58.110.000.000 geschlachtete Hühner jährlich Wie das Geschäft mit dem Fleisch unsere Gesundheit bedroht

Düsseldorf · Antibiotika, Listerien, Dioxin - diverse Fleischskandale haben vor allem im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass sich viele Deutsche für einen vegetarischen Speiseplan entschieden. Mit dem geplanten Freihandelsabkommen könnten nun sogar Hormone und Chlorhähnchen auf den Tellern landen. Davor warnt der "Fleischatlas 2014".

Fleischatlas: Das gefährliche Geschäft mit dem Fleisch
Foto: shutterstock/ branislavpudar

Medikamentöse Zusätze in der Masttierhaltung gehören zu den häufig diskutierten Problemen in der Fleischproduktion. Neben den vielfach umstrittenen Antibiotika, die für Resistenzen sorgen können, taucht nun ein weiteres Problem auf: der Einsatz von Hormonen.

Bislang werden in Deutschland ausschließlich Sexualhormone in der Mast eingesetzt. Insbesondere bei Säuen sorgen sie dafür, dass der Zeugungsrythmus der Tiere in einem Betrieb gleichgeschaltet wird und die Anzahl neu geborener Ferkel unnatürlich in die Höhe schießt. Durch das Freihandelsabkommen mit den USA könnten demnächst jedoch auch in der EU verbotene Wachstumshormone wie Ractopamin in den Fleischtheken der Supermärkte landen. Davor warnt der Fleischatlas, den der Umweltschutzverband gemeinsam mit der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung und der Zeitung "Le monde diplomatique" am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.

60 Länder verbieten den Einsatz

Rund 60 Länder weltweit verbieten den Einsatz des Wachstumshormons Ractopamin derzeit. Warum, zeigt beispielhaft ein Fall aus dem Jahr 2010: Damals wiesen verschiede chinesische Mädchen im Säuglingsalter Brustwachstum auf, die alle das gleiche Milchpulver erhalten hatten. Ärzte erklärten das damit, dass das Pulver von hormonbehandelten Kühen stammte.

Andererseits lässt Ractopamin Mastschweine und Rinder schneller Fleisch ansetzen. Kühe geben durch das Medikament mehr Milch. Je nach gemästeter Tierart steigt die Produktivität der Betriebe durch das Mittel um bis zu 38 Prozent. Welche Auswirkungen genau die Hormone auf den Menschen haben ist bislang nicht geklärt. Allerdings führten sie im Tierversuch vor allem bei Jungtieren schon in geringen Dosen zu Missbildungen der Geschlechtsorgane.

In den USA, Kanada oder auch Brasilien sind die Regeln in den Betrieben jedoch anders. Hier werden Hormone wie Ractopamin standardmäßig in der Tierzucht eingesetzt. Auf den Verpackungen ausgeschrieben werden muss das jedoch nicht. Da die EU nur den Import von hormonfreiem Fleisch erlaubt, bliebe damit für Fleisch aus den USA nur ein sehr kleiner Markt. Im Rahmen des Freihandelsabkommens sieht die US-Regierung nun die Chance, dieses Verbot abzuschaffen. Um so mehr, da die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und somit unter Ausschluss der Meinung des Konsumenten abgehalten werden.

Sollte es zur Aufhebung dieser Verbote kommen, könnte es demnächst auch die so genannten "Chlorhähnchen" in Deutschland zu kaufen geben. Während Hühner nach der Schlachtung hierzulande nur mit warmen Wasser behandelt werden dürfen, werden sie in den USA mit Peroxysäure desinfiziert. Zudem könnte es eine Lockerung der Gesetze für genmanipulierte Lebensmittel bedeuten.

58.110.000.000 geschlachtete Hühner jährlich

Wie Fleisch produziert, aufbereitet und exportiert wird, dürfte in den nächsten Jahren immer mehr zum Thema werden. Denn auch wenn der vegane und vegetarische Lebensstil in Europa so beliebt ist wie nie - die weltweite Fleischproduktion wächst rasant. Hält sich der aktuelle Trend, wird sie von derzeit 300 Millionen Tonnen auf eine halbe Milliarde Tonnen 2050 ansteigen.

"Moderne Schlachtanlagen in Europa und den USA nehmen immer absurdere Dimensionen an. Während wir hierzulande 735 Millionen Tiere pro Jahr töten, schlachtet alleine die US-Gesellschaft Tyson Foods mehr als 42 Millionen Tiere in einer einzigen Woche", sagt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Die gigantischen Dimensionen der bisherigen Schlachtungen belegen die Zahlen des Fleischatlas: Allein im Jahr 2011 wurden weltweit 58.110.000.000 Hühner, 1.383.000.000 Schweine und 296.000.000 Rinder geschlachtet.

Auswirkungen auf die Welternährung und Umwelt

Mit dem starken Anstieg in der Tierproduktion ist auch der Anstieg der Futtermittelproduktion wie etwa von Soja oder Raps zur Mästung der Schlachttiere verbunden. Die Experten gehen davon aus, dass er von derzeit 260 auf über 500 Millionen Tonnen im Jahr 2050 stiegen wird. Wie das zu verkraften ist, bleibt bislang unklar.

Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO werden schon jetzt rund 70 Prozent der Agrarflächen weltweit für die Nutztierhaltung eingesetzt. "Die Folgen sind fatal, wertvolle Regenwälder gehen verloren, Böden und Gewässer werden mit Pestiziden belastet und die Preise für Grundnahrungsmittel steigen aufgrund knapper werdender Agrarflächen", sagt die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning.

(ham)
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