"Suspended Coffee" Eine Schülerin kämpft für kleine Kaffee-Spenden

Zwei Kaffee bezahlen, aber nur einen trinken – klingt dumm, ist aber ein Beweis von Menschlichkeit. Denn den zweiten, "aufgeschobenen" Kaffee kann später jemand trinken, dem das Geld fehlt. Ein Interview mit Saskia Rüdiger (18), die die Idee unermüdlich in Deutschland verbreitet.

Zwei Kaffee bezahlen, aber nur einen trinken — klingt dumm, ist aber ein Beweis von Menschlichkeit. Denn den zweiten, "aufgeschobenen" Kaffee kann später jemand trinken, dem das Geld fehlt. Ein Interview mit Saskia Rüdiger (18), die die Idee unermüdlich in Deutschland verbreitet.

Eigentlich muss Saskia Rüdiger fürs Abitur lernen. Und ihren 18. Geburtstag feiern. Und sich um ihre Band, ihren Chor, das Theater und ihre Jugendgruppe in der Kirchengemeinde kümmern. Fast alles aber ordnet sie aber ihrer Leidenschaft unter: Seit mehr als einem Jahr wirbt die Schülerin aus dem sächsischen Zwönitz für "Suspended Coffee" oder, auf Deutsch: "aufgeschobenen Kaffee" — obwohl sie selbst lieber Tee trinkt.

Die Orga-Arbeit und manchmal auch Interviews mit dem NDR und RTL nehmen rund eine Stunde täglich in Anspruch, manchmal weniger. Und meistens mehr.

In mehr als 100 Cafés deutschlandweit kann man Bedürftigen anonym einen Kaffee ausgeben, indem man im Vorhinein einen mehr bezahlt, als man selbst trinkt. Mehrere hundert Obdachlose oder etwa von Altersarmut Betroffene haben so wohl schon etwas Warmes in den Magen bekommen. Wie kam es dazu?

Saskia Rüdiger Anfang April 2013 hat eine Freundin von mir bei Facebook einen englischen Artikel über "Suspended Coffee" geteilt. Ich mochte die Idee, die Botschaft dahinter. Schnell ist mir aufgefallen, dass es für viele Länder schon eigene Facebook-Seiten und Websites gab, aber nicht für Deutschland. Die habe ich dann spontan gegründet. Bis ich mich selbst weiter informiert, übersetzt, die Websites eingerichtet und Info-Material gebastelt hatte, hat es dann noch ein wenig gedauert. Im Juli konnte ich das erste Café zum Mitmachen gewinnen, in Marburg.

Was fasziniert dich an der Idee?

Ihre Einfachheit. Niemand muss etwas Besonderes können oder etwas Großes leisten. Von niemandem wird verlangt, die Welt zu retten. Aber fast jeder kann eine kleine gute Tat tun und einem Fremden einen Kaffee spendieren.

Siehst du das als konkrete Hilfe oder eher als Geste?

Ein spendierter Kaffee oder ein Brötchen können sehr wichtig sein, wenn jemand überhaupt nichts im Magen hat. An der Lebenssituation eines Menschen ändert das natürlich nichts. Aber jedes Mal holt man jemanden von draußen herein ins Warme, zurück in unsere Gesellschaft, und sagt: "Ich gucke nicht durch dich durch. Ich vergesse dich nicht."

Die Café-Betreiber haben ja keinerlei Nachteil; sie verwalten ja nur die Spenden ihrer Kunden, zum Beispiel in Form von Kassenbons, und profitieren vielleicht sogar vom Werbeeffekt. Wieso denkst du, machen nicht noch mehr mit?

Manche haben Sorge, dass Obdachlose in ihrem Café andere Gäste vergraulen. Außerdem haben wir eben keine große Organisation im Rücken. Es gibt nur um die 20 "Mitarbeiter" in den verschiedenen Städten, die mir mehr oder weniger regelmäßg und natürlich ehrenamtlich unter die Arme greifen. Vor allem ist es aber wohl eine Mentalitätssache. Bei uns in Deutschland sind wir oft sehr kritisch, skeptisch, pessimistisch, anstatt einfach mal etwas auszuprobieren.

In deinem Heimatstädtchen hat sich noch kein Café-Betreiber gefunden, der mitmachen will. Auch sonst sieht es in der Provinz schlecht aus. Weil die Leute dort noch skeptischer sind?

Das hat auch einen Hintergrund. Wenn in einer Kleinstadt jemand einen aufgeschobenen Kaffee trinkt, weiß es zwei Tage später jeder. Berlin oder Hamburg sind anonymer, was hier zum Vorteil wird, weil es die Hemmschwelle senkt, das anonyme Angebot anzunehmen.

Wie wird die Idee denn angenommen, wo sie angeboten wird?

Häufig spenden die Gäste mehr, als eingelöst wird. Wir brauchen Geduld, bis das Angebot bei denen bekannt wird, die davon profitieren sollen. Denn die sind ja selten bei Facebook unterwegs oder lesen Zeitung. Die Idee muss einfach noch weiter getragen werden. In Italien, von wo die Idee stammt, braucht man das nicht. Keine Mund-zu-Mund-Propaganda und schon gar keine Plakate oder Flyer, um die Idee zu bewerben. Dort hat der "caffè sospeso" eine so lange Tradition, dass es Teil der Alltagskultur ist.

Was ist dein Ziel?

Die 400 Facebook-Likes sind schön, ebenso die mehr als 100 Cafés, die schon mitmachen. Aber die Zahlen sind nicht so wichtig. Ich wünsche mir, dass sich die Idee genau so etabliert wie in Italien und bei denen ankommt, die davon profitieren sollen — ohne, dass sie schief angesehen werden.

Was sagst du zu der Kritik, dass viele Spender vor allem mitmachen, um sich selbst gut zu fühlen und nach außen zu demonstrieren, dass sie etwas Gutes tun?

Das mag hier oder da sogar stimmen, aber ich persönlich belasse es nicht bei "Gefällt mir"-Klicks, schönen Worten oder einem gespendeten Kaffee alle paar Wochen. Ich gehe auch auf Obdachlose zu, suche das Gespräch, setze mich mit ihnen auf die Straße. Auch das ist nur ein Anfang. Niemand muss Kampagnen und Ideen wie "Suspended Coffee" mögen, und für konstruktive Kritik bin ich immer dankbar. Aber besser als nichts ist jede gute Tat — egal aus welchen Motiven.

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