Nahrungsergänzungsmittel Was zusätzliche Vitamine bringen — und was nicht

Bonn · Vitamine und Mineralstoffe gelten als Wundermittel. Sie sollen vor Krankheiten schützen, Muskelkrämpfen vorbeugen und Müdigkeit vertreiben. Hier lesen Sie, welche Versprechen sie halten und was ins Reich der Mythen gehört.

 Vitamine als Nahrungsergänzung sind beiebt. (Symbolbild)

Vitamine als Nahrungsergänzung sind beiebt. (Symbolbild)

Foto: dragomirescu/ Shutterstock.com

Wer gesund bleiben will, der sollte auf eine vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung achten, raten Ernährungsexperten. Doch viele Menschen befürchten, zu wenig des Guten zu bekommen. Darum hilft laut der Nationalen Verzehrstudie rund ein Viertel der Deutschen mit Vitaminpillen nach. 380 Millionen Euro geben sie pro Jahr für solche Supplemente aus. Andere greifen stattdessen gezielt zu Lebensmitteln, die zusätzlich mit entsprechenden Zusätzen versehen sind. Gemeinsam mit Ernährungswissenschaftlern schauen wir auf einige dieser Nahrungsergänzungsmittel.

Magnesium gilt als Pauschalrezept gegen Muskelkrämpfe. Dabei ist fraglich, ob es hilft. Auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hält in ihrer Leitlinie dazu fest: "Magnesium ist möglicherweise wirksam." Als tatsächlich wirksam wird hingegen Chinin eingestuft, das aber "wegen der (seltenen) schweren Nebenwirkungen erst in zweiter Linie und nur bei schwerer Ausprägung der Krämpfe eingesetzt werden" sollte, wie ebenfalls in dem Papier steht. Eine Studie der University of British Columbia kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass Magnesium zumindest bei älteren Menschen nicht besser wirke als ein Placebo.

Während Profisportlern es derweil gezielt bekommen, um den durch Schwitzen leergepumpten Mineralstoffhaushalt gezielte wieder auszugleichen, rät Nadia Röwe vom aid infodienst für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hobbysportlern zu mineralstoffreichem Mineralwasser und einer Banane. Reich an Magnesium sind außerdem Vollkornprodukte, Gemüse wie Erbsen, Bohnen, Spinat oder Brokkoli und Obst wie Beerenfrüchte. Zudem weist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) darauf hin, dass bei üblichen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten bei gesunden Menschen keine Anzeichen für Magnesiummangel festgestellt werden können.

Der nächste Mythos rankt sich um Vitamin C. Von erkältungsvorbeugender und auch von einer krebsvorbeugenden Wirkung ist immer wieder zu hören. "Allerdings sind sich die Wissenschaftler inzwischen einig, dass zusätzliche Vitamin-C-Gaben nicht vor Erkältungen schützen. Vitamin C kann die Dauer und Schwere eines Infekts verringern", sagt Nadia Röwe. Außerdem fängt Vitamin C Sauerstoffradikale ab und beugt somit Zellschädigungen vor. Das bringt ihm den Ruhm ein, eine Krebswunderwaffe zu sein. Der Deutsche Krebsinformationsdienst verweist darauf, dass es Hunderte, wenn nicht sogar Tausende weiterer Stoffe gebe, die vor Krebs schützen können. "Wichtig scheint das Zusammenspiel all dieser Substanzen zu sein, nicht ihre Wirkung als isolierte Tablette oder als Zusatz zu einem ansonsten wenig gesunden Lebensmittel."

"Eisenmangel gehört tatsächlich in der westlichen Welt zu den häufigsten Mangelerscheinungen", sagt Oecotrophologin Nadia Röwe. Frauen seien davon durch den Blutverlust während der Menstruation stärker betroffen als Männer, und auch Schwangere und Kinder leiden laut der Ernährungswissenschaftlerin häufiger unter einem Mangel des Spurenelements. Wer zu einer dieser Gruppen zählt und an sich Symptome wie anhaltende Müdigkeit und Abgeschlagenheit, ständiges Kältegefühl oder eingerissene Mundwinkeln und sprödes Haar feststellt, der sollte seine Eisenwerte überprüfen lassen.

