Die Zukunft der Küchenmaschine Thermomix bekommt Internet-Anschluss

Wuppertal · Die Küchenmaschine bricht alle Rekorde. Innerhalb eines Jahres haben sich die Verkaufszahlen verdoppelt. Nun soll das Gerät weiter digitalisiert werden. Für Vorwerk ist der Erfolg Fluch und Segen zugleich – es droht das Apple-Problem.

 Kein günstiges Vergnügen: Die Allzweckwaffe für die Küche kostet 1199 Euro.

Kein günstiges Vergnügen: Die Allzweckwaffe für die Küche kostet 1199 Euro.

Foto: Thermomix

Die Küchenmaschine bricht alle Rekorde. Innerhalb eines Jahres haben sich die Verkaufszahlen verdoppelt. Nun soll das Gerät weiter digitalisiert werden. Für Vorwerk ist der Erfolg Fluch und Segen zugleich — es droht das Apple-Problem.

Die Zukunft des Thermomix ist etwa so groß wie eine Zigaretten-Schachtel. "Damit ist Vorwerk endgültig digital", sagt Rainer Genes, persönlich haftender Gesellschafter bei Vorwerk. Die weiße Box verbindet den Thermomix mit dem Internet.

Für Nutzer wird es so möglich sein, Rezepte aus dem zugehörigen Online-Portal auf das Display der Küchenmaschine zu laden. Anschließend führt das Gerät dank eingebauter Navigation durch die Zubereitung. "Cook-Key" nennt Vorwerk den kleinen Sender, der an der Seite des aktuellen Thermomix-Modells TM5 befestigt wird.

In den vergangenen 132 Jahren der Firmengeschichte hat das Wuppertaler Familienunternehmen Teppiche gewebt, Staubsauger montiert und zeitweise sogar Küchen und Fertighäuser im Angebot gehabt. Doch nie liefen die Geschäfte so gut wie jetzt, wo dank des Thermomix ein Umsatzrekord nach dem nächsten gebrochen wird.

Vor allem in Deutschland findet die Küchenmaschine reißenden Absatz. Wurden hierzulande 2014 noch rund 200.000 Geräte verkauft, waren es im vergangenen Jahr bereits doppelt so viele. Das wirkt sich auch auf den Gesamtumsatz von Vorwerk aus, der innerhalb von vier Jahren um rund eine Milliarde auf rund 3,5 Milliarden Euro wuchs.

Das Wunder von der Wupper

Nun will Vorwerk seine Produkte weiter digitalisieren, um das Wunder von der Wupper fortzuschreiben. Dazu wandelt sich das Unternehmen langsam vom reinen Gerätehersteller hin zu einem Konzern, der seine physischen Produkte in ein digitales Ökosystem integriert.

Ähnlich wie das US-Unternehmen Apple beim iPhone versucht Vorwerk, eine Welt um seine Geräte herum zu entwickeln. Bei Apple gibt es dafür den App-Store, in dem Nutzer kleine Programme herunterladen können.

Bei Vorwerk tastet man sich in ähnliche Bereiche vor. Apps gibt es natürlich längst für den Thermomix und den ebenfalls erfolgreichen Staubsauger Kobold. Den Saugroboter von Vorwerk kann man dank App fernsteuern, beim Thermomix lassen sich bislang immerhin Rezepte speichern und Einkaufslisten erstellen.

Kochboxen-Lieferdienst bietet Thermomix-Rezepte an

Nun verbindet Vorwerk nicht nur den Thermomix mit dem Internet, sondern arbeitet mit dem Start-up Hello Fresh auch an passend auf ihn zugeschnittenen Produkten. Der Berliner Kochboxen-Lieferdienst, an dem Vorwerk beteiligt ist, bietet seit einigen Tagen speziell auf den Thermomix abgestimmte Rezepte an, die anschließend den Kunden samt portionierter Zutaten geschickt werden. Bislang teste man die Möglichkeiten, sagen die Vorwerk-Manager, man sehe aber großes Potenzial in dem Bereich.

