Die dreisteste Werbelüge des Jahres "Goldener Windbeutel" geht an Hipp-Kindertee

Pfaffenhofen/Ilm · Zuckerhaltige Instant-Tees für Kleinkinder der Firma Hipp sind von zehntausenden Verbrauchern in einer Online-Abstimmung zur "dreistesten Werbelüge" des Jahres gewählt worden.

Goldener Windbeutel 2012: Kandidaten und Gewinner
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"Goldener Windbeutel" 2012 geht an zuckersüßen Kindertee

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Wie die Verbraucherorganisation Foodwatch am Dienstag mitteilte, werde der Firma Hipp deshalb am heutigen Dienstag im bayrischen Pfaffenhofen/Ilm der "Goldenen Windbeutel" 2012 für Etikettenschwindel überreicht.

Die Zuckergranulat-Tees "Früchte", "Waldfrüchte" und "Apfel-Melisse" enthalten den Angaben zufolge umgerechnet zweieinhalb Stück Würfelzucker je 200 ml-Tasse. Dennoch würden sie als "kindgerecht" und "gesund" beworben.

Knapp 130.000 Verbraucher hatten sich laut Foodwatch an der Abstimmung beteiligt. Auf die Hipp-Tees seien mehr als 44.000 Stimmen oder rund 34 Prozent entfallen. Den Angaben zufolge habe der Hersteller bereits nach der Bekanntgabe der Nominierung für den "Goldenen Windbeutel" angekündigt, die kritisierten Zuckergranulat-Tees bis Ende des Jahres durch neue Produkte ohne Zuckerzusatz ersetzen zu wollen.

"Eigentlich gibt es keine Notwendigkeit, andere Produkte zu entwickeln, denn Hipp hat geeignete Kleinkind-Getränke längst im Sortiment: die guten alten Teebeutel", erklärte Oliver Huizinga von Foodwatch. Experten empfehlen, Kindern nur ungesüßte Tees zu geben. Huizinga sagte weiter: "Eltern ein solches Produkt für Kleinkinder zu empfehlen, ist unverantwortlich und passt in keiner Weise zu dem so oft betonten Anspruch von Hipp, kindgerechte und gesunde Produkte anzubieten."

Der Preis sollte noch am Dienstag am Unternehmenssitz des Herstellers im bayerischen Pfaffenhofen übergeben werden.

Hackfleisch auf Platz zwei

Auf Platz zwei der Etikettenschwindelliste schaffte es die Viva Vital Hackfleisch-Zubereitung von Netto (27,5 Prozent). Auf Rang drei folgte Becel pro activ von Unilever (22,2 Prozent) vor Clausthaler von Radeberger (10,1 Prozent). Auf Rang fünf lag von Teekanne "Landlust Mirabelle & Birne" (6,1 Prozent).

Der "Goldene Windbeutel" wurde zum vierten Mal vergeben. Nominiert waren fünf Produkte, die vom 22. Mai bis 18. Juni gewählt werden konnten.

Aufgabe des Preises ist es Foodwatch zufolge, gemeinsam mit den Verbrauchern Druck auf die Lebensmittelindustrie auszuüben, damit diese ihre "irreführenden Werbepraktiken" aufgibt. Die bisherigen Gewinner waren Milch-Schnitte von Ferrero (2011), Monte Drink von Zott (2010) und Actimel von Danone (2009). Ferrero hatte den Preis im vergangenen Jahr abgelehnt: Es gebe keine Hinweise, dass die Verbraucher die Werbung als irreführend empfänden.

Bode fordert Regulierung

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode forderte die Bundesregierung in einem dapd-Interview auf, den Markt für Kinderlebensmittel zu regulieren. "Es dürfen nur noch Produkte, die wirklich geeignet für Kinder sind, als solche beworben werden", sagte er . Mit einem entsprechenden Gesetz hätte es Hipps Zucker-Tees für Kleinkinder gar nicht erst gegeben.

Die vielen Fälle von Verbrauchertäuschung sagten nicht nur etwas über die Praktiken der Unternehmen, sondern auch über das Versagen des Staates beim Schutz der Verbraucher, erklärte Bode. Täuschung sei im Lebensmittelrecht zwar verboten - in der Praxis aber sehe es anders aus. "Es fehlt überall an Transparenz, bei den Herkunftsangaben, bei den Zutaten, der Tierhaltung, beim Einsatz von Gentechnik", sagte Bode. Benötigt würden Gesetze, die endlich den legalen Etikettenschwindel illegal machten.

Bode kritisierte auch die Werbung von Fußball-Nationalspielern für ungesunde Lebensmittel. "Die Herren Schweinsteiger, Müller und Co. würden ihrer Vorbildrolle gerade für Kinder eher gerecht, wenn sie sich nicht mehr für die Werbung von Chips und Salami mehr hergeben", sagte er.

Der Deutsche Fußballbund verstoße ohne Scham gegen seine eigene Satzung als gemeinnütziger Verein, "in der ein Vereinszweck die Förderung gesunder Ernährung ist". Dazu passe es nicht, wenn der DFB sich von einem Süßwarenhersteller wie Ferrero finanzieren lasse, indem er mit seinem guten Namen die Vermarktung von Süßigkeiten als sportlich-leichte Zwischenmahlzeiten unterstütze.

Foodwatch wurde im Oktober 2002 als eingetragener Verein mit Sitz in Berlin vom früheren Greenpeace-Chef Thilo Bode gegründet, der seitdem als Geschäftsführer fungiert.

(dpa/dapd)
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