Berühmtes Restaurant muss schließen Südkoreanern vergeht der Appetit auf Hund

Seoul · In Südkorea werden pro Jahr ungefähr zwei Millionen Hunde gegessen. Doch der Trend ist rückläufig, praktisch nur noch die Alten greifen zu. Junge Menschen lehnen traditionelle Gerichte mit Hund ab, sie halten sich die Vierbeiner lieber als Haustier.

Südkorea - Appetit auf Hundefleisch lässt nach
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Aus für eines der berühmtesten Hundefleisch-Restaurants in Südkoreas Hauptstadt Seoul: Nach mehr als 30 Jahren schließt am (heutigen) Freitag mit dem "Daegyo" eine Institution. Der Grund: Immer weniger Südkoreaner, darunter viele junge Menschen, finden Gefallen an dieser Spezialität.

Das sah vor Jahren noch ganz anders aus. Köchin Oh Keum-il, die 1981 das "Daegyo" gründete, reiste damals durch das Land, um in jeder Region Rezepte mit Hundefleisch zu sammelen.

Während einer Tauwetterphase in den Beziehungen zum kommunistischen Bruderstaat besuchte sie Anfang der 2000er-Jahre sogar Nordkorea und ließ sich dort ein Dutzend unterschiedlicher Hunde-Gerichte von Eintopf bis Toffee vorsetzen.

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In ihrem Restaurant servierte die 58-Jährige bis zuletzt landestypische Spezialitäten wie Bibimbap, ein Gericht aus Fleisch und Reis, mit Hund. Beliebt waren auch der Eintopf Boshintang mit Hundefleisch.

In Südkorea, China und Vietnam hat das Essen von Hunden eine lange Tradition. Schon in einem koreanischen Medizinbuch aus dem 17. Jahrhundert wird aufgeführt, welchen medizinischen Nutzen das Fleisch hat. Doch das Essen von Hunden kommt aus der Mode. Schuld sind nicht etwa Gesetzesänderungen, sondern vor allem Veränderungen im Verbraucherverhalten.

Wenn es im Sommer während der sogenannten Hundstage richtig heiß wird, griffen viele Koreaner früher zu einem alten Hausmittel, das angeblich Kraft verleiht, die Hitze gut zu überstehen - Hund mit Gemüse in scharfer Suppe. Heutzutage bevorzugen junge Südkoreaner eine andere Küche.

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Foto: Shutterstock/ smereka

An den Hundstagen ordern sie Hühnersuppe. Wer noch Hund bestelle, erzähle das nicht groß herum, sagt Moon Jaesuk, ein 32-jähriger Forscher, der vor seinem Umzug in die Hauptstadt gerne Hund gegessen hat.

"In einer Gruppe von 10 oder 20 Leuten vorzuschlagen, man könne doch Hund essen, ist nicht einfach. Das ist so, als mache man einen anzüglichen Witz", so Moon. "Bei Boshintang ist die Generationenkluft zu groß", sagt auch Oh. "Junge Menschen bestellen das nicht." Früher habe sie rund 700 Portionen Boshintang pro Tag verkauft, heute nur noch halb so viel, sagt Oh.

Dass den Koreanern der Appetit auf Hund vergangen sei, hänge auch mit Fernsehsendungen zusammen, in denen niedliche Welpen und andere Haustiere großgezogen werden, sagt Oh. Zudem wirken sich wohl auch die Klagen der Tierschützer aus, die für den Verzehr gedachten Hunde stürben einen schmerzhaften und unmenschlichen Tod. Auch nehmen Südkoreaner Hunde immer stärker als Haustiere und "besten Freund" wahr.

Auf die Ernährung kommt es an
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Die Marktforscher vom Nonghyup Economic Research Institute schätzen, dass der Haustiermarkt in Südkorea von 2012 bis 2020 von 900 Mrd. Won auf 6000 Mrd. Won (4,5 Mrd. Euro) anwachsen wird. Jeder fünfte Haushalt halte sich aktuell entweder einen Hund oder eine Katze.

Das Thema Hund führt auch innerhalb der Familien immer wieder zu Streitereien. Die 30-jährige Kim Dongyoung etwa sagt, sie streite sich wegen ihres Schoßhündchens öfter mit ihrem Großvater. "Wann immer er meinen Hund gesehen hat, sagte er, der reiche ja nur für eine Portion scharfe Suppe", so Kim. Kürzlich habe sie einen Mietvertrag rückgängig gemacht, nachdem sie feststellte, dass die Wohnung in einem Haus mit einem Restaurant lag, in dem Hunde-Eintopf serviert wird.

Hundefleisch sei früher nach Rind, Schwein und Huhn das viertbeliebteste Fleisch gewesen, sagt Choi Young-im, Generalsekretär eines Verbands industrieller Hundezüchter. Mittlerweile sei auch Entenfleisch noch beliebter, aber Hund werde auch künftig auf Speisekarten zu finden sein, meint er. Er schätzt, dass die Koreaner jährlich 2 bis 2,5 Millionen Hunde essen.

Offizielle Zahlen zur Hundefleischbranche liegen nicht vor, aber Lieferanten bestätigen die Einschätzung, dass der Verzehr zurückgeht. Die Zahl der Anbieter habe sich im Vergleich zu früher etwa halbiert, meint der Schlachter Shin Jang-gun, dessen Vater jahrzehntelang nichts als Hundefleisch verkauft hat.

Er selbst hat auf seiner Liste noch rund 700 bis 800 Restaurants aus Seoul als Abnehmer stehen, früher seien es mehr als 1500 gewesen. Shin hat das Geschäft 2002 übernommen und bietet inzwischen auch Ziegenfleisch an, um die rückläufige Nachfrage nach Hundefleisch auszugleichen.

"Hundefleisch ist keine Branche mit einer glorreichen Zukunft", meint Shin. "Die jungen Generationen essen das Fleisch nur selten." Oh bedauert die Entwicklung: "Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich junge Menschen in meinem Restaurant sehe", sagt sie. Sie will jetzt ein Beef-Barbecue-Restaurant eröffnen.

(ap)
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