Der Kaffeehasser Kaffee kann mich mal

Wer Kaffee hasst, hat ein Problem. Und davon eine ganze Menge.

Viele gute Bekanntschaften sind in meinem Leben in die Brüche gegangen, weil ich ein Mensch bin, der ehrlich ist. Wenn mir diese Menschen schrieben, ob wir uns nicht mal wieder auf einen Kaffee treffen wollen, antwortete ich, dass dies so ziemlich das letzte sei, worauf ich Lust hätte. Zu einem Tee hätte ich ja gesagt, auch zu einer Apfelschorle oder zu einem Wasser. An einem ganz verrückten Tag hätte ich sogar mit einem Glas Bier angestoßen. Nur nicht mit Kaffee!

Über zwei Dinge gibt es bei mir keinen Zweifel: Ich habe viele Freunde verloren, weil ich Nachrichten schreibe, die ein wenig mehr Kontext vertragen könnten. Und ich hasse Kaffee!

Damit stelle ich in Deutschland eine Minderheit dar. Deutschland ist die Nation der Dichter, Denker — und Käffchen-Trinker. Wenn Deutschland in wenigen Tagen bei der Weltmeisterschaft antritt, wird sich das Land vor den Fernsehern versammeln, die Latte Macciato-Gläser erheben und gemeinsam mit Sarah Connor die Kaffeemaschinen-Hymne anstimmen: "Brüh im Glanze dieses Glückes". So weit ist es schon gekommen.

Kaffee-Kapseln sind die neuen Zigarren

Selbst Kernbestandteile der deutschen Kultur hat die Kaffee-Revolution der letzten Jahre, quasi der Arabica-Frühling Deutschlands, hinweggefegt. "Draußen nur Kännchen" — das gilt schon lange nicht mehr. Heute gibt es in den Innenstädten an jeder Ecke Starbucks und Co., wo sich die Kaffee-Süchtigen ihren Iced-Doppel-Schoko-Schock-Caramell-Instant-Fresh-Boiled-Dark-Roast-Mocca-Frappuccino mit Doppelt-Käse und Bacon bestellen können. Und zuhause ist die Dolce Gusto-, Tassimo-, De Longhi- oder Senseo-Maschine längst zum wichtigsten Küchengerät geworden. Kaffee kauft man nicht mehr als abgepacktes Pfund, Kaffee ordert man jetzt in mikroskopisch kleinen Verpackungen und freut sich, wenn vier Portionen für 18,99 Euro im Angebot sind. Und wer richtig protzen will, ist Mitglied im Nespresso-Club und serviert Kaffee-Kapseln aus der Mahagoni-Box so wie früher kubanische Zigarren.

Ich bin in dieser Welt ein Außenseiter. Ich weiß, dass Espresso viel Kaffee in kleinen Tassen ist und Cappucino wenig Kaffee in riesigen Tassen. Mehr nicht. Wenn die Rede von Jakobs Krönung ist, weiß ich nicht mal, wer vor ihm regiert hat. Über Mokka weiß ich nur, dass jeder Muslim einmal dort hin pilgern sollte. Und als mir zuletzt jemand erzählte, er habe jetzt eine Saeco, sagte ich, dass man "ein" sagen würde und es außerdem Sakko hieße. Bei uns zuhause wurde Tee getrunken. Die Kaffeemaschine stand ganz hinten im Schrank zwischen Römertopf, Nudelmaschine und Ananasschneider und wurde nur rausgeholt, wenn Gäste kamen. Eine Kaffeemaschine war für mich daher immer ein Gerät, das theoretisch praktisch sein könnte, im Prinzip aber überflüssig war und die Schränke verstopfte.

Als Praktikant war ich nicht zu gebrauchen, weil ich nicht wusste, wie man Kaffee kocht. Und als ich es versuchte, fügte ich mir durch plötzlich austretenden Milchschaum schwerste Verbrühungen zu und fiel wochenlang aus. Ich hasste den Kaffee für das, was er mir angetan hatte. Ich verabscheue, dass er zu einem Symbol der Macht geworden ist. Denn Kaffee kochen ist immer Aufgabe der Sekretärin, nicht die des Chefs. Kaffee ist ein Symbol der Unterdrückung. Kaffee ist Klassenkampf.

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