Einem Irrglauben sollte man jedoch nicht anhängen: "Es ist richtig, dass eine unzureichende Aufnahme zu brüchigen Fingernägeln und spröden Haaren führen kann. Im Umkehrschluss ist es aber nicht richtig anzunehmen, dass die Aufnahme von viel Eisen zu langen, glänzenden Haaren führt", sagt Röwe.

Fleisch ist ein guter Eisenlieferant. Dennoch ist es ein Trugschluss anzunehmen, dass Menschen, die sich vegetarisch ernähren, grundsätzlich Eisenmangel haben. Denn auch in pflanzlichen Produkten steckt das Spurenelement. "Hirse, Schwarzwurzeln, Pfifferlinge oder Haferflocken sind gute Eisenlieferanten", sagt Silke Restemeyer. Allerdings kann der Körper das pflanzliche Eisen nicht so gut verwerten wie das tierische. Verbessern lasse sich die Aufnahme durch den gleichzeitigen Genuss eines Vitamin-C-haltigen Produkts, empfiehlt die DGE. Ein Glas Orangensaft oder etwas Paprika stellen das sicher.

"Nein, denn Deutschland ist kein Vitaminmangelland", sagt Silke Restemeyer. "Die überwiegende Zahl der Menschen in Deutschland ist mit Vitaminen ausreichend versorgt. Wer sich ungünstig ernähre, könne das nicht durch die Einnahme von Vitaminpräparaten oder Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen, hält die DGE in einer Stellungnahme zum Thema fest. Ein zusätzliches Manko von Präparaten: "Die unbedarfte Einnahme von Präparaten kann zu einem Risiko für die Gesundheit werden, wenn die Mengen zu hoch sind und diese über einen längeren Zeitraum eingenommen werden oder zusätzlich angereicherte Lebensmittel verzehrt werden", warnt Röwe.

Zudem weiß man zwar, dass Obst und Gemüse viele gesundheitsfördernde Stoffe enthalten. Nicht klar ist hingegen, ob der positive Effekt im Zusammenwirken verschiedener Inhaltsstoffe liegt oder auf einzelne zurückgeht. Wer zum Vitaminpräparat greift, kann lediglich auf eine isolierte Wirkung hoffen.

Die verschiedenen Studien zeigen, dass bei der Mehrzahl der Vitamine in Deutschland die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr erreicht werden. Ausnahmen davon sind Folat und Vitamin D in allen Altersgruppen und Vitamin A, Vitamin E und Vitamin C in bestimmten Altersgruppen. Bei Pflegeheimbewohnern ist darüber hinaus die Zufuhr von einigen B-Vitaminen kritisch.

Was viele nicht berücksichtigen: Der persönliche Vitaminbedarf hängt von vielen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Größe und körperlicher Aktivität ab. Nicht jeder Mensch braucht zum gleichen Zeitpunkt das gleiche Maß an Nährstoffen. Bei starker Stressbelastung kann ein Mensch beispielsweise einen höheren Vitamin C-Bedarf haben als sonst. Besondere Lebenssituationen erfordern also eine andere Ernährung. "Wenn auf einer Flasche Orangensaft steht, Sie könnten mit zwei Gläsern Saft zum Beispiel 100 Prozent Ihres täglichen Vitamin-C-Bedarfs decken, so mag das für eine Person zutreffen, eine andere Person ist damit aber immer noch heillos unterversorgt", schreibt Internist Dr. Ulrich Strunz in seinem Buch "Vitamine — wie sie wirken, warum sie helfen".

Neben der Unterversorgung kann aber auch die Überversorgung zum Problem werden. Denn sie kann schaden. Es wird wissenschaftlich diskutiert, ob Vitamin C im Übermaß die Entstehung von Nierensteinen begünstigen könnte. Ein Zuviel an Eisen über einen längeren Zeitraum kann eventuell die Infektanfälligkeit erhöhen. Darum müssen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auf der Verpackung nicht nur angeben, welche Tagesdosis empfohlen ist, sondern auch, dass diese Menge nicht überschritten werden darf, heißt es vonseiten der Verbraucherzentrale.

(wat)
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