Was die Wuppertaler für die Zukunft noch planen, lässt sich erahnen, wenn man einen Blick auf die weiteren Beteiligungen wirft. So unterstützt Vorwerk das Start-up Gestigon, das sich auf Gesten-Steuerung spezialisiert hat. Gut möglich, dass Thermomix und Kobold irgendwann durch Zeichensprache bedient werden.

In Wuppertal ist man jedenfalls fest davon überzeugt, die Wachstumsgeschichte des Thermomix fortschreiben zu können. Zum ersten Mal wagt man sich daher auf den riesigen US-Markt. Hier sollen die Thermomix-Beraterinnen künftig zunächst den rund um San Francisco herum lebenden gesundheitsbewussten und einkommensstarken Menschen die Vorzüge des Geräts beim Live-Kochen vermitteln. Für weiter entfernte Regionen soll es Veranstaltungen per Video-Dienst Skype geben. "Das machen schon viele andere Unternehmen so", sagt der persönlich haftende Gesellschaft Frank van Oers, "für uns wäre es eine Premiere."

Bei aller Freude über das rasante Wachstum — in diesem Jahr soll der Thermomix-Umsatz um weitere 20 bis 25 Prozent zulegen — könnte die Küchenmaschine für Vorwerk Fluch und Segen zugleich sein. Denn ähnlich wie bei Apple, dessen iPhone auch einen Verkaufsrekord nach dem anderen gebrochen hat, wird das Produkt für Vorwerk immer wichtiger.

Damit steigt die Abhängigkeit. 2014 lag der Anteil des Thermomix am Gesamtumsatz bei 33 Prozent, 2015 waren es bereits 39 Prozent. Geht die Entwicklung so weiter, könnte das Unternehmen bald jeden zweiten Euro mit der Küchenmaschine umsetzen, zumal der Preis zuletzt erhöht wurde. Seit April kostet er 1199 Euro, davor waren es rund 100 Euro weniger. Mit Einführung des Cook-Key würde er für diejenigen, die ihn mitbestellen, noch einmal um rund 100 Euro teurer.

Australierin will sich an Küchenmaschine verletzt haben

Solange es gut läuft, ist das für Vorwerk kein Problem. Sollten sich Vorwürfe wie in Australien bewahrheiten, wo eine Nutzerin behauptete, durch den Thermomix schwere Verbrühungen erlitten zu haben, hätte Vorwerk ein Problem. Je größer die Stückzahlen, umso härter würde ein Rückruf ins Gewicht fallen. Bislang scheinen sich die Vorwürfe allerdings nicht zu bestätigen.

Ein weiteres Problem für Vorwerk ist, dass jedes neue Produkt am TM5 gemessen wird. Der Verkauf der Akku-Werkzeuge Twercs, die Vorwerk im Sommer präsentierte, scheint bislang ähnlich schleppend zu laufen wie bei Apple der Verkauf der Computeruhr Apple Watch. Diese konnte nie an die Erfolge des iPhones anknüpfen. Auch Vorwerk gibt sich zugeknöpft bei Twercs-Absatzzahlen, man sei aber zufrieden.

Aktuell sind die Geschäftsführer jedoch optimistisch, was weitere Thermomix-Verkäufe angeht. "Bis es zu einer Sättigung des Marktes kommt, wird es noch dauern", sagt Frank van Oers. In einigen Städten in Süddeutschland sei der Thermomix zwar schon in relativ vielen Haushalten vorhanden. Insgesamt gebe es das Gerät jedoch nicht mal in jedem zehnten Haushalt in Deutschland. "Wir denken, dass der Thermomix durchaus in 15 Prozent der Haushalte stehen könnte", sagt van Oers. Bei 40 Millionen Haushalten in Deutschland wären das sechs Millionen Geräte — aktuell gibt es rund zwei Millionen. Es gibt für die Thermomix-Verkäuferinnen also noch viel zu tun.

(frin)
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