Ernährung Brauchen Veganer eine Extrawurst?

Düsseldorf · 7,8 Millionen Deutsche leben vegetarisch, rund 900.000 vegan. Tendenz steigend. Aber ist das gesund, und warum macht man das überhaupt? Drei Experten geben Antworten.

 Die vegane Ernährungspyramide.

Die vegane Ernährungspyramide.

Foto: Ferl

Die Sommerzeit mit ihren geselligen Grillabenden sorgt vor allem bei Fleischessern für Begeisterung. Ein saftiges Steak, eine schöne Schweinelende - für sie ist das Brutzeln auf dem Rost das Paradies. Immer häufiger finden sich allerdings Tofubratwurst und Seitansteak zwischen den echten Fleischprodukten. Denn die Zahl der Deutschen, die sich für eine fleischfreie (vegetarisch) oder sogar rein pflanzliche Ernährung (vegan) entscheiden, wächst. Welche Beweggründe der Verzicht hat, und ob das gesund sein kann, ist trotz der wachsenden Zahl an Nicht-Fleischessern für viele ein Rätsel.

Auf dem dritten Veggie-Erlebnisabend der Rheinischen Post gaben drei Experten Antworten auf die wichtigsten Fragen: Ernährungsexperte Niko Rittenau erklärte, wie vegane Ernährung funktioniert. Jumana Mattukat sprach über das vegane Familienleben, und Vegan-Koch Björn Moschinski bekochte die Gäste mit veganen Köstlichkeiten. Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Eine Lebensumstellung hat immer sehr individuelle, oft persönliche Gründe. Für den Wechsel zur veganen Lebensweise gibt es laut Ernährungsberater Niko Rittenau aber auch mehrere objektive Gründe: "Zum einen ist es die nachhaltigste Ernährungsweise, zum anderen die gesündeste." Nachhaltigkeit, das bedeutet für Rittenau eine Ernährung, welche die natürlichen Ressourcen schont und zugleich möglichst die gesamte Weltbevölkerung ernähren kann. "Um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, braucht man 15.000 Liter Wasser. Für ein Kilo Tofu sind es nur 1000 Liter", sagt er. Und weiter: Hochrechnungen zeigen, dass man die wachsende Weltbevölkerung auch die nächsten Jahrzehnte ernähren könne, wenn alle rein pflanzlich konsumieren. Mit tierischen Produkten sei das schon jetzt nicht möglich. "Natürlich kann einem der Rest der Welt auch völlig egal sein, nur ist das natürlich nicht besonders nett", so Rittenau.

"Wenn man sich insgesamt sehr gesund ernährt und nicht übermäßig viel Fleisch ist, dann kann man natürlich auch mit tierischen Produkten gesund leben", sagt der Ernährungsexperte. "Studien zeigen aber, dass Veganer ein deutlich verringertes Risiko haben, an Diabetes, Herz- und Gefäßkrankheiten zu erkranken, weil sie keine tierischen Fette zu sich nehmen." Auch bei dieser Regel gibt es jedoch ein Aber: "Damit die vegane Lebensweise gesund ist, ist es wichtig, viele Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst und Vollkorngetreide zu essen, bei wenig vorverarbeiteten Produkten." Denn wie bei tierischen Produkten enthalten vegane Bratwürste und Schnitzel viel Fett, Salz und auch Geschmacksverstärker. Und noch ein Hinweis von Rittenau: Veganer müssen Vitamin B12 von außen zuführen, weil der Körper es nicht selbst produzieren kann. Vor allem für die Blutbildung ist das Vitamin jedoch wichtig.

"Am ehesten fehlen einem als Veganer die Geschmäcker, die man aus der Kindheit kennt", sagt Vegan-Koch Björn Moschinski. Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, hin und wieder zu fertigen Fleischersatzprodukten zu greifen. Grundsätzlich sind sich Moschinski und Rittenau aber einig: Wer aus gesundheitlichen Gründen vegan leben will, der sollte möglichst viel selbst kochen. Nur so kommen die Vorteile wirklich zum Tragen.

