Gesundheit Warum der Apfel Tabletten ersetzen könnte

Eine Wundermedizin, die gegen gefürchtete Krankheit wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder vor Schlaganfall schützt, würde wohl zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Menschheit gehören. Tatsächlich gibt es viele wissenschaftliche Hinweise darauf, dass sie bereits existiert. Allerdings ist es keine Pille, sondern der Apfel.

Warum der Apfel Pillen ersetzen könnte
Foto: Shutterstock.com/ Denphumi

Keine Apotheke führt das Produkt mit der ersehnten Wunderformel gegen zu hohe Blutfettwerte, Schlaganfall und Herzinfarkt. Dafür könnte es bereits in jedem Obstgarten wachsen. Doch kaum jemand ahnt, welche Gesundheitsformel da von der Sonne beschienen am Baum heranreift. Geradezu klein ist der Apfel gegen manch groß vermarktete Ernährungsneuheit, viele Lifestyleprodukte und angepriesene Nahrungsergänzungen. Weitestgehend unbekannt sind den meisten die Wirkungsweisen, die Wissenschaftler in ihren Laboren zum Teil bereits entschlüsselt haben.

Zu ihnen zählen entzündungshemmende Eigenschaften und cholesterinsenkende Wirkung, die amerikanische Wissenschaftler aufspürten. Laut ihrer Studie haben schon 100 Gramm Apfel denselben antioxidativen Effekt wie rund 1500 Milligramm Vitamin C. Die krebsvorbeugende Wirkung garantiert allerdings laut dieser Untersuchung nur der Apfelverzehr mit Schale. Verschiedene epidemiologische Studien zeigen zudem einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr des Obstes und einem geringeren Risiko für bestimmte Krebsarten, Herzkreislauferkrankungen, Asthma und Diabetes.

Im Rechenmodell so wirkungsvoll wie Cholesterinsenker In einem Rechenmodell untersuchten Forscher der Universität Oxford, welchen Gesundheitseffekt es rein statistisch hätte, der über 150 Jahre alten viktorianischen Gesundheitsempfehlung "An apple a day keeps the doctor away" zu folgen. Demnach könnten rechnerisch 8500 Todesfälle durch Herzinfarkt oder Schlaganfall pro Jahr verhindert werden, würden alle Erwachsenen ab ihrem 50sten Lebensjahr täglich einen Apfel essen. Beim Griff zu modernen, cholesterinsenkenden Medikamenten, zu denen Statine zählen, wären es ähnlich viele, nämlich 9500. Im Gegensatz zum knackingen Obst haben jedoch die Pillen Nebenwirkungen. Bei 18 von 1000 Patienten verhindern sie zwar einen Herzinfarkt. Doch klagen vor allem körperlich aktive Menschen über Muskelschmerzen. Der dänische Biomediziner Prof. Flemming Dela hat diese Nebenwirkung in einer Studie untersucht. Unter aktiven Sportlern litten 75 Prozent darunter. Umstritten sind Statine auch, weil sie das Risiko für Diabetes erhöhen.

Diese und andere Laborstudien sind für manche Wissenschaftler jedoch nicht mehr als ein Rechenkunststück. Was fehlt, sind Humanstudien, die konkret den Nachweis erbringen, im menschlichen Körper genauso zu wirken, wie in Tierversuchen oder unter Laborbedingungen.

Dennoch empfiehlt sich der Griff zum saftigen Apfel. Denn unter der Schale vereint er jede Menge Inhaltsstoffe, die in ihrem Zusammenspiel den Laborstudien nach offenbar kleine Wunder wirken können. So kommen die Forscher Jeanelle Boyer und Rui Hai Liu zu der Überzeugung, dass die in Äpfeln enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe, die Polyphenole, das Risiko für koronare Herzerkrankungen und Arteriosklerose senken können. Das Obst schützt sich durch diese Stoffe vor allem vor der Sonneneinstrahlung und vor Schädlingsbefall. Seine Flavonoide entfalten als häufigster Vertreter der sekundären Pflanzenstoffe im Laborversuch entzündungshemmende, antioxidative und antidiabetische Wirkung. Das alles wäre möglicherweise auch für den Menschen ohne Nebenwirkung zu haben. Es sei denn, man leidet an einer Fruchtzuckerunverträglichkeit oder einer Apfelallergie.

Neben zahlreichen Vitaminen wie Vitamin C, Vitamin A, B1 , B2 und B6, auf die der BUND Lemgo aufmerksam macht, enthält die knackige Frucht weitere potente Inhaltsstoffe: Entzündungshemmendes und antiallergisch wirkendes Quercetin, das sonst vor allem Zwiebeln enthalten ist. In Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass dieser Wirkstoff beim Verzehr von Äpfeln das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken sogar um statistisch bis zu 40 Prozent absenkte.

