Vegan, ungekocht, lebendig "Raw Food" als neuer Lifestyle-Trend

Bonn/Sindelfingen · Sting macht es, Nena auch - sie ernähren sich ausschließlich von Rohkost. Auch in Deutschland ist die sogenannte "Raw-Food"-Bewegung (engl. für "Rohkost") im Kommen. Die Ernährungsweise birgt jedoch Risiken der Mangelversorgung.

Frutarier, Rohköstler und Co.
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Foto: dpa, Mascha Brichta

Anhänger der Raw-Food-Bewegung ernähren sich nicht nur vegan - also ohne tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch und Eier - sondern sie verzichten auch auf das Kochen der Nahrung. "Wir essen Gemüse, Obst und Wildpflanzen roh, damit alle Inhaltsstoffe dem Körper komplett zur Verfügung stehen", erklärt Christine Volm, Rohköstlerin und Buchautorin ("Rohköstliches", Ulmer). Der Körper bekomme so mehr Energie, ist sie überzeugt.

Die Kunst der Kombination

Von einem faden Rohkostteller wollen aber auch Raw-Foodies nichts wissen. "Wichtig ist es, Früchte, Gemüse und Nüsse miteinander raffiniert zu kombinieren. Ich mache mir gern Erdmandeln mit Heidelbeeren oder Kirschencreme mit Cashew-Mousse", berichtet die Gartenbauwissenschaftlerin.

Es gibt unterschiedliche Motive für diese Form der Ernährung, weiß Volm. Viele Rohkost-Anhänger litten unter Allergien oder anderen Beschwerden und probierten die Ernährungsumstellung wegen ihrer Gesundheit aus. Unter ihnen seien Urköstler, die sich am liebsten direkt von der Hand in den Mund ernährten und die Nahrung so gut wie gar nicht verarbeiteten, aber auch Gourmet-Rohköstler, die aufwendigere Gerichte zubereiten und ihr Essen auch einmal leicht erwärmen. Allerdings nur auf etwa 40 Grad Celsius - etwas mehr als Körpertemperatur. Andere schätzen die Rohkost als eine Alternative zum Gemüseeintopf oder zur vegetarischen Pizza.

"Rohkost darf nichts sein, womit man sich abmüht", betont Volm. Im Sommer sei ohnehin der Tisch reich gedeckt, aber auch im Winter könne man sich gut von Rohkost ernähren - mit Sprossen, Postelein, Bittersalaten wie Radicchio oder Chicorée oder auch mit gehaltvollen Kombinationen wie Datteln, Nüssen und Grünkohl. Den Speiseplan sollte man mit Wildpflanzen bereichern, empfiehlt Volm. Wie beim Pilze sammeln brauche es hier allerdings etwas Fachkunde. Sichere, leicht erkennbare Pflanzen seien etwa Giersch, Löwenzahn und Gundermann.

Den Körper umstellen

"Wer seine Ernährung umstellt, sollte zuerst ein paar Fastentage einlegen", rät Christine Volm. Nach dem Fastenbrechen schmecke der erste Apfel wunderbar - das erleichtere die Umstellung. Überhaupt entwickle sich bei Rohköstlern mit der Zeit das Geschmacksempfinden immer mehr. Beim Einkauf solle man vor allem auf Qualität achten - dabei sei der Bioladen die beste Wahl. Von exotischen Früchten, die unreif geerntet werden, rät die Expertin ab. Diese sollte man nur in allerbester, ausgereifter Qualität kaufen.

Rohkost könne man sich auch mit kleinerem Budget leisten, betont Volm - hier sei Ideenreichtum gefragt, etwa der eigene Anbau oder der Einkauf von Lebensmitteln der Saison. Wer mehr Geld zur Verfügung habe, der werde auch bei Spezialisten fündig, die einem etwa Woche für Woche das exklusive Wildpflanzen-Paket packten.

Eine Ernährung allein durch Rohkost ist allerdings auch kritisch zu betrachten: "Wer sich komplett durch Rohkost ernähren möchte, sollte sich genau über die Inhaltstoffe seiner Nahrungsmittel informieren", betont Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. Studien hätten gezeigt, dass eine rein vegane Ernährung - ohne Fleisch und Milchprodukte - bei manchen Menschen zu Mangelerscheinungen führen könne. Eine gelegentliche Kontrolle der Blutwerte sei deshalb ratsam. Das gelte insbesondere bei Personengruppen mit erhöhtem Nährstoffbedarf, wie beispielsweise Kindern, Älteren oder Schwangeren.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt die vegane Ernährung für keine Altersgruppe. Insbesondere bei den wichtigen Nährstoffen Eiweiß, Vitamin B12, Calcium, Eisen und Jod kann es zu Mangelerscheinungen kommen. Personen mit erhöhtem Nährstoffbedarf, wie Schwangeren, stillenden Frauen, Alten und Kindern rät die DGE dringend von veganer Kostform ab.

(DDP/RPO/jre)
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