Nein. Viele Veganer achten bei ihrer Ernährung nicht auf Kalorien, Zucker- oder Fettbilanz und nehmen entsprechend genauso zu wie Fleischesser. Für Veganer gelten in Sachen Abnehmen also grundsätzlich die gleichen Regeln wie für alle anderen: Der tägliche Kalorienverbrauch muss höher liegen als die Kalorienaufnahme.

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Mit einem Vorurteil räumt Ernährungsberater Rittenau aber klar auf: low-carb, high-protein (wenig Kohlenhydrate, viel Protein) zu essen, sorgt nur am Anfang dafür, dass schnell viele Kilos purzeln. "Studien zeigen aber, dass eine Ernährung mit vielen Kohlenhydraten bei wenig Fett auf längere Sicht den gleichen Effekt erzielt, also genauso schlank macht." Zwei weitere Vorteile, die laut Rittenau für high-carb, vegan sprechen: Es sei die ressourcenschonendste Art zu essen, und "das Gehirn braucht die meiste Energie im Körper und ernährt sich vorrangig von Kohlenhydraten. Warum soll man ihm dann etwas anderes geben?"

"Veganer müssen sich weder von Beilagen noch eintönig ernähren", sagt Vegan-Koch Björn Moschinski. Aber man müsse beim Kochen experimentierfreudig sein und von der Mandelmilch bis hin zu Soja Verschiedenes ausprobieren. Als Einstieg eigne sich laut dem Vegan-Koch besonders eine vegane Bolognese. Die lasse sich schnell mit Tofu und Nudelsoße zubereiten. "Überhaupt nutze ich texturierte Sojaproteine gerne, weil sie sich sehr gut mit Gewürzen geschmacklich verfeinern lassen." Für die Gäste des Veggie-Erlebnisabends zauberte er vegane Mousse au Chocolat und Gyros ohne Fleisch.

Soja ist die Kurzform von Sojabohne. Sie gehört zu den Hülsenfrüchten, ist reich an B-Vitaminen und gehört zu den besten Eiweißlieferanten für Veganer. Aber wegen den darin enthaltenen Isoflavonen, pflanzlichen Stoffen also, die die Wirkung tierischer Geschlechtshormone nachahmen, stehen sie im Verdacht, krebserregend auf Brust und Prostata zu wirken. Laut Rittenau zeigen Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aber, dass Soja bei mäßigem Konsum keine Gefahr darstellt. Bis zu 300 Gramm Tofu oder 500 Milliliter Sojamilch pro Tag seien somit unbedenklich.

Ja, sagt Jumana Mattukat. Die Vegan-Autorin lebt seit vier Jahren vegan, einen großen Teil davon mit ihrer vierköpfigen Familie. "Zu Hause essen meine zwei Kinder vegan, und, wenn sie unterwegs sind, vegetarisch", sagt Mattukat. "So müssen sie nicht auf die vegetarischen Leckereien verzichten, die es für Kinder gibt, wie etwa Schokolade." Damit die zwölfjährige Tochter und der neun Jahre alte Sohne mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt sind, putzen sie sich die Zähne mit einer Vitamin-B12-Zahnpasta, "so wird das Vitamin schnell über die Mundschleimhaut aufgenommen".

In regelmäßigen Abständen lässt die ganze Familie außerdem einen Gesundheitscheck machen. Mangelerscheinungen habe bislang noch keiner gehabt.

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Vegan-Koch Björn Moschinski beeindruckte die Gäste mit seinem Eiersalat. Die Basis des Salates sind zu weich gekochte Nudeln, hinzu kommt eine vegane Mayonnaise aus 100 Milliliter Öl und 100 Milliliter Sojamilch, etwas Essig, Senf und Salz im Mixer zu Mayo geschlagen. Die Nudeln unterheben, mit Kala Namak (Schwefelsalz für den Ei-Geschmack) und Kurkuma (Gelbwurz) für die gelbe Farbe verfeinern. Zuletzt mit Salz und Pfeffer würzen.

(ham)
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