Alte Hausrezepte setzen mit geriebenem Apfel schon lange auf die Wirkung des Inhaltsstoffes Pektin gegen Durchfall und Verstopfung. Es bindet im Körper nicht nur Schwermetalle und giftige Stoffe, sondern senkt auch das ungeliebte LDL-Cholesterin.

Das, was den Apfel an sich zur Wunderformel macht, ist das komplexe Zusammenspiel verschiedener Wirkstoffe, die sich nach Verzehr auch gesundheitlich bemerkbar machen können. Nur der Apfel als Ganzes hat das Potential, einem den sprichwörtlichen Gang zum Arzt zu ersparen. Nach Einschätzung des Experten vom Max-Rubner-Institut sei es aber zweifelhaft, die einzelnen Wirksubstanzen in Pillenform zu verpacken und isoliert zu verabreichen. "Zielführend ist es stattdessen, über die ganze Lebenszeit hinweg über möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel kontinuierlich niedrige Mengen sekundärer Pflanzenstoffe und auch Ballaststoffe aufzunehmen."

Das lässt sich in Sachen Apfel nicht nur über das Obst am Stück erreichen, sondern auch durch ein Glas Apfelsaft hin und wieder. Dabei ist es lohnend "im Trüben zu fischen". Vielen erscheint zwar ein Glas goldgelben Saftes attraktiver, doch hat nur der trübe die wertvollen Wirkstoffe wirklich in sich. Mehr als zur Hälfte stecken sie in und unter der Apfelschale. Wer also den Apfel schält, bevor er ihn genießt, entsorgt einen großen Teil der Inhaltsstoffe auf dem Biokompost. "In der Schale und rund um das Kerngehäuse finden sich viele der sekundären Pflanzenstoffe", sagt Dr. Stephan Barth. Er selbst isst das Kerngehäuse darum auch meist mit.

So ist es auch beim Saft. Während im trüben Saft aus Mostapfelsorten jede Menge sekundärer Pflanzenstoffe schwimmen, wird der klare Saft häufig aus Tafelobst-Konzentrat hergestellt und ist so clean wie er aussieht. Vergleicht man den Klarsaft aus Tafeläpfeln mit dem trüben saft aus Mostapfelsorten, zeigt sich, dass im klaren Saft nur etwa 20 Prozent der wertvollen Inhaltsstoffe enthalten sind, sagt der Molekularbiologe vom Max-Rubner-Institut. Nach dem Genuss des trüben Safts erreicht ein Teil der sekundären Pflanzenstoffe den Dickdarm. Dort können sie, wie im Reagenzglas gezeigt, gegen Krebszellen wirken. Sie sind zellteilungshemmend und stürzen so Tumorzellen in den programmierten Zelltod. So erklärt sich der Schutz vor Dickdarmkrebs, auf den epidemiologische Untersuchungen wie die EPIC-Studie hinweisen.

Ernährungsforscher, die sehr genau wissen, was unter der Schale steckt, empfehlen vor allem alte Sorten wie den Rheinischen Bohnapfel, Ribston Pepping, Gravensteiner, Kaiser Wilhelm oder die Gold-Renette. Letzterer ist auch unter dem Namen Freiherr von Berlepsch — oder einfach nur Berlepsch bekannt und gilt als besonders saftig und reich an Vitamin C.

Die allerdings sind in Supermärkten kaum zu finden. Was sie unattraktiv macht, ist ihr hoher Gehalt an Polyphenolen. Der ist zwar gut für die Gesundheit und macht alte Sorten häufig für Apfel-Allergiker verträglich. Unbeliebt macht alte Apfelsorten allerdings die Tatsache, dass die in ihnen enthaltenen Polyphenole bei Druck schnell braune Verfärbungen zeigen. Moderne Designersorten wie Golden Delicious, Pink Lady und Fuji zeigen nicht so schnell braune Druckstellen und verkaufen sich darum besser. Ernährungsphysiologisch betrachtet sind nicht viel mehr als ein Schluck süßes Wasser. Sekundäre Pflanzenstoffe sind im ebenmäßigen Designerobst nämlich vergleichsweise wenige zu finden.

Wer von den gesundheitsschützenden Eigenschaften des Kullerobstes profitieren möchte, der sollte ruhig noch ein bisschen mehr zugreifen als der Bundesdurchschnitt. Denn laut der Nationalen Verzehrstudie II verputzen Männer täglich rund 107 Gramm und Frauen 118 Gramm. Nur 35 Prozent der Männer und 46 Prozent der Frauen schaffen allerdings die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung propagierte tägliche Obstmenge von 250 Gramm.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort