafür verantwortlich sein könnten.

Leistungssteigernde und wachhaltende Zusätze

Auch die Ernährungsexpertin Monika Vogelpohl von der Verbraucherzentrale NRW hält das für möglich. Für Taurin beispielsweise sei eine leistungssteigernde Wirkung beschrieben. Im 2. Weltkrieg verabreichte man japanischen Bomberpiloten diese körpereigene Aminosäure, damit sie länger wach blieben. Diese Wirkungen gelten jedoch als nicht belegt.

Ähnlich ist das beim Inhaltsstoff Ginseng. Auch er gilt als leistungssteigernd. Eine Überdosis stehe in Verdacht zu Herzrhythmusstörungen zu führen. Die Studie aus den USA nimmt den Pflanzenstoff zwar als mögliche Ursache in den Blick, reiche als Beleg aber nicht aus, sagt Vogelpohl. Es sind weitere Untersuchungen notwendig. Das Bundesernährungsministerium verweist darauf, dass beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Risikobewertung von Ginseng als Lebensmittelzutat in Arbeit sei.

Als belegt hingegen gilt die Wirkung des Koffeins. Bereits nach 15 bis 30 Minuten werde das Herz-Kreislaufsystem stimuliert, sagt Vogelpohl — bis zu vier Stunden nach dem Konsum. Wie stark, ist abhängig von der Menge des aufgenommenen Koffeins, aber auch von Alter, Geschlecht und Körpergewicht. Für einen gesunden Erwachsenen stellt eine Menge von 200 Milligramm kein gesundheitliches Risiko dar. Diese Menge entspricht zwei bis drei Tassen Kaffee oder drei kleinen Dosen Energy-Drink. Eine Tageshöchstdosis von 400 Milligramm sollte nicht überschritten werden.

Herzrasen und Schweißausbrüche bei Überkonsum

Anders bei Kindern. Für sie besteht nach Informationen der Verbraucherzentrale ein gesundheitliches Risiko, wenn sie mehr als drei Milligramm Koffein pro Kilo Körpergewicht am Tag aufnehmen. Ein Teenager mit 54 Kilogramm dürfte nicht mehr als zwei kleine Dosen Energy-Drink trinken. Sonst drohen Kurzzeitfolgen wie Herzrasen oder Schweißausbrüche.

Ein Übermaß an Koffein könne jedoch bei jungen Menschen auch zu Gefäßveränderungen im Herzen führen, sagt Kardiologe Kahl. Die Wand zwischen den beiden Herzkammern verdickt sich. Was zunächst unbemerkt bleibt, kann im Erwachsenenalter das Risiko für Herzprobleme oder Herzinfarkte unumkehrbar vergrößern. "Energy-Drinks können Herzrhythmusstörungen, Nierenversagen und Krampfanfälle verursachen und werden sogar mit Todesfällen in Verbindung gebracht", sagt foodwatch-Sprecher Oliver Huizinga.

Für diese Teenager können Energy-Drinks lebensgefährlich sein

Vor allem der Genuss in Verbindung mit Alkohol ist problematisch, weil er laut Kahl die gesundheitsschädliche Wirkung verstärke. Bei Berichten über Todesfälle standen die Energy-Drinks immer in Zusammenhang mit Alkohol und Bewegung, sagt Verbraucherschützerin Vogelpohl. Davon unbeeindruckt zeigen sich die, um die es geht: 60 Prozent der deutschen Teenager zwischen zehn und 18 Jahren trinken die Energy-Drinks nicht solo. Wodka-Energy ist eines der liebsten Trendgetränke.

Kardiologe Hermann Josef Kahl weist auf ein weiteres Risiko hin: Geschätzte 15 Prozent der Elf- bis Sechszehnjährigen leiden an unerkanntem Bluthochdruck. Für sie könnten Energy-Drinks sogar lebensgefährlich sein.

Experten kritisieren halbherzige Aufklärungskampagne

Darum kritisieren sowohl Verbraucherschützer als auch der BVKJ die Haltung der Politik. Das Ernährungsministerium lehnt bislang ein Verkaufsverbot an Minderjährige ab und setzt auf eine Kennzeichnungspflicht sowie die Aufklärungskampagne www.check-deine.dosis.de. Dort können Teenager über einen Koffeinrechner den für sie empfohlenen Höchstkonsum nachsehen. foodwatch-Sprecher Huizinga bezweifelt, dass Jugendliche einen solchen Rechner nutzen. Er hält die Kampagne für halbherzig.

Das Ernährungsministerium verweist hingegen auf durchschnittliche 2.720 Zugriffe auf die Website in den Monaten April und Mai. In einer Stellungnahme teilt es zudem mit: "Wenn Energydrinks verboten würden, müsste auch geklärt werden, wieso Koffein in Energydrinks anders bewertet wird als das, was in Schokolade, Colagetränken, Eistee oder Kaffee enthalten ist." Zudem würde dann die Frage aufgeworfen, warum Kaffeeautomaten noch frei zugänglich in der Öffentlichkeit platziert werden dürfen.

Zum Vergleich: Cola enthält laut der Verbraucherzentrale nicht einmal die Hälfte des Koffeins eines Energy-Drinks. Eine Tafel Schokolade enthält in etwa die Menge einer mittelstarken Tasse Kaffee.

Der BVKJ hofft nun, möglicherweise über die derzeit diskutierte Zuckersteuer den Verkauf von Energy-Drinks indirekt einzuschränken. Jugendmediziner betrachten nämlich auch die enthaltene Zuckermenge als problematisch. Sie fördere Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes.

(wat)
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