Nur eine Therapie bei Glutenunverträglichkeit Wenn Brot krank macht

Stuttgart · Getreide ist gesund und gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. Über 300.000 Menschen in Deutschland aber macht es krank. Sie leiden – wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft –unter der unheilbaren Darmkrankheit Zöliakie. Rund 80 Prozent der Betroffenen wissen allerdings nichts von ihrer Krankheit.

 Brot und Brötchen gehören zu den beliebstesten Lebensmitteln der Deutschen. Doch viele reagieren allergisch auf das Gluten.

Brot und Brötchen gehören zu den beliebstesten Lebensmitteln der Deutschen. Doch viele reagieren allergisch auf das Gluten.

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Getreide ist gesund und gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. Über 300.000 Menschen in Deutschland aber macht es krank. Sie leiden — wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft —unter der unheilbaren Darmkrankheit Zöliakie. Rund 80 Prozent der Betroffenen wissen allerdings nichts von ihrer Krankheit.

Es ist das Klebereiweiß Gluten, das Menschen mit Zöliakie zu schaffen macht. Enthalten ist das in Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer und auch in alten Getreidesorten wie Kamut Urkorn oder Emmer. Selbst kleinste Mengen davon machen den Menschen, die an der Dünndarmkrankheit leiden, das Leben schwer: Durchfall, Blähungen, Bauschmerzen, Übelkeit, Darmkrämpfe, Entzündungen der Mundschleimhaut zeigen die Rebellion des Körpers gegen das Gluten.

Bei Kindern kann sogar hinter einer Entwicklungsverzögerung eine solche Unverträglichkeit stecken. Und auch bei Erwachsenen kann die Unverträglichkeit zu Begleiterkrankungen führen, die nicht unmittelbar mit dem Darm in Verbindung gebracht werden. Mit dazu gehören Depressionen, Muskel-, oder Knochenschmerzen, Wassereinlagerungen, Eisenmangel, Demenz oder Antriebslosigkeit.

Allerdings zeigen nur zehn bis 20 Prozent der Betroffenen die typischen Symptome der Erkrankung. Manchmal bleiben diese Symptome aber auch gänzlich aus. In rund 80 Prozent der Fälle wissen die Betroffenen darum gar nichts von ihrer Krankheit. Grundsätzlich ist ein Ausbruch der Krankheit zwar in jedem Lebensalter möglich. Die typische Zöliakie tritt jedoch entweder bereits im Kindesalter oder zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf.

Was passiert bei einer Glutenunverträglichkeit?

Eine gesunde Darmschleimhaut hat viele Auffaltungen, die auch Zotten genannt werden. Durch diese vergrößert sich die Oberfläche des Dünndarms und er kann so die aufgenommene Nahrung schneller und besser umsetzen und die Nahrungsbestandteile wie Kohlenhydrate, Vitamine und Mineralstoffe ins Blut weitertransportieren.

Bei der Zöliakie werden die Zellen der Darmschleimhaut jedoch geschädigt. Die Darmzotten entzünden sich und fallen innerhalb weniger Stunden ab. Dadurch wird die Dünndarmschleimhaut immer glatter. Sehen kann das der Internist oder Gastroenterologe bei einer Spiegelung des Dünndarms. In Folge der Reaktionen im Darm können nicht mehr ausreichend Nährstoffe aufgenommen werden. Es kommt auf Dauer zu einer Unterversorgung im Körper.

Experten raten von Schnelltest ab

Zweifelsfrei aufklären kann nur eine endoskopische Untersuchung des Dünndarms die Frage nach einer solchen Unverträglichkeit. Aus dem Dünndarm werden dann schmerzfrei einige Proben entnommen und zudem eine über das Blut Antikörperbestimmung auf Gliadin IgG und IgA gemacht. Auf keinen Fall sollte man bei Verdacht auf die Erkrankung auf im Handel erhältliche Zöliakie-Schnelltests zurückgreifen, warnt die Deutsche Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG).

Diese Tests können zu falschen positiven wie negativen Ergebnissen führen. Zudem werden die Kosten für den Test nicht von den Krankenkassen erstattet. Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden empfiehlt die DZG stattdessen direkt einen Facharzt aufzusuchen.

Oft häuft sich die Glutenunverträglichkeit in Familien, was den Forschern einen Hinweis darauf gibt, dass es sich um eine genetische Veranlagung handelt. Außerdem haben die Wissenschaftler beobachtet, dass Menschen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, Lebererkrankungen, Schilddrüsenentzündungen oder voraus, Arthritis eher auch zu einer Glutenunverträglichkeit neigen. Nach Informationen des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen steigt die Gefahr weitere Autoimmunerkrankungen auszubilden, je länger eine Zöliakie unbehandelt bleibt.

Darin versteckt sich Gluten

Das einzige, das den Betroffenen wirkungsvoll hilft, ist eine lebenslängliche Diät. Die allerdings setzt voraus, dass man sich vorab umfassend informiert. Das Einkaufen wird zumindest vorübergehend zu einer zeitintensiven Angelegenheit, denn in vielen Lebensmitteln finden sich versteckt Getreidearten wieder. Enthalten sind die auslösenden Getreidesorten nicht nur in Brot und Nudeln, sondern auch in vielen Fertiggerichten, in Babynahrung, Fruchtjoghurts, Schokolade, Pudding, Ketchup oder auch Wurstwaren. In vielen Lebensmitteln versteckt sich Gluten in den Bindemitteln, die dann glutenhaltiges Mehl enthalten.

"So schwer es ist, die Diagnose von Zöliakie zu stellen, so leicht lassen sich ihre Begleiterscheinungen therapieren", erklärt Dan Kühnau, Vorsitzender der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Wichtig sei der lebenslange und konsequente Verzicht auf Gluten. Schon wenige Wochen oder Monate nach der Ernährungsumstellung verschwinden in den meisten Fällen die Beschwerden vollständig.

Diese Ersatzprodukte kann man verwenden

Die Industrie hat sich auf das wachsende Problem der Erkrankungen eingestellt: Längst gibt es Ersatzzutaten, die Maismehl, Buchweizenmehl, Hirse, Reis oder Soja enthalten. Seit Ende 2005 müssen glutenhaltige Zutaten auf der Zutatenliste verpackter Produkte angegeben werden. Welche Lebensmittel tatsächlich unbedenklich sind, können Betroffene an der Aufschrift "glutenfrei" erkennen.

Beim Einkauf hilft auch eine Liste der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft, in der alle "erlaubten" Lebensmittel aufgeführt sind. Ein ähnliches Verzeichnis gibt es für Arzneimittel, denn Tabletten können ebenfalls Gluten enthalten. Auch Restaurants stellen sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Zöliakie ein und bieten entsprechende Angebote. Die DZG unterstützt Restaurants und Hotels, die solche glutenfreie Kost anbieten wollen dabei, Konzepte zu entwickeln und in der Praxis umzusetzen.

Für Menschen, die viel unterwegs sind und darauf angewiesen sind, sich auswärts zu ernähren, hat die DZG "Pocket Guides" für verschiedene deutsche Städte aufgelegt. Darin findet man Infos rund um die glutenfreie Ernährung vor Ort. Aufgelistet sind Supermärkte, Reformhäuser, Restaurants und Hotels, die glutenfreie mahlzeiten anbieten

(wat)
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