Auf Saft, Joghurt, Kinderbrei Wie die Industrie bei Gesundheitsangaben trickst

Düsseldorf · Gesundheitsversprechen sind für viele Konsumenten ein wichtiges Kaufkriterium. Besonders bei Baby- oder Sportprodukten, Öl und Joghurt achten Käufer auf Worte wie "vital", "Vitamine" und "verdauungsfördernd". Doch die Industrie führt die Verbraucher in die Irre. Wir zeigen Ihnen, wie.

 Mit Gesundheitsversprechen versuchen Hersteller Konsumenten zum Kauf zu bewegen.

Mit Gesundheitsversprechen versuchen Hersteller Konsumenten zum Kauf zu bewegen.

Foto: Verbraucherzentrale Hamburg

Die Verbraucherzentralen haben 2014 in einem bundesweiten Marktcheck 46 verschiedene Produkte mit Gesundheitsbezug untersucht. Insgesamt waren es sechs Warengruppen, darunter Produkte für Kleinkinder, Milchprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und Getränke. Die Waren wurden in Supermärkten, Drogerien, Bioläden, Reformhäusern und Discountern gekauft.

Wie sich zeigte, wiesen 20 der 46 Produkte Gesundheitsversprechen (Health Claims) auf, die laut EU-Verordnung gar nicht zugelassen sind. Besonders negativ fiel die Kategorie Kleinkindprodukte auf. 70 Prozent der getesteten Waren, also sieben von zehn Produkten, wiesen Beschreibungen auf, die laut Verbraucherzentrale nicht erlaubt und irreführend sind. Im Vergleich am besten schnitten Milchprodukte ab. Hier war nur eine falsche Bezeichnung unter sieben Produkten zu finden.

Verstoßen wird vor allem gegen die Verordnung der Europäischen Union zu den gesundheitsbezogenen Angaben. Darin festgelegt ist, welcher Health Claim unter welchen Bedingungen von den Herstellern auf eine Packung gedruckt werdend darf.

"Das Problem ist jedoch, dass es alleine für Vitamin C 15 verschiedene Gesundheitsversprechen gibt, die aufgedruckt werden dürfen, wenn ein Produkt eine bestimmte Menge des Vitamins enthält. Und zwar auch dann, wenn das Vitamin C künstlich zugefügt wurde", erklärt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Schädlich seien künstliche Vitamine zwar nicht, so der Experte, doch die Gefahr verwirrender Produkt-Kreationen würde durch diese Möglichkeit wachsen. So könne man theoretisch auch eine Wurst mit Vitamin C anreichern und dann zur Immunstärkung einsetzen.

Viele Versprechen sind von der EU verboten

Dass die Gesundheitsangaben relativ beliebig gemacht werden können, ist für die Verbraucherschützer aber nur ein Problem von mehreren. Wesentlich schwerwiegender wiegt die Tatsache, dass inzwischen immer Versprechen aufgedruckt werden, die von der EU gar nicht erlaubt sind.

Die Beba Kindermilch von Nestlé beispielsweise soll Eltern durch die Unterstützung des Immunschutzes und durch ein gesundes Wachstum ihres Kindes vom Kauf überzeugen. Beide Gesundheitsversprechen beziehen sich auf den enthaltenen probiotischen Keim. Der darf jedoch laut der Verordnung der Europäischen Union gar nicht als Basis für einen Health Claim genutzt werden. Für den Verbraucher ist das also höchst irreführend. Eine Übersicht über gängige Produkte und die falschen Gesundheitsversprechen finden Sie hier.

Zwar treten derlei Falschbeschriftungen insbesondere bei Kinderprodukten auf, aber auch gesundheitsbezogene Produkte für Erwachsene leiten in die Irre. Der Vitesse-Saft von Rabenhorst beispielsweise wird mit seiner unterstützenden Funktion von Nerven und Muskeln dank acht verschiedener Vitamine beworben. Die Analyse der Verbraucherschützer zeigte jedoch, dass diese Aussage laut EU-Verordnung nicht für alle angegebenen Vitamine zugelassen ist. Darüber hinaus enthält das Getränk übermäßig viel Zucker und ist deshalb als Gesundheitsgetränk ohnehin fraglich, so die Verbraucherzentralen.

Auch mit Übertreibungen ist die Industrie alles andere als sparsam. Während die erlaubten Health Claims in der EU-Verordnung sehr häufig das Wörtchen "normal" enthalten, sind die Produkte eher mit Versprechen wie "aufbauend" oder "gesund" versehen. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Becel Cuisine Omega-3- Pflanzenöl. Seine Inhaltsstoffe (Omega-3-Fettsäuren) versprechen ein "gesundes Herz-Kreislauf-System" und den "Cholesterinspiegel auf einem gesunden Niveau zu halten". Laut EU ist jedoch nur folgende Angabe erlaubt: "Der Ersatz gesättigter Fettsäuren durch einfach und/oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren in der Ernährung trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei". Dem Verbraucher wird hier also zu viel in Aussicht gestellt.

Die größte Gesundheitsgefahr besteht bei Kinderprodukten

"Richtig zu Schaden kommen, kann durch diese Irreführung erst einmal niemand", räumt Verbraucherschützer Valet ein. "Aber gerade bei Kinderprodukten ist es eben schon schwierig, wenn sie langfristig zu viel Zucker und Fett zu sich nehmen, weil die Produkte nicht eindeutig beschriftet sind."

Warum die Europäische Union auf die falschen Beschreibungen nicht reagiert, versteht Valet nicht. Eindeutig ist dagegen der Vorteil für die Hersteller: "Vitamine kosten nicht viel. Ein Kilo Vitamin C beispielsweise ist im Großhandel für zehn Euro zu haben." Kommen in einem Produkt 12 Milligramm davon vor und dazu 1,5 Milligramm Zink, hat der Hersteller schon eine Auswahl von 33 Health Claims, die er auf das Etikett drucken darf.

"Bedarfsgerecht ist das jedoch nicht mehr", warnt der Experte. "Die meisten Konsumenten wissen so nicht mehr, was sie ihren Körper wirklich zuführen." Studien haben jedoch gezeigt, dass Lebensmittel und andere Produkte mit Gesundheitsversprechen wesentlich besser verkauft werden, als solche ohne Health Claim. So lange die Politik rund um die Gesundheitsangaben auf Lebensmitteln nicht strenger wird, müssen Verbraucher also vor allem eines tun: Lernen, die Auflistung der Inhaltsstoffe zu verstehen.

(ham )
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