Foodwatch wirft Behörden Versagen vor "Wo sind 70.000 Tonnen billiges Restfleisch verarbeitet worden?"

Berlin · 70.000 Tonnen billiges, vom Knochen abgelöstes Restfleisch von Schweinen, Puten und Hühnern werden jedes Jahr in Deutschland verarbeitet - doch wo dieses sogenannte Separatorenfleisch landet, wissen die Behörden nicht.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch legte daher am Montag bei der EU-Kommission offiziell Beschwerde gegen die Bundesrepublik ein. Foodwatch vermutet, dass das billige Fleisch in Würstchen und Buletten verarbeitet wird, ohne dies zu kennzeichnen.

"70.000 Tonnen Separatorenfleisch verschwinden Jahr für Jahr im Nirwana, ohne dass deutsche Behörden in der Fleischbranche durchgreifen", kritisierte Luise Molling von Foodwatch. Verbraucher hätten aber ein Recht zu erfahren, wenn ihnen solches Fleisch vorgesetzt werde.

Separatorenfleisch wird maschinell von den Knochen von Schweinen, Hühnern oder Puten abgelöst; Gerippe von Wiederkäuern dürfen seit der BSE-Krise nicht mehr für die Herstellung von Separatorenfleisch verwendet werden. Die Masse ist, ähnlich wie Hackfleisch, laut Foodwatch im Vergleich zu Muskelfleisch anfälliger für mikrobiologische Belastungen. Nur zugelassene Betriebe dürfen Separatorenfleisch herstellen. Es ist laut Foodwatch zwei- bis fünfmal günstiger zu beschaffen als gewachsenes Muskelfleisch.

Kennzeichnungen fehlen

70.000 Tonnen reichten aus, um zwei Milliarden Bockwürstchen herzustellen, sagte Luise Molling von Foodwatch. Im Einzelhandel fänden sich aber so gut wie keine Produkte mit entsprechendem Hinweis. Branchen-Insider äußerten der Verbraucherorganisation gegenüber den Verdacht, das billige Separatorenfleisch lande ohne Kennzeichnung in Lebensmitteln. Es sei zwar gesundheitlich unbedenklich;die Herstellung sei aber besonders sensibel.

Foodwatch fragte nach eigenen Angaben beim Bundeslandwirtschaftsministerium, beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie bei den 16 Bundesländern nach. Alle konnten keine Auskunft über den Verbleib des Separatorenfleisches machen, in manchen Ländern gibt es auch keinen Betrieb, der dafür zugelassen ist. Das BVL mutmaßte, das Fleisch scheine auch für die Herstellung von Heimtierfutter verwendet zu werden.

Deutschland sei nach EU-Recht verpflichtet, wirksame Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, damit Verbraucher weder gesundheitliche Risiken tragen müssten noch durch fehlende Kennzeichnung getäuscht würden, erklärte Foodwatch. Dass solche Maßnahmen hierzulande offenbar nicht umgesetzt würden, sei ein klarer Verstoß gegen europäisches Recht im Bereich der Lebensmittelüberwachung.

Die Verbraucherorganisation fragte auch bei Fastfood- und Restaurantketten wie McDonald's, Pizza Hut, Subway oder Wienerwald nach. Alle antworteten, sie verwendeten in ihren Gerichten kein Separatorenfleisch. Von drei Heimtierfutterherstellern gab einer an, er verwende das Fleisch zu vier Prozent. Lebensmittelverbände antworteten überwiegend gar nicht oder gaben an, das Fleisch werde exportiert. Nach EU-Angaben handelt es sich um 60.000 Tonnen pro Jahr. Nur ein Verband gab an, bei der Herstellung von Brühwürstchen auch Separatorenfleisch zu verwenden - dies werde aber "entsprechend der Gesetzgebung deklariert".

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort