Die zwei Seiten der weißen Würze Salz — Teufelszeug oder Heilmittel?

München/Bonn · Schuppenflechte soll Salz lindern können und bei Asthma und Rheuma Besserung bringen. Zugleich aber ist es in Verruf, weil es für mehr Schlaganfälle, Herztote und sogar Krebskranke verantwortlich sein soll. Doch stimmt das? Lesen Sie hier die ganze Wahrheit über Salz.

So hilft Salz der Gesundheit
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Foto: Shutterstock/Africa Studio

Menschen mit Schuppenflechte kennen sie alle, die harten Therapeutika, mit denen sie der juckenden Qual ein Ende zu bereiten versuchen. Viele von ihnen haben es mit Teersalben probiert und sind beim verrufenen Allheilmittel Kortison angekommen. Zu verlockend klingt da die Aussicht darauf, die Haut mit Salz und Licht wieder beruhigen zu können. Sole-Photo-Therapie nennt sich die gezielte Behandlung zweier natürlicher Wirkstoffe, die mittlerweile auch von den Krankenkassen übernommen wird. Denn das in Sole gelöste Salz ist ein anerkanntes Arzneimittel.

Erlösendes Heilmittel

Zehn Dinge, die Sie über Salz wissen sollten
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Nicht nur bei Psorias kommt es zum Einsatz: Als Bad oder Umschlag hilft es von außen und wird als Tinktur, Spülung oder Inhalation auch innerlich beim Kurieren von Krankheiten wie Allergien, Haut- und Atemwegserkrankungen, Rheuma und Arthrose angewandt. Bei Asthma eingesetzt kann das Inhalieren von Salzlösungen eine Normalisierung der Lungenoberfläche anstoßen. Besonders in höheren Salzkonzentrationen werden ihnen therapeutische Effekte nachgesagt, weil sie zu einer besseren Befeuchtung und Durchblutung führen. So löst sich nach Informationen der Deutschen Lungenstiftung festsitzender Schleim besser und kann besser abtransportiert werden.

Zu viel Salz jedoch ist ungesund wenn man es zu sich nimmt, so die gängige wissenschaftliche Meinung. Dabei ist egal, ob man sich teures Himalayasalz übers Essen rieselt Meersalz, Steinsalz oder herkömmliches Speisesalz. Ihnen allen wird nachgesagt den Blutdruck in die Höhe zutreiben und Begleiterkrankungen wie Diabetes, Übergewicht oder chronischen Nierenerkrankungen zu fördern.

Mensch als Salzspeicher

Was dabei manchem an die Gesundheit geht, ist die Tatsache, dass der Organismus für so viel Salz, wie wir es heute vor allem über Fertigpizza, Wurst, Käse und Brot zu uns nehmen, nicht gemacht ist, sagt Endokrinologe Prof. Martin Reincke vom Uniklinikum München. "Die Hauptgefahr für den Menschen war in der Evolutionsgeschichte immer ein Salzmangel, zum Beispiel durch zu starkes Schwitzen", sagt der Mediziner. Aus diesem Grund verfügen wir ausschließlich über hormonelle Mechanismen, die darauf angelegt sind, das Salz im Körper zu behalten. Denn ganz ohne das Mineral kann der Organismus nicht existieren. Der Druck in den Zellen wird durch das Mineral reguliert, die Flüssigkeitsregulation ist abhängig davon und auch für Verdauung und Stoffwechselvorgänge benötigen wir es.

Noch im Mittelalter war das "weiße Gold" überaus kostbar und beflügelte den internationalen Fernhandel. Erst durch die industrielle Gewinnung veränderte sich die Verfügbarkeit derart, dass aus dem einstigen Luxusgut ein Alltagsprodukt wurde. Das stellt den Organismus vor harsche Probleme. Denn nun nutzen die ausgefeilten Salzeinlagerungsmechanismen nichts mehr. Stattdessen muss der Körper zusehen, es wieder loszuwerden. "Das geschieht über die Nieren", erklärt der Münchener Endokrinologe. Doch die Krux an der Sache ist: Nicht jeder Mensch kann das gleich gut.

Beim wem weniger mehr wäre

"Die, deren Körper darauf genetisch nicht eingestellt ist, also salzsensitiv reagieren, entwickeln Bluthochdruck", so Prof. Martin Reincke. Ein weiteres Problem entsteht durch die Versuche der Nieren, das überflüssige Salz auszuspülen. Es gehen auch Elemente wie Kalzium verloren, das für den Knochenstoffwechsel wichtig ist und Osteoporose vorbeugt. Doch die Deutschen mögen es zu gerne würziger. Frauen nehmen laut der Nationalen Verzehrstudie etwas mehr als den Richtwert zu sich. Männer hingegen jeden Tag rund neun Gramm. Einige Menschen erreichen sogar Spitzenwerte von täglich 30 Gramm. Das kann leicht passieren, wenn man vor allem auf Fertiglebensmittel und Fast Food zurückgreift. Mit einem einzigen Burger hat man die Tageshöchstmenge bereits erreicht. Kaum glaubt man, dass in einer Fertigpizza bis zu acht Gramm Salz stecken können.

Um diesen Teufelskreis zu stoppen, raten die meisten Mediziner es gewissenhafter einzusetzen. Nur drei Gramm weniger täglich könnten die Anzahl der Schlaganfälle um 22 Prozent senken und die der Herztodesfälle um 16 Prozent, ist sich die Weltgesundheitsorganisation WHO sicher. Wer den Übeltäter konsequent reduziert, könne sogar die Anzahl blutdrucksenkender Medikamente reduzieren, sagt die Deutsche Hochdruckliga. Fachgesellschaften sowie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) geben darum entsprechend europäischer Leitlinien einen Richtwert von höchstens fünf bis sechs Gramm Salz pro Tag an. Das entspricht einem gestrichenen Teelöffel.

Nutzen oder Schaden von Salz nicht belegt

Die Kehrseite der Medaille allerdings ist: "Ältere Menschen, solche mit Diabetes oder Herzmuskelschwäche, sollten ihren Salzkonsum nicht unter drei Gramm reduzieren", warnt der Münchener Endokrinologe. Denn bei ihnen könne das die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislaufprobleme erhöhen. Kurz atmeten vor einigen Jahren auch diejenigen auf, die gerne nachsalzen, denn eine provokante Studie aus Belgien stellt die anerkannten Erkenntnisse auf den Kopf. Wissenschaftler aus Löwen fanden nach einer Langzeitstudie an 3.500 Probanden heraus, dass bei einem hohen Salzkonsum das Todesrisiko durch Herz-Kreislauferkrankungen sinkt. Daraus leiten die Wissenschaftler ab, die allgemeine Empfehlung zur Salzreduktion in der Bevölkerung sei unbegründet. Viele Experten Sie bemängeln allerdings die Methodik, eine zu kurze Beobachtungszeit und zu junge Studienteilnehmer und sehen damit die Ergebnisse als nichtig an.

Doch auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt nach Auswertung von 62 randomisierten Studien zu dem unerwarteten Ergebnis, dass "ein Nutzen oder ein Schaden einer kochsalzreduzierten Diät bei Patienten mit Bluthochdruck auf Basis randomisierter kontrollierter Studien bislang nicht belegt" ist.

Einen Erklärungsversuch startet die Sprecherin der DGE: "Dem IQWiG geht es um das Thema Therapie bereits Bluthochdruckkranker und uns um die Prävention. Wir sind zusammen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) der Meinung, dass es ausreichend viele Studien gibt, die für ungünstige Auswirkungen auf Blutdruck und Erkrankungen am Herzen sprechen", fasst Gahl zusammen. Das BfR geht sogar noch weiter und bringt ein Zuviel der Würze in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Nierenerkrankungen, Osteoporose oder Magenkrebs.

Damit liegt man richtig

In Anbetracht der nicht immer eindeutigen Studienlage empfiehlt es sich, moderat zum Salzstreuer zu greifen. Denn schließlich weiß niemand von sich selbst, ob er salzsensitiv reagiert oder nicht. Auch macht es Sinn, rein vorsorglich auf Zutatenlisten zu schauen und statt zu den weißen Rieselkörnern zu mehr frischen Kräutern in der Küche zu greifen. Daneben dürfen Kranke den sonst kritisch beäugten Stoff bei Fußbädern, Inhalationen und äußeren Anwendungen hemmungslos nutzen.

(wat)
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